Die Altruisten

Buchseite und Rezensionen zu 'Die Altruisten' von Andrew Ridker
3.65
3.7 von 5 (8 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Die Altruisten"

Das erste Familientreffen nach zwei Jahren Funkstille. Maggie und Ethan haben nach dem Krebstod der Mutter den Kontakt zum Vater abgebrochen. Doch jetzt steht Arthur Alter vor dem finanziellen Aus, und ihm wird schlagartig klar: Er ist auf die Hilfe seiner Kinder angewiesen. Unter dem Vorwand, sich mit ihnen versöhnen zu wollen, lädt er sie ein. Der eigentliche Grund: die Geschwister zu überreden, ihm das Erbe zu überlassen, damit er das Haus, das voller Erinnerungen an das glückliche Familienleben steckt, vor der Bank retten kann. Jeder in seiner eigenen Welt voller Sorgen und Hoffnungen gefangen, treffen sich die drei an einem Wochenende. Schnell stürzt die erzwungen freundliche Fassade in sich zusammen …

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:400
EAN:9783328600244

Rezensionen zu "Die Altruisten"

  1. 4
    13. Jan 2020 

    Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm

    Ein Altruist ist allgemein gesehen jemand, der uneigennützig und selbstlos handelt. Er stellt sein eigenes Wohl hintenan und ist darauf fixiert, dem Wohl eines Anderen bzw. dem Gemeinwohl zu dienen, selbst, wenn es auf seine eigenen Kosten geht.
    In Andrew Ridkers Roman "Die Altruisten" geht es also um besagten Menschenschlag - sollte man meinen. Doch ich kann es drehen, wie ich will: eingefleischte Altruisten sind mir in diesem Roman nicht vor die Lesebrille gekommen. Oder doch?

    Die Geschichte führt uns nach Amerika, genau gesagt nach St Louis. Hier ist die Familie auf Bestreben des Familienoberhaupts Arthur aus der Großstadt New York hergezogen. Das erfahren wir gleich aus dem Epilog heraus. In dem Epilog begegnet uns auch diejenige Person, die meine persönliche Heldin in diesem Roman ist: Francine, Ehefrau von Arthur und Mutter von Maggie und Ethan. Francine ist dem Ruf ihres Gatten gefolgt und hat eine gut dotierte Anstellung in New York aufgegeben, um ihrem Arthur den Karriereweg zu ebnen. Das mit der Karriere hat er sich zumindest so ausgemalt. Doch die Realität sieht anders aus: eine befristete Stelle als Dozent an der Uni, die hoffentlich jedes Jahr verlängert wird. Dabei ist der grummelige Arthur, nicht besonders talentiert, wenn es darum geht Wissen zu vermitteln. Er selbst sieht das anders. Und so fristet der verblendete Arthur ein trübes Dasein an der Lehranstalt und redet sich das Leben schön.
    Diejenige, die das Leben der Familie finanziert ist Francine, die neben Haushalt und Kindererziehung noch so ganz nebenbei als Paartherapeutin arbeitet, wofür sie auch ein Händchen hat. Wäre sie in New York geblieben, wäre sie erfolgreich wie nur was. Aber was tut man nicht alles, damit es dem Göttergatten gut geht. Oh. Da haben wir ihn ja, den Altruismus: völlig selbstlos stellt Francine ihre eigenen Interessen und Karriere hintenan, damit es der Familie und Ehemann gut geht. Francine, meine Heldin.
    Einige Jahre vergehen in der Geschichte. Leider müssen wir feststellen, dass Francine mittlerweile verstorben ist. Die beiden Kinder sind ausgezogen und haben den Kontakt zu ihrem Vater abgebrochen. Aber leider sind sie das Produkt der Erziehung ihrer Eltern, wobei blöderweise der väterliche Einfluss nachhaltigere Auswirkungen auf die Persönlichkeit der Kinder hat als der Einfluss der Mutter. Der schwule Ethan konnte es seinem Vater nie Recht machen. Da konnte Arthur noch so sehr auf toleranten Akademiker machen. In Wirklichkeit konnte er nie verknusen, dass sein Sohn Männern zugetan ist. Die Komplexe, die sich bei Ethan in seiner Kindheit und Jugend enwickelt haben, wird er nicht los. Maggie ist die Zornige der beiden Geschwister. Ist Ethans Respekt vor seinem Vater immer noch so groß, dass er seine Ablehnung ihm gegenüber nicht offen zeigen kann, hält Maggie damit nicht hinter dem Berg. Sie ist auf Krawall gebürstet, sobald es um ihren Vater geht. Komischerweise ist sie ihrem Vater am ähnlichsten. Als junger Erwachsener hatte er eine Phase, die ihn dazu brachte, wohltätig aktiv zu werden. Dass es am Ende dabei nur um seinen beruflichen Erfolg ging, ist für ihn fast nicht erwähnenswert, schließlich zählt die Geste. Auch Maggie hat dieses Wohltätigkeitsgen. Bei ihr ist es allerdings ausgeprägter als es bei ihrem Vater jemals war. Aufopferungsvoll bringt sie ihre Hilfsbereitschaft unters Volk, am liebsten unentgeltlich. Denn schnöder Mammon ist in ihren Augen moralisch verwerflich. Noch eine Altruistin!
    Es ist nicht verwunderlich, dass Arthur auch nach dem Tod von seiner Frau Francine beruflich nicht die Kurve kriegt. Sollte er sich allein von seinem Gehalt ernähren müssen, hätte dies gravierende Folgen für seinen Lifestyle. Aus der Not heraus versucht er wieder den zerrütteten Kontakt zu seinen Kindern zu kitten, in der Hoffnung, dass sie ihm finanziell unter die Arme greifen und seine Welt wieder in Ordnung bringen. Ein Altruist muss her, der sich völlig selbstlos um den alten Arthur kümmern wird, ungeachtet aller Beweggründe, den Kontakt zu ihm abzubrechen.

    Man fragt sich natürlich, welcher Teufel Francine seinerzeit geritten hat, dass sie sich auf solch einen unleidigen Menschen wie Arthur einließ, ihn heiratete, vermutlich geliebt, 2 Kinder bekommen und über Jahre zusammengelebt hat. Diese Frage lässt natürlich die Vermutung zu, dass Arthur nicht immer der Unsympath gewesen ist, als der er sich seinen Kindern präsentiert hat. Ein Stück weit wird man Arthur verstehen. Denn Andrew Ridker lässt Rückblenden und Erinnerungen in die Handlung einfließen, die Arthur und Francine in glücklicheren Zeiten zeigen. Aber da Liebe ja bekanntlich blind macht, sieht man Francine ihre Beweggründe, sich auf Arthur einzulassen nach.

    Diese Familie ist für mich das Negativbeispiel einer Bildungsfamilie. Die Eltern sind Akademiker, wovon der eine Teil ein wenig weltfremd ist. Sie versuchen ihren eigenen Ansprüchen an ein moralisch einwandfreies Leben gerecht zu werden. Francine hat dabei nie den Bezug zur Wirklichkeit verloren. Nur Arthur entwickelt sich zum Moralapostel, der ganz groß darin ist, über die Ungerechtigkeit in der Welt und der Ungerechtigkeit, die ihm seiner Meinung nach persönlich zuteil wird, zu lamentieren.
    What a man! Bleibt nur zu hoffen, dass die Äpfel diesmal ganz weit vom Stamm fallen.

    Fazit:
    Ein sehr unterhaltsamer amerikanischer Familienroman mit Antihelden, die eine Lebenseinstellung an den Tag legen, für die man sowohl Mitleid als auch Kopfschütteln übrig hat.

    © Renie

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  1. Zynismus und Witz vom Feinsten

    Der Roman „Die Altruisten“ ist das Debüt des Amerikanischen Autors Andrew Ridker, das er mit 25 Jahren schrieb und dem man weder den Erstling noch die Jugend des Autors anmerkt. Es ist ein dichter, schräger und lakonischer Roman um Arthur Alter und seine Familie.

    Die Geschichte beginnt mit einem Paukenschlag, ein Hausbrand, der gleich zu Beginn zeigt, dass Streit um Nichtigkeiten essentieller ist als sinnvolles Handeln. Arthur Alter, dessen Name schon den Altruismus in sich trägt, strebt danach, ein guter Mensch zu sein. Doch wie bereits zu Beginn des Romans verstrickt er sich in Nichtigkeiten bis hin zur Lächerlichkeit, als er als junger Mann voller Idealismus in Simbabwe Entwicklungshilfe leistet. Ausgerechnet Toilettenhäuschen baut er in abgelegenen Dörfern, und anstatt zu helfen bringt er dadurch Krankheit und Tod. Ersteht damit als Sinnbild für Menschen, die dringend Bestätigung brauchen: wenn es vor der eigenen Haustür oder im normalen Job nicht klappt - ab ins Armenviertel und irgend etwas tun, Hauptsache Aktionismus, der bemerkt wird.
    Gleichzeitig bettet Andrew Ridker Arthurs Narzismus äußerst kritisch in größere Zusammenhänge ein. Er bringt den Afrikanern eine tödliche Krankheit, indem er in bestehende und funktionierende Strukturen eingreift und sein System (Toilettenhäuschen) baut, ohne dass es ausgereift ist oder ohne Beachtung der Gegebenheiten. Das ist ein Paradebeispiel für die Überheblichkeit des Westens gegenüber alten Kulturen. Im Roman finden sich viele Beispiele, bei denen die Familiengeschichte für derartige kritische Ansätze herhält, die Schicksale und Befindlichkeiten der Einzelnen als zynische Kritik zu sehen ist.

    Arthurs „Heldentat“ läßt ihn später mutlos und bitter werden, als Professor für Ingenieurwesen ohne Festanstellung, als wenig an seinen beiden Kindern Ethan und Maggie interessierter Vater. Und er hat seine als Psychiotherapeutin erfolgreiche Frau, die den Löwenanteil des Familiären Einkommens erbringt und Arthur sich dadurch noch mehr in die Versagerecke gedrängt fühlt. Die Ehe mit Francine zerbröckelt, und als sie frühzeitig an Krebs stirbt vererbt sie ihr Vermögen an die beiden Kinder.

    Andrew Ridker erzählt die Familiengeschichte mit Rückblicken aufgehängt an Arthurs finanzieller Situation in der Gegenwart, die ihn auf seine Kinder hoffen läßt, um sein Haus erhalten zu können. Er lädt Maggie und Ethan zu sich ein, um sie um Geld zu bitten. Der Versuch, die beiden um den Finger zu wickeln scheitert kläglich und ebenso lächerlich. Ethan, früher erfolgreicher Unternehmensberater, der mittlerweile sein Geld durchgebracht und in Einsamkeit und Suff in einer viel zu teuren Wohnung in New York sitzt, wird von Arthur ins Ballett „Schwanensee“ geschleppt, um Verständnis für die Homosexualität seines Sohnes zu mimen. Ebenso komisch und berührend ist auch sein Versuch der Annäherung an seine Tochter Maggie, die trotz ihres geerbten Treuhandfonds geradezu ärmlich lebt und nur ethisch korrekte Arbeit ausführen möchte.

    Letztlich überspitzt der Autor seine Figuren, insbesondere Arthur, mit viel Sarkasmus, der sich wie eine Decke über die Geschichte legt. Er kritisiert auf lächerlich komische Weise das schnöde Geld, an dem sich der Roman letztlich entlang hangelt, die Ungerechtigkeit gegenüber Frauen und das Leben jenseits jedes Maßes ohne Folgen, wie Arthur und Ethan es führen. Mir gefällt ganz ausgezeichnet, dass Ridker seinen Leser nicht direkt darauf stößt, sondern über den Umweg einer Familiengeschichte mit völlig überzeichneten und verrückten Figuren agiert.
    Und für mich hat das ganz ausgezeichnet funktioniert, ich habe das Buch sehr gerne gelesen.

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  1. Eine ganz normale Familie?

    Al·t·ru·is·mus
    /Altruísmus/
    Substantiv, maskulin [der]
    bildungssprachlich
    selbstlose Denk- und Handlungsweise; Uneigennützigkeit

    Die Alters, eine amerikanische gutbürgerliche, bildungsaffine, jüdische Familie. Vater Arthur ist Professor ohne Fixanstellung an der Universität, Mutter Francine ist Paartherapeutin. Nach dem Krebstod der Mutter bricht die Familie auseinander. Nach zwei Jahren Funkstille erhalten Maggie und Ethan, die erwachsenen Kinder, eine Einladung ihres Vaters. Diese erfolgt nicht uneigennützig. Denn es ist nicht eine Aussprache, die Arthur möchte, sondern Geld aus Francines Nachlass.

    Status, Geld, und der Wunsch, Gutes zu tun. Sind das widersprüchliche Ansprüche. Schafft der Autor diesen Konflikt aufzulösen?

    Auf mehreren Zeitebenen erzählt Andrew Ridker in seinem Debütroman „Die Altruisten“ von einer Familie, die gerne alles richtig gemacht hätte. Sprachlich jedenfalls macht der Autor alles richtig, wortgewandt schreibt er und mit fein spitzer ironischer Feder. So erzählt Ridker eine Geschichte voller Missverständnisse und unausgesprochener Erwartungen. Der Generationenkonflikt ist vorprogrammiert. Maggie kultiviert ihr Helfersyndrom und der homosexuelle Ethan zieht sich depressiv von der Welt zurück. Diese Familie kennt kein Zusammengehörigkeitsgefühl, jeder ist seine eigene kleine Insel der Ichbezogenheit. Die Charaktere erscheinen mir allesamt unnahbar und überzogen. Die Entwicklung der Handlung und Persönlichkeiten und vor allem der versöhnliche Schluss war mir dann zu amerikanisch harmonisch.

    "…die Geschichte einer Familie, die die unsere sein könnte…" steht im Begleittext zum Buch. Na, zum Glück ist meine Familie ganz anders verrückt.

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  1. 3
    08. Okt 2019 

    Hier ist niemand Altruist...

    Das erste Familientreffen nach zwei Jahren Funkstille. Maggie und Ethan haben nach dem Krebstod der Mutter den Kontakt zum Vater abgebrochen. Doch jetzt steht Arthur Alter vor dem finanziellen Aus, und ihm wird schlagartig klar: Er ist auf die Hilfe seiner Kinder angewiesen. Unter dem Vorwand, sich mit ihnen versöhnen zu wollen, lädt er sie ein. Der eigentliche Grund: die Geschwister zu überreden, ihm das Erbe zu überlassen, damit er das Haus, das voller Erinnerungen an das glückliche Familienleben steckt, vor der Bank retten kann. Jeder in seiner eigenen Welt voller Sorgen und Hoffnungen gefangen, treffen sich die drei an einem Wochenende. Schnell stürzt die erzwungen freundliche Fassade in sich zusammen …

    Altruismus bedeutet in der Alltagssprache lt. Wikipedia „Uneigennützigkeit, Selbstlosigkeit, durch Rücksicht auf andere gekennzeichnete Denk- und Handlungsweise“. Nun, demnach ist tatsächlich niemand in diesem Roman Altruist, auch wenn das Selbstbild des ein oder anderen Charakters ihm dies womöglich vorgaukeln mag... In Wirklichkeit kreist hier jeder um sich selbst, ist Teil seines egozentrischen Weltbildes und versucht sich möglichst klar von den anderen abzugrenzen. Aber der Reihe nach...

    Francine ist vor zwei Jahren an Brustkrebs gestorben, und seither haben ihre nun erwachsenen Kinder keinen Kontakt mehr zu ihrem Vater gehabt. Dieser lädt Maggie und Ethan jedoch nun unverhofft ein, und trotz einer gehörigen Portion Misstrauen nehmen die beiden die Einladung an. Das Wiedertreffen in ihrem Elternhaus gestaltet sich skurril, und beide Kinder sehen sich plötzlich mit Teilen ihrer Vergangenheit konfrontiert, die sie vielleicht lieber vergessen hätten.

    Eine Familiengeschichte blättert der junge Autor (Jg. 1991) hier vor dem Leser auf, die durch ständige Perspektiv- und Zeitenwechsel die vier Charaktere zunehmend plastischer erscheinen lässt. Gerade durch die Episoden, die in der Vergangenheit spielen, werden gegenwärtige Verhaltensweisen und Charakterzüge verständlicher. Aber - und dies ist ein großes ABER: mit keinem einzigen Charakter wurde ich im Verlauf der Erzählung warm - ich fand sie alle gleichsam verstörend, samt und sonders gestört und voller Doppelmoral.

    Während der gesamten Lektüre rätselte ich zudem über die Aussage des Romans. Eine gesellschaftskritische Satire mit dem Schwerpunkt jüdischer Gesichtspunkte? Womöglich, aber vielleicht muss man Amerikaner sein und dazu noch dem Judentum angehören, um dies in seinem ganzen Umfang wirklich würdigen zu können. Tatsächlich stelle ich immer wieder fest, dass ich mit amerikanischer Literatur oft wenig anfangen kann, sicher auch, weil ich nicht alle Andeutungen verstehe oder von Bedeutung finde.

    Bis auf einige recht ausschweifende Passagen mit einer enormen Auflistung von Fremdwörtern gefiel mir der Schreibstil sehr gut. Die Erzählung ließ sich leicht lesen, es stellte sich bei mir auch kein Widerwille gegen die Geschichte ein, aber eben auch keine Begeisterung. Verwirrung war bei mir wohl das vordergründige Gefühl.

    Sowohl den Charakteren als auch der Entwicklung der Geschichte gegenüber blieb ich über weite Strecken relativ gleichgültig. Das Ende dann fand ich zudem zu 'weich gespült' - viel zu harmonisch und damit angesichts der vorherigen Geschehnisse auch unglaubwürdig. Irgendwie eine schräge Story.

    Alles in allem ein bemühtes Debüt mit einigen interessanten Ansätzen, das mich jedoch leider nicht wirklich überzeugen konnte.

    © Parden

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  1. Kein Sensationsdebüt

    Wer Neuerscheinungen als „Sensationsdebüt“ ankündigt, weckt große Erwartungen und muss mit entsprechender Kritik rechnen, wenn die Erwartungen nicht völlig erfüllt werden. So ist es in diesem Fall. Versteht mich nicht falsch: „Die Altruisten“ ist ein guter Roman – aber nicht „sensationell“.

    Der Hauptfaden der Geschichte ist kurz. Zwei Jahre nach dem Krebstod der Mutter Francine, lädt der Vater Arthur seine beiden in New York lebenden Kinder Maggie und Ethan nach St. Louis ein, wo die Familie zuletzt gemeinsam gelebt hat. Seine Beweggründe sind alles andere als altruistisch. Arthur hat das Haus hoch beliehen und will es vor der Zwangsversteigerung retten. Dazu muss er an das Geld kommen, das Francine ihren Kindern hinterlassen hat. Arthur hat davon nichts gesehen, da er kurz vor der Krebsdiagnose seiner Frau eine Affäre mit einer deutlich jüngeren Kollegin angefangen hat und Francine ihm das nicht verziehen hat. Maggie und Ethan reisen an und verbringen das Wochenende mit ihrem Vater, der gezielt versucht, Nostalgie aufkommen zu lassen, bevor er zur Sache kommt.

    Der eigentliche Reiz des Romans liegt allerdings weniger in dieser äußerlichen Rahmenhandlung, obwohl diese teils witzig-sarkastische Züge hat, weil Arthur so auf sich selbst fixiert ist, seine Kinder offenbar kaum kennt und sich in andere Menschen sowieso schwer hineinversetzen kann. Der Roman lebt von den Blicken in die Vergangenheit. In zahlreichen und ausgedehnten Rückblenden wird erzählt, wie Arthur und Francine sich kennenlernten. Francine bewunderte Arthurs Zielstrebigkeit. Obwohl sie sich eine Familie wünschte, unterstützte sie Arthur bei seinem Projekt, Toilettenhäuschen in Simbabwe zu bauen – ein Projekt das nicht zuletzt aufgrund Arthurs übertriebenen Ehrgeiz furchtbar schiefgeht. Als Arthur gedemütigt zurückkehrt, heiraten sie und bekommen Ethan und Maggie. Als Arthur sich in den Kopf setzt, seinen Job in der freien Wirtschaft gegen eine Stelle als Gastdozent an einem College zu tauschen, zieht die Familie nach St. Louis. Mit der erhofften Stelle als angestellter Professor wird es allerdings nichts.

    Arthur zählt also definitiv nicht zu den im Titel des Romans erwähnten Altruisten. Doch wer ist dann gemeint? Ich dachte lange an Francine – sie unterstützt Arthur ihr Leben lang. Doch auch sie ist keine Heilige. Maggie? Sie gibt sich gern als Altruistin. Trotz abgeschlossenen Studiums lehnt sie ethisch unsaubere (also praktisch jede) Arbeit ab und schlägt sich stattdessen mit Gelegenheitsjobs durch, die sie als Nachbarschaftshilfe verkauft. In Wahrheit macht sie sich etwas vor. Sie hat nach dem Tod der Mutter den Boden unter den Füßen verloren und traut sich nicht, ihr Leben in die Hand zu nehmen. Ähnlich ist es mit Ethan. Er scheint als Unternehmensberater von vornherein als Altruist auszuscheiden. Nach dem Tod der Mutter hat er seinen Job an den Nagel gehängt, sich in sein New Yorker Apartment zurückgezogen und der Kaufsucht gefrönt.

    Niemand ist perfekt – könnte man denken. Das ist sicherlich richtig. Aber um diese Botschaft zu transportieren sind keine 400 Seiten nötig. Worum geht es also? Das habe ich mich bis zum Schluss gefragt. Die Protagonisten sind alle irgendwie geschädigt und vom Leben überfordert. Das gemeinsame Wochenende bringt sie wieder näher zusammen und am Ende scheinen alle Probleme überwunden. Die Wandlung fand ich allerdings etwas schnell, zu glatt und nicht wirklich glaubwürdig. Sollte es das gewesen sein?

    Der Roman lässt mich etwas unschlüssig zurück. Die Botschaft hat mich offenbar nicht erreicht. Insgesamt ließ sich der Roman aber gut lesen. Die Geschichte ist nie langweilig. Daher gibt es von mir gute vier Sterne.

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  1. Wo ist die Sensation?

    Was schreibt man zu einem Buch, das vom Verlag als "Sensationsdebüt" geworben wird, das sich dann im Laufe der Lektüre aber eher in ein "Wo ist der Sinn des Ganzen? Was will mir der Autor damit sagen?"-Buch entwickelt?

    Nun, viel (positives) ist es leider nicht was mir zu "Die Altruisten" von Andrew Ridker einfällt. Zunächst einmal: keiner der Charaktere ist oder entwickelt sich in diesem Roman zu einem Altruisten. Alle sind zu sehr mit sich, ihren (Zwangs-)Neurosen, ihren psychischen Problemen beschäftigt, als das sie anderen etwas Gutes tun (könnten). Selbst wenn sie denken, sie tun etwas Gutes für andere Menschen, ändert es nichts daran, dass ihre Handlungen in Chaos bzw. im Gegenteil davon enden, was sie eigentlich bewirken/ bezwecken sollten.

    Keiner der Charaktere hat es im Lauf der Handlung geschafft, mich für ihn einzunehmen; eher war das Gegenteil der Fall (allen voran die Figur des Arthur).

    Wenn dieser Roman ein (hoffentlich) überzeichneter kritischer Blick auf die (teilweise) selbstverliebte Lebensart und -weise der (Nord-)amerikanischen Bevölkerung sein soll, dann hat er zumindest einen Teilzweck erfüllt.

    Für die - trotz teilweise mit vielen Fremdwörtern versehenen Abschnitte - gute Lesbarkeit der knapp 400 Seiten und die ein oder andere wirklich gute Passage, von denen ich mir ein paar mehr gewünscht hätte *g*, gibt es von mir 3*.

    Von einem Sensationsdebüt habe ich allerdings mehr erwartet.

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  1. Roman über eine besondere amerikanische Familie

    Im Mittelpunkt des Romans steht die Familie Alter: Arthur, der Vater, hatte früher durchaus Ideale, ist heute aber lediglich als Honorarprofessor tätig, der es nie geschafft hat, zu einer dauerhaften Vollzeitstelle zu kommen. Er ist ein Mensch, dessen Gedanken primär um sich selbst kreisen und der sich kaum in andere Menschen hinein denken kann. Diesen Mangel an Empathie mussten auch zeit ihres Lebens seine mittlerweile erwachsenen Kinder Ethan und Maggie erdulden. Bis vor zwei Jahren war noch Mutter Francine am Leben, die Zuneigung ausstrahlte und das verbindende Glied zwischen Vater und Kindern war. Sie war als Psychotherapeutin mit eigener Praxis tätig. Francine ist einer Krebserkrankung erlegen, was Ethan und insbesondere die jüngere Maggie stark traumatisiert hat. Dem Vater verübeln sie zudem, dass er in der kritischen Zeit der Krankheit ein Verhältnis mit der deutlich jüngeren Ulrike begonnen hat. Sie haben den Kontakt zu ihm daher abgebrochen.

    Nun erhalten die Kinder einen kurzen Brief ihres Vaters, in dem er an die Familienbande und die gemeinsamen Wurzeln appelliert und sie für die Osterferien nach Hause einlädt. Dem Leser werden ziemlich schnell die wahren Beweggründe des Narzissten Arthur deutlich: Seine Einkünfte sind zu gering, um das Haus der Familie zu erhalten. Da die Kinder das Vermögen ihrer Mutter alleine geerbt haben, will er sie um Geld bitten, damit ein drohender Verkauf abgewendet werden kann. Die Kinder nehmen die Einladung an.

    In nicht chronologischen Rückblicken rollt sich dem Leser die Vergangenheit der Familienmitglieder auf. Bedingt durch die Eigenwilligkeit der Charaktere kommt es dabei immer wieder zu ironischen, überzogenen Situationen, die unterhaltsam und lustig sind.

    Bereits Arthur und Francine stammen aus schwierigen Elternhäusern, was Auswirkungen auf ihre jeweilige Psyche hatte. Entsprechend schenkten sie ihren Kindern nicht die notwendige Aufmerksamkeit. Als Ethan den Eltern z.B. seine Homosexualität gesteht, wird derart gefühllos zur Tagesordnung übergegangen, dass der Junge sich nicht ernst genommen und tief verletzt fühlt.

    So ist Ethan ein absoluter Einsiedler geworden. Er hat seinen Job als Unternehmensberater aufgrund von Skrupeln aufgegeben, er fühlt sich „in seinem Leben eingesperrt.“ Er trinkt und igelt sich ein. Seine Schwester Maggie hat zwar einen Studienabschluss, hält sich jedoch mit Gelegenheitsjobs über Wasser. Sie hat ein Helfersyndrom, sie will sich für die Unterprivilegierten aufopfern, erreicht jedoch mit ihrem geringen Durchsetzungsvermögen nicht viel. Zudem hat sie eine Essstörung, ihr Untergewicht erreicht gefährliche Dimensionen.

    Höhepunkt ist sicherlich der Besuch der Kinder beim Vater, auf den alles hinausläuft. Arthur unternimmt viele Bemühungen, um zu seinem Ziel zu kommen. Gespannt verfolgt man diesen Handlungsstrang und möchte wissen, ob sich Ethan und Maggie von ihrem Vater täuschen lassen. Natürlich brechen hier auch alte Konflikte wieder auf, die im Zusammenhang mit der Rückschau ein stimmiges Ganzes ergeben.
    Man kann den Roman sehr leicht lesen und fliegt nur durch die Seiten. Dabei hat man es aber permanent mit Figuren zu tun, denen es an gesundem Menschenverstand und normalen Einsichten mangelt. Vieles ist extrem und kaum nachvollziehbar. Im Umfeld der Familie leben weitere Extreme, sowohl extrem reiche, extrovertierte oder eben gestörte Menschen.

    Sprachlich empfand ich den Roman als sehr ansprechend. Einige Sätze muss man sich auch angesichts der aktuellen Entwicklung notieren wie beispielsweise: „Der amerikanische Durchschnittswähler ist im Grunde genommen ein verhätscheltes Kind mit einem unstillbaren Verlangen nach Unterhaltung.“ (S. 157)

    Da dieses Buch als Sensationsdebüt und Gesellschaftsroman aus den USA beworben wird, stellt sich natürlich die Frage, ob es um die amerikanische Gesellschaft tatsächlich so schlecht bestellt ist. Das wäre beängstigend! Ich hoffe, der Autor wollte nur beobachtete Tendenzen überspitzt darstellen, um damit eine Warnung und Kritik auszusprechen.

    Zuviel würde ich persönlich nicht hinein interpretieren. Da die Figuren insgesamt sehr weit entfernt von meiner Lebenswirklichkeit liegen, kamen sie mir auch nicht wirklich nah. „Die Altruisten“ ist aus meiner Sicht ein unterhaltsam-ironischer Familienroman. Die großen gesellschaftskritischen Zusammenhänge konnte ich nicht wirklich nachvollziehen. Die Lektüre ist aber auf alle Fälle empfehlenswert.

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  1. Familien- oder Gesellschaftsroman?

    Der Roman wird als "Sensationsdebüt aus den USA" angepriesen, eine Bewertung, mit der einige von uns in der Leserunde ihre Schwierigkeiten hatten. Am Anfang habe ich mir schwer getan hineinzukommen, doch im Verlauf der Handlungen hat es mir zunehmend Spaß gemacht zu lesen, wie es mit dieser "verkorksten" Familie und den schrägen, teils skurrilen Figuren weitergeht und wie sie sich weiterentwickeln.

    Arthur Alter (lat. der Mitmensch) hat seit dem Tod seiner Frau Francine vor zwei Jahren keinen Kontakt mehr zu seinen Kindern Ethan und Maggie. Das hängt unter anderem damit zusammen, dass er genau einen Tag, bevor bei Francine im Herbst 2012 Brustkrebs diagnostiziert wurde, eine Affäre mit der deutschen Historikerin Ulrike begonnen hat, die über 20 Jahre jünger als er ist. Dass er trotz der Erkrankung Francines diese Beziehung intensiviert hat, verzeihen ihm die Kinder nicht.
    Jetzt ist Arthur, der seit Jahren an der Universität Danforth in St.Louis vergeblich auf eine Festanstellung gewartet hat, pleite, während Ethan und Maggie von ihrer Mutter eine erhebliche Summe Geld geerbt haben. Arthur lädt die Kinder ein, ihnen finanzielle Unterstützung für das Haus, in das die Familie einst aus Boston gezogen ist, zu erbitten, da er es allein ihr Haus nicht halten kann. Die Einladung an Ethan ist kurz und knapp formuliert:

    E.- wäre gut, dich zu Hause zu haben. Du (&Maggie) kannst Mitte April kommen. (Semesterferien.) Wichtig, die Familie zu sehen, sich an die Wurzeln zu erinnern usw.
    - A. (S.38)

    Bei Ethan "waren Zuhause und Demütigung untrennbar miteinander verknüpft." (38) Er erinnert sich voller Scham an sein Outing, daran, dass sein Vater ihn nie wahrzunehmen schien. Heute ist Ethan ein in sich zurückgezogener junger Mann, der seinen Job als Unternehmensberater gekündigt hat, weil er nicht mehr bereit war, die Verantwortung für Kündigungen mitzutragen. Er lebt von dem Geld seiner Mutter, wobei seine horrenden Ausgaben für Luxusartikel sein Erbe aufgezehrt haben - und das bisher folgenlos.
    "Schulden waren immatriell, ein bildlicher Abgrund - und spielte die Tiefe des Abgrunds eine Rolle, wenn der Abrund nur bildlich war?" (44)

    Er ist ein Einsiedler, der einer unglücklichen Liebe hinterher trauert, was man in Rückblicken erfährt.
    "Er hatte im wahrsten Sinne des Wortes aufgehört, eine Person des öffentlichen Lebens zu sein." (42)
    Auch den Beginn von Arthurs und Francines Beziehung, ihre Ehe und auch der Familienalltag wird im Rückblick aufgerollt - eine der interessantesten Episoden ist Arthurs Reise nach Simbabwe, wo er seine Erfindung - einen Zementersatz - zum Einsatz bringen will. Sehr skurrile, aber auch tragische Geschichte, die den Leser*innen hilft, den Protagonisten Arthur, der mit einem Altruisten nichts gemein zu haben scheint, besser zu verstehen. Gleichzeitig ist diese Episode eine kritische Auseinandersetzung mit westlicher Entwicklungshilfe und sie zeigt, dass durch die Übertreibungen vieles sichtbarer, deutlicher wird.

    Auch Maggie ist nur vordergründig eine Altruistin.
    "Es ging ihr doch gut. Sie brachte die Miete zusammen, indem sie für anständige Leute in Queens arbeitete. Ihr einziger Chef war ihr Gewissen. An den meisten Tagen hieß das: Besorgungen machen, babysitten oder im Namen ihre spanisch, russisch oder chinesisch sprechenden Nachbarn Verbindung mit der Stadtverwaltung aufnehmen. Gelegenheitsarbeiten. (...) Es war eine zufriedenstellende Arbeit, wenn auch nicht sonderlich gut bezahlt." (20)

    Allerdings gewinnt man den Eindruck, dass sie sich selbst bestraft, so hungert sie ständig und isst kaum, lässt sich von einem ihrer Schützlinge schlagen, um sich dadurch "wertig" zu fühlen. Aus ihrem Helfersyndrom bezieht sie ihre Wertigkeit.

    "Auch wenn diese Arbeit sich nicht auszahlte, ertrug Maggie Brunos Misshandlungen, ja, begrüßte sie sogar. Seine tätlichen Angriffe waren der Beweis, dass sie mit einer Arbeit beschäftigt war, die Opfer erforderte. (...) Ein Beweis für Charakter." (24)

    Francine erscheint als die Gefestigte der Familie, die alles zusammengehalten hat.
    "Scharfsichtig, aber nie mäkelig, intelligent, ohne es zeigen zu müssen, hatte Francine selbstlos ihr berufliches Weiterkommen für die Erhaltung der Familie geopfert - für die sie als Vermittlerin, Schlichterin und Friedenswahrerin fungiert hatte. Sie war Maggie zugleich Vorbild und abschreckendes Beispiel." (72)

    Während des Ethans und Maggies Besuch bei Arthur brechen die alten Konflikte wieder auf und es kommt Bewegung in das Leben aller Beteiligten. Wird Arthur seine Kinder tatsächlich um das Geld bitten? Wird er sie wahrnehmen, jetzt da Francine die Vermittlerrolle nicht mehr übernehmen kann?
    Wie wird sich die Familienkonstellation verändern?

    Es ist vielleicht nicht DAS Sensationsdebüt, aber dennoch ein Roman, der einen kritischen Blick auf die zeitgenössische amerikanische Gesellschaft wirft, indem er die Figuren überzeichnet, ihr Verhalten ins Lächerliche zieht, ihnen aber auch die Möglichkeit gibt, sich weiterzuentwickeln. Auf jeden Fall lesenswert!

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