Choral am Ende der Reise: Roman

Rezensionen zu "Choral am Ende der Reise: Roman"

  1. Hansen macht Lust auf mehr...

    Nachdem Norwegen im letzten Jahr Gastland der Frankfurter Buchmesse war, sind in Deutschland viele Autoren mehr oder weniger bekannt geworden, die vorher die wenigsten kannten. Einer davon ist Erik Fosnes Hansen, dessen internationaler Ruhm mit Choral am Ende der Reise begann - und das völlig zurecht!

    Es gehört zu den Geschichten, die immer wieder erzählt werden, wenn man vom Untergang der Titanic spricht - die Musiker, die bis zum Untergang des Schiffes gespielt haben und dann alle ihr Leben verloren. Auch wenn es über das letzte Lied unterschiedliche Zeugenaussagen gibt (entweder ein Choral oder das Lied Autumn), gehört dies im Gegensatz zu vielen Legenden zu den Ereignissen, die tatsächlich stimmen. Doch Eric Fosnes Hansen schreibt keinen Roman über diese acht realen Musiker (bei ihm sind es auch einer weniger), sondern er erfindet sieben Personen und erzählt sieben fiktive Biografien - vor der Blaupause der realen Katastrophe.

    Denn der Leser weiß natürlich von Beginn an, wie diese Reise enden wird, dass diese Jungfernfahrt zu einem der großen Symbole des Scheiterns modernener Technik und des menschlichen Strebens nach Ruhm und Erfolg werden wird. Und Scheitern ist auch ein zentrales Motiv im Leben der sieben fiktiven Musiker, ein Scheitern von Liebe, von Beziehungen, von Lebenszielen. Diese Geschichten erzählen aber auch von schönen und glücklichen Zeiten, von Liebe und Hoffnung im Leben ihrer Protagonisten, und manchmal vergisst man, dass dies alles kein gutes Ende haben wird. Von Beginn an lässt der Autor keinen Zweifel daran, dass diese Menschen vor etwas davon gelaufen sind, vor allem vor sich selbst und dass keiner von ihnen das ist, was man gemeinhin glücklich nennt. Und über all dem schwebt für uns das Wissen, dass ihnen selbst dieses Leben auf der Flucht nicht vergönnt sein wird. So ist das ein Roman voller tieferer Traurigkeit, obwohl oder gerade weil er auch von Momenten echten Glücks erzählt.

    Nach diesem wunderbaren Einstieg in die norwegische Literatur war sofort die Lust auf mehr geweckt - und so kamen dann Hansens neuerer Roman "Ein Hummerleben" und einige andere Werke norwegischer Schriftsteller dazu - es gibt viel zu entdecken, und Hansens Buch bietet einen hervorragenden Einstieg.

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