Alles wird gut: Chronik eines vermeidbaren Todes

Buchseite und Rezensionen zu 'Alles wird gut: Chronik eines vermeidbaren Todes' von Matthias Politycki
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Inhaltsangabe zu "Alles wird gut: Chronik eines vermeidbaren Todes"

Endlich! Matthias Politycki ist zurück, mit einem grandios erzählten Roman über die Macht der Liebe, die jede kulturelle Grenze überwindet, und über uralte Traditionen, an denen am Ende alles zerbricht. Äthiopien 2020, am Vorabend des Krieges: Josef Trattner, Ausgrabungsleiter im Norden des Landes, verschlägt es an die Grenze zum Südsudan. In der winzigen Siedlung Surma Kibish begegnet er Natu, einer Frau mit abgerissenem Ohrläppchen – und einer Aura von Schönheit, Stärke und Gefahr, die ihn sogleich in ihren Bann zieht. Aber dann wird er Zeuge, wie Natu öffentlich mit Stockhieben gezüchtigt wird. Als sie am nächsten Tag plötzlich in seinem Wagen sitzt, wähnt er sich bereits auf der Flucht, mit ihr zusammen, in ein neues Leben. Doch unerbittlich bahnt sich ihrer beider Verhängnis an – das alte Leben fordert seine Rechte und setzt alles daran, Natu zurückzubringen an den Ort ihrer Niederlage.

Format:Kindle Ausgabe
Seiten:419
EAN:

Rezensionen zu "Alles wird gut: Chronik eines vermeidbaren Todes"

  1. „Das vergisst du nie!“

    ‚Wer von einer Reise nicht voller Zweifel zurückkehrt, der hat nichts verstanden‘, ist eine Weisheit von Mulugeta (Fahrer von Joseph Trattner, dem 47-jährigen Archäologen und Hallodri aus Wien).

    Wir begleiten die beiden und Weraxa, den Reiseführer, auf ihrer Fahrt ab Surma Kibish im Südwesten Äthiopiens, das 5 x so groß ist wie Deutschland. In diesem Dorf, das nur aus ein paar Bretterbuden, einer Schule und einer kleinen äthiopisch-orthodoxen Kirche besteht, sticht Trattner ‚Nasedi‘, genannt Natu, ins Auge: eine starke und unabhängige Suri-Frau mit einer oval geschwungenen Schädelform wie Nofrotete und der gleichen kühlen und abweisenden Aura.

    Mir gefielen nicht nur die beeindruckenden Reisebeschreibungen durch dieses Land, kurz vor dem Bürgerkrieg (2020), sondern auch ‚die Sprachen der Liebe‘, die durch die unterschiedlichen Herkünfte, unterschiedlicher nicht sein konnten. (Das ist schon für Liebende aus dem gleichen Land oft eine Herausforderung - wie viel schwieriger ist es erst, wenn keine gemeinsame Sprache besteht und andersartige Kulturen aufeinanderprallen.)

    Wenn Natu (mit Hilfe der Übersetzung von Weraxa) ihre Lebensgeschichte erzählte, war bei mir Gänsehautfeeling angesagt: sehr, sehr aufwühlend! Wir erfahren, wie Suri-Frauen zu den - als schön empfundenen - Ohr- und Lippen-Teller kommen, außerdem wird der Zusammenprall der von Traditionen und Riten geprägten ethnischen Gruppen im Vielvölkerstaat und den westlich europäischen Ansichten sehr gut und nachvollziehbar beschrieben: „Ihr lasst Gott klein sein, damit ihr groß seid. Ihr fühlt euch immer im Recht, wenn ihr uns die alten Bräuche wegnehmt und alles aus dem Gleichgewicht bringt.“

    Wer, wie ich, ein Faible für fremde Kulturen hat, dem empfehle ich wärmstens dieses Meisterwerk - ab einem gewissen Stadium konnte ich es nur noch schwer aus der Hand legen! 5 Sterne vergebe ich deshalb für eines der Highlights im Jahre 2023!

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  1. Facettenreich und beeindruckend

    „Nur die kleinen Geschichten haben ein Ende. Die großen gehen immer weiter. Je öfter sie erzählt werden, desto mehr verzweigen sie sich – wie der Wald, der nach jedem Regen wächst, bis er undurchdringlich scheint.“ (Zitat Pos. 5277)

    Inhalt
    Josef Trattner, siebenundvierzig Jahre alt, war bis Oktober 2019 in Aksum als Ausgrabungsleiter tätig. Das Rückflugticket für den 7. Februar 2020 hat er bereits in der Tasche, als ihn Weraxa, ein Mitarbeiter, überredet, zum Abschluss das Land zu besichtigen, in dem er drei Jahre lang gearbeitet hat. Mit ihrem Fahrer Mulugata brechen sie am 12. Januar auf. Im kleinen Suri-Dorf Surma Kibish sieht Trattner eine außergewöhnliche Frau, stolz, schön und offensichtlich eine unangepasste Außenseiterin. Ihr Name ist Nasedi, doch alle nennen sie Natu. Als sie am nächsten Tag ihrer Reise an einem der vielen Kontrollpunkte halten müssen, kommt eine Frau zu Trattners Auto und setzt sich wortlos zu ihm auf die Rückbank. Es ist Natu und Trattner weiß nicht, ob sie einfach bis zur nächsten Stadt mitfahren will, oder auf der Flucht ist.

    Thema und Genre
    Dieser Roman spielt im Südwesten Äthiopiens. Themen sind die alten Traditionen der hier lebenden Völker und Ethnien und das westlich geprägte, europäische Denken. Es sind fundamentale Gegensätze, auch in Bezug auf die Situation der Frauen, die durch die Unmöglichkeit einer sprachlichen Verständigung zu großen Missverständnissen führen. Kann Liebe stark genug sein, um diese beinahe unüberwindlichen Barrieren zu überwinden?

    Charaktere
    Der Objektkünstler und Magister der klassischen Archäologie Josef Trattner ist im Grunde eine Art Lebenskünstler, redegewandt, einfallsreich, aber auch unentschlossen und zögerlich. Seine Erfahrungen mit Natu verändern ihn. Nun ist er bereit, Verantwortung zu übernehmen, obwohl Natu für ihn ein Rätsel bleibt. Sie lebt vollkommen in der Gegenwart und jeder Tag mit ihr ist ein neuer Anfang.

    Handlung und Schreibstil
    Die Handlung umfasst nur den Zeitraum der Reise Trattners, ergänzt durch Rückblicke in Form von Erinnerungen und Gesprächen. Trattner ist die Hauptfigur und steht im personalen Mittelpunkt dieser Geschichte. So erfahren wir auch seine persönlichen Gedanken und Eindrücke, die sich durchaus von seinem Verhalten unterscheiden können. Er ist eine interessante, facettenreiche Figur, in seiner Widersprüchlichkeit und Zögerlichkeit nahe einem modernen Antihelden. Spannung erhält die Geschichte nicht nur durch die Frage, ob es in dem geschilderten Umfeld eine Zukunft für Trattner und Natu geben könnte, sondern auch durch die abenteuerliche, in diesen Wochen schon sehr gefährliche Reise. Es ist eine beeindruckende Vielfalt an unterschiedlichen Themen und Konflikten, in Verbindung mit authentischen Schilderungen der indigenen Menschen, ihrer Lebensweisen und Traditionen, denen sie sich zu unterwerfen haben. Als Gegensatz zeigt sich immer wieder das von europäischen Traditionen geprägte Verhalten von Trattner. Eindrückliche Landschaftsbeschreibungen ergänzen die Geschichte zu einem facettenreichen Gesamtbild.

    Fazit
    Dieser Roman brachte mir viel neues Wissen über ein Land und eine Kultur, von denen ich bisher nur wenig wusste. Eine interessante, spannende, in ihrer Vielfältigkeit beeindruckende Geschichte mit überraschenden Wendungen.

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