Albleben. Thriller

Buchseite und Rezensionen zu 'Albleben. Thriller' von Kristina Brahm
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4 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Albleben. Thriller"

Eine junge Frau wird bewusstlos im Wald aufgefunden. Zunächst erinnert sie sich an nichts, nur an ihren Namen: Jennifer Bruchmeyer. Doch das kann nicht sein, denn Jennifer Bruchmeyer wurde vor einem Jahr auf grausame Art ermordet. Für die beiden ermittelnden Beamten, Franz Wendt und seine junge Kollegin Carolin Schüler, bleibt dies nicht das einzige Rätsel. Die junge Frau, sie heißt Esther Neutze, leidet seit Jahren unter einer traumatischen Psychose, sie verwechselt Wirklichkeit und Wahn. Was weiß sie über die Ermordung Jennifer Bruchmeyers? Und welche merkwürdigen Dinge gehen in der psychiatrischen Klinik vor sich, in die man Esther Neutze eingeliefert hat? Als erneut ein Mord geschieht, spitzt sich der Fall zu. Esther Neutze flieht aus der Klinik, alles deutet darauf hin, dass sie an den Morden beteiligt war und unterwegs ist, sich grausam zu rächen. Die Zeit wird knapp - und als die Polizisten erkennen, dass sie einen Denkfehler begangen haben, scheint es fast zu spät ...


Die Autorin

Kristina Brahm wurde 1979 in Kiel geboren, lebt jedoch seit ihrem Studium der Anglistik in der Nähe von Köln, wo sie als freie Übersetzerin und Lektorin arbeitet. Albleben ist ihr erster Thriller.

Format:Kindle Edition
Seiten:240
Verlag:
EAN:

Rezensionen zu "Albleben. Thriller"

  1. Zwischen Albtraum und Leben

    Die Grundidee fand ich direkt sehr originell! Besonders interessant ist meiner Meinung nach, dass es nicht nur um den Kriminalfall geht (der an sich schon sehr spannend ist), sondern dass die Geschichte sich auch oft mit der psychischen Erkrankung der Hauptfigur beschäftigt - und damit, wie menschenunwürdig es in einer psychiatrischen Klinik zugehen kann, wenn Menschen nicht mehr als Menschen gesehen werde, sondern als Fälle.

    Esther ist eine sehr komplexe, interessante, wenn auch tragische Hauptfigur. Ihr bisheriges Leben "schwer" zu nennen wäre eine hemmungslose Untertreibung: schon früh verlor sie den Vater durch eine Krebserkrankung und die Mutter durch Selbstmord, und von da an war ihr Leben eine Abwärtsspirale, geprägt von Missbrauch, Gewalt und schwerwiegenden psychischen Problemen.

    Sie kann Wahn und Wirklichkeit nicht auseinander halten, und so weiß man als Leser auch oft nicht mehr, was man glauben kann. Albtraum, Leben...? Eines fließt nahtlos in das andere, und für Esther gibt es kein Entkommen aus diesem Albleben; sie ist gefangen in ihrer paranoiden, schizoaffektiven Psychose, die sie immer wieder in die geschlossene Abteilung der Psychiatrie bringt.

    In einem Moment fühlt man noch mit Esther, sie tut einem unendlich leid, und dann kocht auf einmal ihre unbändige Wut hoch und sie hat hasserfüllte Gedanken... Ich hatte das Gefühl, dass ein Teil von ihr an ihren schrecklichen Erlebnissen einfach zerbrochen ist und das macht sie völlig unvorhersehbar - was ich aber sehr plausibel fand, und was für mich die Spannung noch erhöhte. Ist sie Täterin oder Opfer, oder beides?

    Die beiden Ermittler Franz Wendt und Carolin Schüler verblassen in meinen Augen ein wenig neben der intensiven, extremen Esther, ich fand beide aber dennoch durchaus gut geschrieben und glaubhaft und würde sie gerne in weiteren Büchern wiedersehen!

    An den Schreibstil musste ich mich erst gewöhnen, dann gefiel er mir aber recht gut. Normalerweise mag ich es nicht, wenn längere Sätze aus verschachtelten kurzen Sätzen zusammengesetzt werden, aber hier passt es einfach. Es hat etwas Dringliches, was sehr nahe dran bleibt an den Gedanken der Charaktere.

    "Die Schreie haben sie aus einem gnädigen, weil traumlosen Schlaf gerissen, sie sitzt aufrecht in ihrem Bett, so spät kann es noch nicht sein, durch das Fenster fällt Dämmerlicht."

    Manchmal waren mir die unsympathischen Charaktere (wie die zwei sadistischen Krankenschwestern, die die Patientinnen quälen) etwas zu überzogen - andererseits liegt das aber sicher auch daran, dass Esther die Welt nur in Extremen wahrnimmt.

    Das Buch ist nichts für Zartbesaitete. Ich fand es oft schwer zu lesen, wenn es um sexuelle Gewalt gegen Kinder ging - aber wie soll man dieses Thema auch sonst schreiben, verharmlost und beschönigt? Meines Erachtens gelingt der Autorin die Gratwanderung: nichts ist geschönt, aber es wird auch nichts für den billigen Schockfaktor benutzt, die Details bleiben meist ungesagt.

    Im Großen und Ganzen hat mich das Buch begeistert und überzeugt, aber ein paar Kritikpunkte habe ich dennoch:

    Meiner Meinung nach gibt es immer mal wieder inhaltliche Unstimmigkeiten. Warum schaltet sich zum Beispiel direkt die Polizei ein, wenn eine Frau bewusstlos im Wald gefunden wird? Sie hat keine erkennbaren Verletzungen, es gibt erst mal keine Anzeichen für ein Verbrechen. Trotzdem wird sie direkt darauf untersucht, ob sie vergewaltigt wurde - und das ohne ihr Einverständnis, als sie noch bewusstlos ist! So weit ich weiß, kann nicht einmal ein erwiesenes Opfer einer Vergewaltigung zu einer solch invasiven Untersuchung gezwungen werden?

    Ein Auto ist erst ein Opel, dann einen Satz später ein Audi und dann wieder ein Opel... Auch die Zeit springt, manchmal mitten im Satz, von Vergangenheit zu Gegenwart und zurück. In manchen Szenen macht das Sinn, wenn die Geschehnisse zum Beispiel gerade aus Esthers Sicht geschildert werden, für die Vergangenheit und Gegenwart zusammenfließen - aber oft macht es in meinen Augen keinen Sinn, sondern wirkt wie ein Versehen.

    Dann gibt es öfter Sätze wie diese:

    "Behutsam begann Esther das Mädchen auszuziehen, bis es nackt vor ihm [ ihr? ] lag."

    "...noch bevor sich Carolin reagieren konnte..."

    Das sind alles Kleinigkeiten, aber mich wirft so etwas immer ein bisschen aus dem Erzählfluss.

    Fazit:
    "Albleben" ist ein spannender, ungewöhnlicher Thriller, in dessen Mittelpunkt eine psychisch kranke junge Frau steht, die von der Gesellschaft abgestempelt, verteufelt und im Stich gelassen wird. Man sieht nur noch ihre Akte: die Klinikaufenthalte, die Kleinkriminalität... Niemals mehr ihren Wert als Mensch, und damit wird sie direkt in die Rolle der Täterin gezwängt.

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