Connemara

Buchseite und Rezensionen zu 'Connemara' von Nicolas Mathieu
3.75
3.8 von 5 (4 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Connemara"

Hélène ist fast vierzig Jahre alt. Sie hat Karriere gemacht, geheiratet, zwei Töchter bekommen und lebt in einem Architektenhaus in der Nähe von Nancy. Sie hat sich den Traum ihrer Jugend erfüllt: abhauen, das Milieu wechseln, erfolgreich sein. Christophe hingegen hat die kleine Stadt im Osten Frankreichs, in dem er und Hélène aufgewachsen sind, nie verlassen. Er verkauft Hundefutter und führt ein unentschlossenes kleines Leben. Bis er Hélène wiedertrifft. "Connemara" ist eine Geschichte über das tiefe Unbehagen der Klassenaufsteiger und über unsere moderne Arbeitswelt zwischen PowerPoint und Open Space. Es ist auch eine Geschichte über das Zittern in der Mitte des Lebens, und über die Sehnsucht, noch mal von vorne zu beginnen. Nur dass bei Nicolas Mathieu das Politische immer im Privaten verborgen liegt.

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:432
Verlag: Hanser Berlin
EAN:9783446273771

Rezensionen zu "Connemara"

  1. Von Wirtschaft und Politik

    Kurzmeinung: Las ich mit großem Vergnügen.

    Der Roman "Connemara" spielt in Frankreich, im Department Grand-Est, mit Épinal als zentralem Verwaltungsitz. Hélène Poirot wohnt eine Stunde weit entfernt in Nancy. Eigentlich gehört sie nach Paris, dem Zentrum der Welt, meint sie, aber aus gesundheitlichen Gründen muss sie zurückstecken und in die Provinz umsiedeln. Alles, was nicht Paris ist, ist aus ihrer Sicht und aus der Sicht aller Pariser tiefe Provinz. 

    Dennoch arbeitet Hélène Poirot in einem Spitzenjob. Sie ist Consulting Manager bei der renommierten Firma WKC. Die strukturelle Vereinheitlichung der Verwaltung, zuerst des Departements, aber wer weiß, vielleicht ganz Frankreichs, steht auf dem Plan. Das ist eine gewaltige Aufgabe, die die Firma ganz nach open pushen würde, Hélènes Konzept dafür ist einwandfrei, ja, es ist makellos. Dennoch sieht sie sich seitens der höheren Beamtenschaft der Verwaltung Widerständen gegenüber. Sie ist ehrgeizig und will Partnerin werden. Dafür muss dieses Projekt gelingen, es ist ihr Projekt, es ist ein Knaller, es ist ihr Baby. 

    Der männliche Protagonist, Christophe Marchal, bäckt wesentlich kleinere Brötchen, obwohl auch er gut in seinem Job ist. Er ist Handelsvertreter für Tierfutter, zuständig für die gesamte Region Grand-Est. Aber seine Firma setzt die Bedingungen für auszuschüttende Boni, durch deren Erwerb allein man als Handelsvertreter einigermaßen über die Runden kommt, höher und höher. 

    Abgesehen davon will Christophe, er, der in seiner Jugend ein Lokalmatador war, ein im Distrikt berühmter Eishockeyspieler, dem die Frauen nachliefen, es noch einmal wissen, er will zurück aufs Eis. Wenn da nicht seine Kumpels wären, mit denen er gerne herumhängt und Bierchen zischt … . So haben beide, Hélène und Christophe ihre beruflichen Sorgen und Probleme. In beiden Ressorts herrscht übler Konkurrenzdruck. Beide Protagonisten haben Familie, beide haben feste private Strukturen, doch eines schönen Tages verstricken sie sich ineinander. Kann das gut gehen? 

    Der Kommentar: 
    Der Roman wird durch die weibliche Figur bestimmt und getragen. In Rückblenden wird der berufliche Werdegang Hélène Poirots aufgezeigt. Die Bildungsstrukturen Frankreichs kommen auf den Tisch. Man kann noch so gut sein, ein Ausnahmetalent, ein hochtalentiertes Kind wie Hélène Poirot, wenn man aus kleinen Verhältnissen kommt und nicht die Eliteschulen des Landes durchlaufen hat, wird man den besseren Kreisen immer hinterherlaufen. Und wenn man es doch geschafft hat, wenn man sich hochgeboxt hat, es bleibt ein Unterschied. Niemals gehört man so ganz dazu. 

    Hélène Poirot zuzuschauen, wie sie sich einen Platz an der Sonne erstreitet, macht Spaß. Es bestätigt, was man schon wusste. Die Welt ist ungerecht. Frauen müssen immer eine Schippe mehr drauflegen als die männliche Konkurrenz, die gefördert und gefordert wird, die den richtigen Stallgeruch hat. Und auf die richtige Toilette geht. Während man durch Hélène Poirots Jugend schreitet, entfaltet sich die typische Melancholie französischer Romane. Eine gewisse Morbidität. Resignation. Verzweiflung. 

    Der Roman Connemarra und also Nicolas Mathieu widmen sich einerseits dem Spiel der ganz Großen, dem Wirtschaftsleben, dessen Eigendynamik, dessen Gnadenlosig- und Skrupellosigkeit mit Hélène auf der einen Seite und andererseits dem Landleben und seinem leicht fauligen Charme, den Christophe Marchand verkörpert. 

     Man muss sich für wirtschaftliche Zusammenhänge interessieren, um an diesem Roman richtig Freude zu haben. Man kann sich aber natürlich auch auf die Affäre zwischen Hélène und Christophe konzentrieren, bei der es heftig zur Sache geht. Zu heftig für meinen Geschmack. 

    Dann aber, wenn man die Affäre leserisch in den Mittelpunkt stellt, müssen einem die Schilderungen, wie es bei WKC zugeht, der Consultingfirma, langweilig vorkommen. Das wäre schade. Die Consultingfirma, die sich alle Mühe gibt, Hélène mitsamt ihren Ambitionen über den Tisch zu ziehen, wartet nämlich mit einer ganz besonderen Praktikantin auf. Und diese stellt sich auf die Seite von Hélène Poirot. Und dann hat sie noch ihren Kerl zuhause. Der ihr nur allzugerne in den Rücken fällt. Warum ist das so? Genetisch bedingt. Weil Männer wichtiger sind. Denken sie.

     Fazit: Fast wie ein Wirtschaftskrimi. Hoher Spaßfaktor. Mit Protagonisten um die vierzig und mit jener, ganz typischen französischen Melancholie durchzogen, die auch französische Filme auszeichnet.

    Kategorie: Unterhaltung mit Anspruch
    Verlag, Hanser 2022

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  1. sehr tiefgründig

    Das Buch hat mich insgesamt etwas überrascht, und war anders wie erwartet.
    Ich hätte mir ein sehr neutrales Buch mit einer Geschichte erwartet - jedoch war der Stil des Buches mit einem sehr negativ kritischen Tonfall versehen, was mir persönlich nicht ganz zugesagt hat, deswegen ein Stern Abzug.
    Ansonsten konnte mich das Buch wirklich gut überzeugen. Besonders toll finde ich, dass das Buch sehr tiefgründig ist - und nicht nur sehr oberflächlich gehalten war - es ist aber somit auch schwere Kost und man muss beim Lesen wirklich dabei sein. Insbesondere auch, weil es sehr viele sprunghafte Zeitsprünge gibt, und auch die Charaktere wechseln - das hat mir persönlich aber sehr gut gefallen und gibt einem einen wirklich guten Blick auf alles.

    Von mir persönlich gibt es eine Empfehlung, sofern das Thema für einen interessant ist.
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  1. Nicht so echt fesselnd, eher anstrengend zu lesen

    Cover und Titel finde ich etwas enttäuschend. Das Bild wirkt blass und wenig aussagekräftig. Liest man dazu etwas von einer modernen Madame Bovary, die ihre Fesseln abstreift, dann passt das ganz und gar nicht zusammen.
    Der Buchtitel führt auch in die Irre. Connemara ist fast schon ein Synonym für Irland. Hier gibt der Begriff einen Liedtitel wieder, der für das Leben der Romanfiguren bedeutsam ist. Da eine Buchauswahl von Titel und Cover sehr dominiert wird ist die Eintrittskarte des Buches schon mal nicht gelungen.
    Das Thema des Buches hat mich interessiert, da ich wie Helene auch den sogenannten Aufstieg in eine andere Gesellschaftsklasse geschafft habe. Die Probleme die damit zwangsläufig verbunden sind kamen in dem Buch weniger zur Sprache. Dagegen manchmal langatmige Szenen, unterbrochen mit Gedankengängen, die man angestrengt nachvollziehen musste. Sogar die Sexszenen wrden von Gedanken an Intimrasur überschattet.So richtig fesseln konnte mich das Buch nicht.

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