Alle meine Wünsche: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Alle meine Wünsche: Roman' von Grégoire Delacourt
4.65
4.7 von 5 (3 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Alle meine Wünsche: Roman"

Jocelyne führt einen Kurzwarenladen im nordfranzösischen Arras. Die Kinder sind aus dem Haus, und Jocelynes ganze Leidenschaft gilt ihrem Internet-Blog übers Sticken und Nähen. Sie liebt ihr kleines Leben, liebt sogar ihren ungehobelten Mann – bis durch einen Lottogewinn alles aus den Fugen gerät.

Format:Taschenbuch
Seiten:128
Verlag: Heyne Verlag
EAN:9783453410367

Rezensionen zu "Alle meine Wünsche: Roman"

  1. Tragisch

    Die 47jährige Jocelyne lebt mit ihrer Familie im nordfranzösischen Städtchen Arras. Die Kinder sind bereits erwachsen und ausgezogen, sie selbst betreibt einen kleinen Kurzwarenladen sowie einen Blog zum Thema Sticken und Nähen. Jocelyne und ihr Mann Jocelyn führen eine langjährige Ehe mit wenig erwähnenswerten Höhen und einigen Tiefen.
    Eines Tages überreden zwei Freundinnen Jocelyne es auch einmal mit dem Lottospielen zu versuchen. Sie kauft sich also am Kiosk einen Schein der Euro Millions und… gewinnt. Und jetzt? Soll Jocelyne den Gewinn wirklich einlösen?

    Grégoire Delacourt erzählt die Geschichte aus Jocelynes Perspektive. Seine Beschreibungen sind unaufgeregt und treffsicher. Der Leser kommt dadurch dem Erleben und dem Gefühlsleben der Hauptprotagonistin sehr nahe. Umso mehr hat mich dann der weitere Verlauf der Geschichte erschüttert. Mehr kann ich an dieser Stelle jetzt leider nicht schreiben, da ich sonst zu viel verraten würde. Nur so viel, ich konnte es gar nicht glauben und erlebte den Verlauf der Geschichte wirklich als tragisch für Jocelyne. Wenn man es sich allerdings recht überlegt, wäre eine Entwicklung der Geschichte vielleicht auch nicht viel besser für die Frau gewesen. Wäre sie dann doch nur weiter „festgesessen“ in ihrem Leben, das sie eigenmächtig vermutlich nie verändert hätte.

    Fazit:
    Eine gelungen umgesetzte Geschichte, mit tragischen Protagonisten und der Erkenntnis Geld allein macht auch nicht glücklich.

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  1. 5
    22. Jan 2018 

    Klein, aber sehr fein!

    Manchmal braucht es gar nicht so viele Worte, um eine wirklich gute Geschichte zu schreiben, wie dieses gerade einmal 120 Seiten umfassende Buch zeigt.
    Jocelyne, 47 Jahre, verheiratet, zwei erwachsene Kinder und eine Leiche (wie sie selber meint), Besitzerin eines Kurzwarenladens, führt ein so unaufgeregtes Leben, dass man es praktisch langweilig nennen könnte. Doch sie ist glücklich: Sie liebt ihren ungehobelten Mann, ihre Kinder, ihren Laden und ihre Kundinnen - sie ist (kaum zu fassen) ein glücklicher Mensch, obwohl ihre Träume nicht in Erfüllung gingen. Eines Tages füllt sie das erste Mal in ihrem Leben einen Lottoschein aus - und gewinnt 18 Millionen Euro. Ob sie jetzt noch glücklicher wird?
    Diese Frage stellt sie sich im Mittelteil des Buches. Welche Wünsche könnte sie sich erfüllen, was würde es mit ihr machen? So bildhaft und nuanciert wie sie im ersten Drittel ihr Glück beschreibt (in diesem unnachahmlichen französischen Sti), das sie auch ohne die Erfüllung ihrer Träume erreicht hat, fallen auch ihre Fragen zu diesem einschneidenden Ereignis aus, das ihr widerfahren ist. Man spürt ihre verhaltene Freude, auch das Nochnichtglaubenkönnen, aber auch ihre Zweifel über diesen überraschenden Gewinn. Es geschieht nicht viel in dieser Geschichte, aber spätestens nach der Bekanntgabe des Lottogewinns (was recht früh geschieht), liegt eine anhaltende Spannung in der Luft. Während ich las, wartete ich die ganze Zeit auf eine Entscheidung, einen Knall, es musste etwas passieren. Das tut es auch, aber völlig anders als gedacht.
    Es ist ein kleines, aber sehr feines Buch über das Glück und das Unglück, die Freude im Leben aber auch das Leid. Am erstaunlichsten fand ich jedoch, dass diese Geschichte, die überzeugend aus der Sicht einer Frau erzählt wird, von einem Mann geschrieben wurde. Diesen Autor muss ich mir merken :-)

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  1. 5
    12. Jan 2016 

    Grégoire Delacourt: Alle meine Wünsche

    Worum geht es:
    Jocelyne hat sich in der nordfranzösischen Stadt Arras ein perfekt unperfektes Leben aufgebaut: sie weiß genau, dass sie nicht hübsch ist, hat einige Schicksalsschläge hinter sich, sie hat eine nicht immer ganz funktionierende Familie, sie führt einen vollkommen aus der Mode geratenen, wenig einbringenden Kurzwarenladen und – Aufhören für alle aktiven Blogger unter euch - sie schreibt einen Blog über das Handarbeiten, mit dem sie eine erstaunlich große und treue Lesergemeinschaft erreicht und sogar tief berührt.
    Ein Zitat:
    … und ich habe keine Antworten auf Ihre Fragen, es tut mir leid.
    Da legt sie [eine Journalistin] ihr Heft, ihren Stift, ihre Tasche beiseite. Sie sieht mir tief in die Augen und sagt: Meine Mutter lebt seit zehn Jahren allein. Sie steht um sechs Uhr auf. Sie macht sich einen Kaffee. Sie gießt ihre Pflanzen. Sie hört die Nachrichten im Radio. Sie trinkt ihren Kaffee. Sie macht sich etwas frisch. Eine Stunde später, um sieben Uhr, ist ihr Tag zu Ende. Vor zwei Monaten hat ihr eine Nachbarin von Ihrem Blog erzählt, und sie hat mich gebeten, ihr so ein Ding zu kaufen – so ein Ding ist in ihrer Sprache ein Computer. Seither hat sie dank Ihren Posamenterien, Ihren Quasten und Ihren Raffhaltern die Lebenslust wiedergefunden. Also erzählen Sie mir nicht, dass Sie keine Antworten haben.
    Und von der Wirkung Jocelyns und ihres Blogs auf andere ist der Leser von „Alle meine Wünsche“ alles andere als erstaunt, denn auch der Stil und Ton des Romans, aus dem man Jocelyn sprechen und denken zu hören meint, ist ungemein berührend und dazu angetan, gute Gefühle auszulösen.
    Ein Zitat:
    Ich bin glücklich mit Jo.
    Es ist nicht das Leben, von dem die Worte in meinem Tagebuch aus der Zeit träumten, als Maman noch lebte. Mein Leben hat nicht die perfekte Anmut, die sie mir abends wünschte, wenn sie sich zu mir ans Bett setzte, wenn sie sanft mein Haar streichelte und flüsterte: Du hast Talent Jo, du bist intelligent, du wirst ein schönes Leben haben.
    Sogar die Mütter lügen. Weil sie ebenfalls Angst haben.
    Ein wichtiger Teil ihres Lebens ist das Wünschen; immer wieder aktualisiert in Form von Wunschlisten macht sie sich auf sehr pragmatische Art und Weise bewusst, woran ihre Sehnsüchte hängen. Regelmäßig verwirft sie Wünsche wieder oder stuft sie neu ein. Und dabei wird eines schon ganz deutlich: wichtig sind nicht eigentlich die Wünsche, und erst recht nicht deren Erfüllung, wichtig ist vielmehr das Wünschen selbst, das Ausdruck eines pragmatisch, positiven Lebensgefühls und des Nachdenkens über das Leben selbst ist.
    Und dann eröffnet sich für Jocelyne urplötzlich die Möglichkeit zur Erfüllung vieler ihrer Wünsche – zumindest des Teils der mit Geld erfüllbaren. Und es wundert den Leser gar nicht, dass im Grunde nichts passiert. Dass sie sich der Erfüllung dieses Teils der Wünsche immer wieder entzieht und es ruhen lässt.
    Und doch ändert diese neue Situation ihr Leben komplett. Wie – das soll hier nicht verraten werden.
    Doch auch in der neuen Situation, herausgerissen aus ihrem zu Beginn perfekt unperfekten Leben, schafft sie es wieder, sich eine Welt der Herzenswärme und bewussten Zufriedenheit aufzubauen.
    Ein Zitat:
    Ich lächle Abends, manchmal, wenn wir nach Hause kommen, in die riesige, wunderbare Villa in Villefranche-sur-Mer, deren Kaufvertrag ich ganz lässig, deren Scheck ich mit Leichtigkeit unterschrieben habe; wenn ich Papa wiedersehe, der auf der Terrasse sitzt, seine Pflegerin neben sich, Papa, der aufs Meer schaut und mit seinen Kinderaugen in den Wolken Pareidolien sucht: Bären, Schatzkarten, Zeichnungen von Maman.
    Ich lächle sechs Minuten lang, während ich für ihn in der Frische des Abends ein neues Leben erfinde.
    Mein Fazit:
    Muss ich wirklich noch sagen, dass ich das Buch uneingeschränkt empfehlen möchte? In diesen knapp 130 Seiten verlässt den Leser das sanfte Lächeln auf den Lippen eigentlich nie, jedenfalls nicht, wenn er sich auf diese herzensgute Jocelyne in ihrer kleinen Welt einlässt. Ich müsste eigentlich mal wieder ein Kurzwarengeschäft besuchen. War einer meiner Gedanken nach der Lektüre des vom Verlag auch sehr liebevoll mit Knopfsymbolen als Kapiteltrenner ausgestatteten Buchs.

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