Bergland: Roman

Rezensionen zu "Bergland: Roman"

  1. Eindringlich und sehr gelungen

    Inhalt: Die "Innerleit-Rosa" bewirtschaftet in den Vierzigerjahren auf 1670 m Höhe allein einen Bergbauernhof. Ihre Familie wird durch den Krieg zerstört und aus ihrer Ehe bleibt nur ihr Sohn. Hart und einsam ist der Kampf mit der Natur, den Rosa auf sich nimmt. Traditionen sind ihr wichtig und der viel gerühmte Fortschritt, den ihr Sohn Sepp so gern durchsetzen möchte, ist ihr ein Dorn im Auge. Jahre später hat der Tourismus auf dem Hof Einzug gehalten und Rosas Enkel Hannes und dessen Frau müssen sich anderen, aber genauso harten Herausforderungen stellen.
    Jarka Kubsova, bekannt durch Sachbücher und Reportagen hat ihren ersten Roman veröffentlicht. Deutlich spürbar ist, wie intensiv sie sich auf dieses Bergabenteuer vorbereitet hat. Man fühlt sich sofort mitten im Geschehen und sieht die Natur und die darin hart arbeitende Rosa vor sich. Besonders die Naturbeschreibungen die ans Herz gehen und nachspürbar sind, haben mir besonders gefallen.

    "Mit zunehmender Kälte stellten die kleinen Pflanzen das Wachstum ein, zitterten in dem heulenden Wind, der jetzt wieder über die Kämme strich und vor dem sich aes Schwache beugen musste. In Rosa stieg die Furcht vor dem nahenden Winter auf, weil im Winter das Hofherz langsamer schlug."
    Drei Generationen werden im Wechselspiel der Perspektiven dargestellt. Rosa ist ein sehr starker Charakter, der sich trotz aller Widrigkeiten durch Krieg, Tod und Unerfahrenheit nicht davon abhalten lässt, den Bergbauernhof durchzubringen. Zwei Generationen später kämpft Franziska auf dem "Innerleit-Hof" darum, den Standard als Ferien-Bauernhof aufrecht zu halten. Wie hart es ist, die pure Landlust für Feriengäste vorzuspielen, wird hier schonungslos und offen wiedergegeben. Die vermeintliche Idylle entpuppt sich als fast unmöglich umzusetzende Vorgabe des Bauernverbands.

    Frauen stehen in diesem Roman im Vordergrund. Mal als hart arbeitende Bäuerin, mal als Familien- und Vermietungs-Managerin, die auf die eine oder andere Weise an ihre Grenzen gelangen. Man spürt, wie zerrissen die Frauen sind und wie viel ihnen abverlangt wird.

    Besonders die aktuelle Zeitschiene, die den Ferienbauernhof betrachtet, stimmt sehr nachdenklich. Der Einblick hinter die Kulissen der vermeintlichen Landidylle zeigt, welche hohen Kriterien an einen touristisch genutzten Bauernhof gestellt werden. Die Verbindung zur Großmutter mit ihrer naturbelassenen Acker- und Gemüsebewirtschaftung zeigt einen neuen Weg auf, der Hoffnung auf ein neues Zeitalter gibt. Sanfter Tourismus, der teilnimmt und nicht zerstört.

    Für mich ein Lesehighlight.

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  1. Über das Leben in den Bergen

    Heimat, Tradition, Familie sind Werte, die sich in der heutigen Zeit altmodisch und überkommen anhören. Dass dem nicht so ist, beschreibt die Autorin Jarka Kubsova in ihrem Debütroman, der 2021 erschien. Sie erzählt die Geschichte mehrerer Generationen des Innerleit-Hofes in den Südtiroler Alpen. Anfang der 40er Jahre des letzten Jahrhunderts ist die junge Rosa keinesfalls dafür vorgesehen, einmal den Bauernhof zu übernehmen, doch ihre als ihre beiden älteren Brüder in den Krieg ziehen, sieht auch der Vater keine andere Möglichkeit mehr, als seine Tochter in die Geheimnisse der Landwirtschaft einzuweihen. Der Vater stirbt über dem Kummer über den Tod seines Ältesten und somit bewirtschaftet Rosa von nun an allein den Hof. Die Geschichte von Rosa wechselt sich ab mit der von Franziska, die zeigt, dass das Leben auf einem Bergbauernhof auch zu der heutigen Zeit kein Zuckerschlecken ist. Dem Druck zwischen den Vorgaben der Agrarbehörde und aber auch der Tourismusvereinigung, aufgerieben zwischen Familien- und Hofarbeit muss sich Franziska auch irgendwann beugen.
    Das Buch erzählt ruhig und unspektakulär die Geschichte der beiden Frauen und ihrer Familien. Die Sprache empfand ich als einfach, aber es passte gut. Zwischenzeitlich war es mir schon fast zu ruhig, aber zum Ende hin gewinnt die Geschichte nochmal an Kraft. Die Autorin lebte selbst einige Monate auf einem Bauernhof in Südtirol und bringt diese Erfahrung sehr gut in das Buch ein. Dass der Fortschrittsglaube vor allem der 70er Jahre, der über die abseits gelegenen Bergdörfer hinwegfegte, nicht immer nur Gutes brachte, wissen wir heute nur zu gut. Früher war nicht alles schlecht und die Besinnung auf das Wissen unserer Vorfahren kann helfen, in der schnelllebigen Zeit zur Ruhe zu finden und Kraft zu sammeln.
    Ein schöner und moderner „Heimatroman“, der ohne Kitsch vom harten und einfachen, aber durchaus bereichernden Leben in den Bergen erzählt.

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  1. Tirol, unsere Liebe.

    Kurzmeinung: Muss man gelesen oder gehört haben! Mein Lesehighlight 2022

    In dem Roman „Bergland“ von Jarka Kubsova, steht die Natur im Vordergrund. Die Geschichte spielt in Südtirol auf einem Hof namens Innerleit, dieser befindet sich haarscharf an der Anbaugrenze. Oberhalb des Hofes gibt es nur noch wildes steiniges Bergland. Das Panorama ist gewaltig. 

    Die Geschichte setzt früh an, lange vor dem Zweiten Weltkrieg und schildert anhand der Bergbauern die schmerzhaften Veränderungen Tirols im Laufe seiner Geschichte. Ob Tirol zu Italien oder zu Deutschland gehören soll, ist den dort lebenden Bauern im Prinzip egal, wenn nicht entweder die einen oder die anderen einem vorschreiben wollten, welche Sprache man zu sprechen hat oder andere unerfüllbare Ansprüche stellen. 

    In der Nähe des Innerleit, in Sichtweite, aber eben nicht direkt nebenan, liegen die anderen Höfe. Man ist Nachbar, wenn man die Rauchfahne des anderen Gehöfts sehen kann. Jeder kämpft ums Überleben. Jeder hilft jedem. Das ist selbstverständlich. Dennoch wird das Leben immer problematischer zu bewältigen, denn vor dem Zweiten Weltkrieg hatte man wenigstens noch die Männer.

     Ja, das Leben war hart, aber regelmässig. Die Bauern kannten sich aus mit dem Wetter, der Saat, dem Vieh. Das Vieh lebte draussen. Es hatte noch ein Leben, das so genannt werden konnte. Das sollte sich später leider ändern. Denn irgendwann wird auch der Innerleit von der Moderne eingeholt. Auf den Hof kommen Maschinen, die Tiere sind keine Geschöpfe mehr, sondern Lieferungsprodukte, barbarisch geht der Mensch mit dem Vieh um, der Tourismus entwickelt sich, einerseits wird das Leben leichter, aber andererseits entstehen neue Zwänge. Und die Seelen verkümmern. 

    Der Kommentar. 
    Wie Jarka Kubsova diese Zusammenhänge schildert und organisch eins aus dem anderen entwickelt anhand ihrer knorrigen Figuren, allen voran der starken Rosa, der Bäuerin, der nach dem Tod ihrer Brüder das Hoferbe zugefallen ist, das ist schon stark. Sowohl die wunderschöne Sprache wie auch die Geschichte selbst, sind von eigenartigem Zauber: man sieht die Natur, man leidet im Winter und freut sich an den wenigen Freuden der Bergbauernkinder, man ist dabei, wie dem konservativen Vater endlich klar wird, dass er Rosa besser miteinbezogen hätte im Vermitteln der bäuerlichen Weisheiten als sie ein Kind war, wie er es mit den Buben machte, die einen Rechen in die Hand gedrückt bekamen, kaum, dass sie laufen konnten und bei allen seinen Tätigkeiten an seiner Seite waren. Er hat nur noch wenig Zeit, bevor er abtritt, das fühlt er. Und der Junge kommt nicht wieder. Wie lange er auch wartet. Die spärliche Zeit, die ihm bleibt nutzt er, um mit Rosa über sein Land zu gehen und sie zu unterweisen. „Hier musst du das pflanzen, bevor du das machst, dort musst du dies und das berücksichtigen“. Nichts wird aufgeschrieben, aber Rosa wird sich erinnern. Denn bald gehört ihr der Hof. Und Rosa wird außerdem, weil sie nicht nur stark, sondern auch intelligent ist und einen besonderen Bezug zur Natur hat, man nennt es Heimatliebe und Erdverbundenheit, neue Entdeckungen machen und neue Wege gehen. Wege, die von der dritten Generation zögerlich wiederentdeckt werden. Wenn man endlich, endlich, die Nachhaltigkeit von früher mit der Moderne verbindet. 

    Das Zusammenwirken der kargen Natur und der kargen Menschen, ihre Nöte, ihre Herzensangelegenheiten, die sie immer dem Hof unterodnen mussten, das Zerstören der Natur und die Kritik am Bergtourismus, dies alles zusammen, hat mich nachhaltig beeindruckt, sogar mitgenommen. Gelesen wird der Roman im Hörbuch auch wunderbarst von Britta Steffenhagen. 

    Fazit. Ein Bauernroman, der spielend leicht eine Brücke von Alt nach Neu schlägt und keineswegs dem Klischee des alten Heimatromans zugeordnet werden kann. 

    Mein Lesehighlight 2022, eine dicke Leseempfehlung! 

    Kategorie: Roman. Mit Anspruch.
    Verlag: Der Hörverlag, 2021
    Goldmann, 2021

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  1. Ein Meisterwerk!

    !ein Lesehighlight 2021/2022!

    !eine zeitlose Geschichte, die fest in meiner Bibliothek verankert sein wird!

    Klappentext:

    „Südtirol in den vierziger Jahren: Im abgelegenen Tiefenthal staunen selbst gestandene Bauern, als ihnen eine junge Frau vormacht, wie man einen Hof ganz alleine durchbringt. Rosa heißt die Frau, die die Natur versteht und lenkt, als habe sie nie etwas anderes getan. Mit aller Macht stemmt sie sich gegen den Fortschritt, der ihr kleines Reich in den Bergen bedroht.

    Zwei Generationen später sind Rosas Enkel Hannes und seine Frau Franziska auf Feriengäste angewiesen, um den Hof zu halten. Als nach einem Unglück ihre Zukunft auf dem Spiel steht, erweist sich Rosas Vermächtnis als aktueller denn je.“

    Es gibt manchmal Bücher die muss ich mehrfach lesen um für mich selbst zu erfahren ob sie beim nächsten Mal wieder so begeisternd sind wie zu Beginn. Dieses Buch hier gehört dazu. Ich heule jedes Mal an der selben Stelle wahrlich Rotz und Wasser, lache immer an den selben Stellen und denke mir, immer an den selben Stellen: Genau so war es und so wird es kommen. Dieses Buch ist grandios, ein Meisterwerk, denn es ist nicht das was der Buchtitel erstmal erahnen lässt. Hier wird keine Bergdoktor-Idylle vorgegaukelt, hier wird kein Heimatroman erzählt, hier wird die Vergangenheit mit der Gegenwart und der Zukunft beleuchtet. Eine große Gabe der Autorin, diese Zeiten so genau zu betrachten und sie zu analysieren. Hier wird Klartext geredet, hier wird keine heile-Welt vorgespielt, hier geht es um genau das Bild, was vielen von uns verloren gegangen ist.

    Erzählt wird zu Beginn in zwei Generationszeiten und ab der Hälfte des Buch bis zum Schluss sogar in drei. Macht das Sinn? Und ob. Auch hier mal wieder ein Buch wo man genau lesen muss, sich Namen merken muss, Obacht geben muss, das man nicht vom Berg fällt, weil er immer steiler wird beim lesen. Als Leser ist man hier stiller Beobachter. Zuerst erfahren wir die Geschichte von Franziska und dem dem Innerleit-Hof. Wir erlesen ihre Arbeit, ihr Seelenleben, ihre verhasste und doch geduldete „Liebe“ zu „goldenen Küken“. Ferienvermietung, Kinder, Tiere, Alm, harte Zeiten. Auf dem Hof lebt auch Franziskas Schwiegervater Sepp…seine bzw. die Geschichte seiner Mutter Rosa ist der feste, dicke rote Faden und um diesen winden sich Hannes und Franziska mit ihren Kindern und dann später auch eben Sepp. Der Wechsel zwischen damals und heute wirkt zu Beginn völlig normal, so wie man das aus einer der unzähligen geschönten Landhauszeitungen kennt. Doch schnell merkt man als Leser, die Vergangenheit ist immer präsent, zeigt sich überall, manchmal muss sie halt erst wieder entstaubt werden. Alles von damals ist nicht immer schlecht gewesen und das Heute und die Zukunft versichern uns auch nicht immer das gelbe vom Ei. Man muss als junger Mensch Erfahrungen machen. Das hat Rosa gemacht, Sepp ebenfalls und Hannes und Franzi taten dies ebenfalls. Drei Generationen haben gelernt, dass das von damals alles Hand und Fuß hatte und die Zeit und die Technik damals ebenfalls das erreicht hat, um zu Leben mit dem was notwendig war. Hart war es damals, hart ist es heute. Wir sind unser eigener Schmied des Glücks und dürfen auch gern das vergangene aufleben lassen und uns zu Nutze machen. Reden hilft gegen Kummer. Auch das war damals schon so, nur muss man die Zähne erstmal dafür auseinander bekommen….klappt aber irgendwann…

    Kubsova‘s Schreibstil ist für diese „Geschichte“ perfekt gewählt. Kurz, prägnant, klare Worte ohne Geschwurbel. Sie ist treffsicher in allem und zeigt, man benötigt nicht immer Phrasen oder Schöngerede um zu verstehen. Dieses Buch beschäftigt mich schon lange und ist ein echter Schatz der Erzählkunst. Ich hoffe das von der Autorin noch mehr kommt! Der Roman könnte auf den Halligen „spielen“, in alten Dörfern in Bayern oder dem Erzgebirge, er könnte überall dort spielen, wo die Zeit sich mit der Natur verklebt hat und untrennbar geworden ist - ein gewaltiges und großartiges Buch! 5 von 5 Sterne und eine klare Leseempfehlung!

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