Alles, was wir nicht erinnern

Buchseite und Rezensionen zu 'Alles, was wir nicht erinnern' von Christiane Hoffmann
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Inhaltsangabe zu "Alles, was wir nicht erinnern"

DIE FLUCHT DES VATERS - EINE NACHWANDERUNG NACH 75 JAHREN «Zu Fuß?» «Zu Fuß.» «Allein?» «Allein.» Christiane Hoffmanns Vater floh Anfang 1945 aus Schlesien. 75 Jahre später geht die Tochter denselben Weg, 550 Kilometer nach Westen. Sie kämpft sich durch Hagelstürme und sumpfige Wälder. Sie sitzt in Kirchen, Küchen und guten Stuben. Sie führt Gespräche – mit anderen Menschen und mit sich selbst. Sie sucht nach der Geschichte und ihren Narben. Ein sehr persönliches, literarisches Buch über Flucht und Heimat, über die Schrecken des Krieges und über das, was wir verdrängen, um zu überleben. Deutschland in den 1970er Jahren. Unter dem Tisch sitzen die Kinder. Oben seufzen die Erwachsenen, essen Schnittchen und reden über die verlorene Heimat. Sie geben ihre Verletzungen und Alpträume weiter an die nächste Generation. Nach dem Tod des Vaters kehrt die Tochter in das schlesische Dorf mit dem malerischen Namen zurück, nach Rosenthal, das jetzt Rózyna heißt. Am 22. Januar 2020 bricht sie auf und geht noch einmal den Weg seiner Flucht. Was bleibt heute vom Fluchtschicksal? Wie gehen Familien, wie gehen Gesellschaften, Deutsche, Polen und Tschechen mit der Vergangenheit um? Christiane Hoffmanns Buch holt die Erinnerung an Flucht und Vertreibung ins 21. Jahrhundert, es verschränkt ihre Familiengeschichte mit der Historie, Zeitzeugenberichte mit Begegnungen auf ihrem Weg. Doch es ist vor allem ein sehr persönliches Buch, geschrieben in einer literarischen Sprache, die Suche einer Tochter nach ihrem Vater und seiner Geschichte.

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:279
Verlag: C.H.Beck
EAN:9783406784934

Rezensionen zu "Alles, was wir nicht erinnern"

  1. Wie überlebt man nach der Flucht?

    Die Autorin spürt ihrer Familiengeschichte nach, indem sie den Fluchtweg ihres damals neunjährigen Vaters aus Schlesien allein und zu Fuß nachgeht. Sie trifft auf dem Weg in Polen und Tschechien Menschen, mit denen sie über Flucht und Vertreibung redet und bei der Gelegenheit über deren eigene Herkunft aus dem Osten Polens und der Ukraine erfährt. Parallel erzählt sie ihre eigene Familiengeschichte, die geprägt ist von Traumata und Verdrängung, der Suche nach Heimat und dem Wunsch, dazuzugehören. Im Mittelteil werden auch die geschichtlichen Hintergründe beleuchtet, das Potsdamer Abkommen, die Oder-Neiße-Linie, die Umsiedelungen.

    Dabei findet Frau Hoffmann eingängige Bilder für Orte und Menschen und beschreibt in einer fast poetischen Sprache ihre Gefühle und Empfindungen sowie ihr Familien-„Gepäck“ eines Flüchtlingskinds. Die Ebene wechselt immer wieder entlang des Wegs von der Gegenwart in die Vergangenheit, vom eigenen Wandern in den Flüchtlingstreck, von eigener Erfahrung ins Allgemeine. Interessant fand ich vor allem, dass gerade in Polen bei der älteren Generation die Angst vor Russland vorherrschte, gar nicht mal die negativen Gefühle den Deutschen gegenüber; man war ja aus Ostpolen selbst in den Westen des Landes zwangsumgesiedelt worden.

    Ich habe ein E-Book aus der Onleihe gelesen, empfehle das Buch und vergebe fünf Sterne.

    Die Autorin ist heute stellvertretende Sprecherin der Bundesregierung.

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