Werden Autorinnen vom Literaturbetrieb diskriminiert?

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29. Oktober 2013
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Frauen haben es im Literaturbetrieb schwerer als Männer. Autorinnen werden seltener in renommierten Verlagen verlegt und erhalten auch seltener angesehene Preise. Bis heute ging der Nobelpreis beispielsweise 99 Mal an einen Mann, 14 Mal an eine Frau.

Die Autorin Nina George hat einem einem Beitrag für das Börsenblatt nachgerechnet.
www.boersenblatt.net: Nina George über die Stellung der Frauen im Literaturbetrieb / Macho Literaturbetrieb

Dabei ist das Thema nicht neu. Regelmäßig bei Vergabe eines wichtigen Preises beginnt die Zählerei neu. Schreiben Männer die besseren Bücher? fragte beispielsweise im Herbst die FAZ provokant in einem Beitrag. Oder liegt es an der Jury?

www.faz.net: Frauen und Literaturpreise: Schreiben Männer die besseren Bücher?
 

Helmut Pöll

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9. Dezember 2013
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Also ich bin nicht uneingeschränkt der Meinung von Nina George. Dieses Thema schwappt ja alle paar Monate mehr oder minder unreflektiert durch die Medien, spätestens jedes Jahr bei der Nobelpreisverleihung. Ich habe solche Diskussionen schon oft verfolgt und weiss nie so recht, was ich davon halten soll. Oft verlaufen sie unerfreulich, übertrieben formuliert etwa so: die eine Seite beschwert sich, dass Frauen zu selten den Nobelpreis - oder andere renommierte Preise - bekommen und wertet das als offensichtliche Diskriminierung. Die Gegenseite argumentiert irgendwann polemisch etwa so:
müsst ihr halt die entsprechenden Bücher schreiben. Immerhin gibt es deutlich mehr Leserinnen als Leser. Kann ja schlecht sein, dass Leserinnen Autorinnen systematisch diskriminieren“.
Meistens gibt es dann relativ schnell ein Zerwürfnis und die Diskussion verläuft im Sande. Nach einem Jahr kann sich niemand mehr erinnern und alles geht von vorne los.

Nach meiner Wahrnehmung gibt es durchaus sehr erfolgreiche Autorinnen. Spontan fallen mir einige Hochkaräter aus dem Bereich Krimi/Thriller ein wie Tess Gerritsen oder Yrsa Sigurðardóttir. J.K.Rowling ist mit ihren Harry Potter Büchern sogar die erfolgreichste Autorin überhaupt. Tatsächlich sind Autorinnen aber z.B. im Bereich der Gegenwartsliteratur, für die es z.B. den Nobelpreis gibt (zumindest vor Bob Dylan) nach meiner Wahrnehmung weniger präsent als z.B. bei Krimis/Thriller. Wie gesagt, das ist meine sehr subjektive Wahrnehmung. Muss nicht stimmen.

Jetzt könnte man natürlich fragen woran das liegt. Liegt es daran, dass Verlage keine Gegenwartsliteratur von Frauen verlegen wollen oder daran, dass Frauen tendentiell weniger Gegenwartsliteratur schreiben. Deshalb bin ich kein grosser Freund von Artikeln wie diesem von Nina George, die mit dem Herunterbeten von Statistiken nur für den nächsten Aufreger sorgen, ohne dass irgendjemand hinterher schlauer ist als vorher.

Männer werden häufiger im Hardcover veröffentlicht, etwa bei E-Edelverlagen wie Suhrkamp, Hanser, Aufbau. Das lieben die Kulturredaktionen". Kann sein. Kann auch nicht sein. Ich weiss nicht, ob sie das lieben. Ich habe sie nicht gefragt. Aber Nina George offensichtlich auch nicht. Wie wäre es denn gewesen, die lieben Kulturredaktionen um eine Stellungsnahme zu bitten, bei den genannten Verlagen anzurufen und zu fragen, warum die Dinge sind, wie sie sind? Zumindest hätte man dann ein paar klare Aussagen. So einen gut recherchierten Artikel hätte ich persönlich interessanter gefunden.
 

Frank1

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Also ich kann dieser Theorie absolut nicht zustimmen. Zumindest im Fantasy-Sektor sind Frauen nicht gerade selten.

Und wenn man den Nobelpreis betrachtet ... Wenn man eine Statistik über mehr als 100 Jahre auswertet, muss man natürlich beachten, dass das, was wir heute Gleichberechtigung nennen, damals noch gar nicht erfunden war. Diese frühen Jahrzehnte verzerren diesen Durchschnitt natürlich erheblich. In den halbwegs aktuellen Jahren sieht das Ergebnis doch ganz anders aus. Bei den letzten 15 Literatur-Nobelpreisen gingen immerhin 5 an Frauen, also genau 1/3. Dabei muss man ja auch noch beachten, dass der Preis normalerweise nicht für ein Einzelwerk vergeben wird. Bei der Betrachtung des Lebenswerkes der heute in Frage kommenden Autoren spielen dann auch wieder Zeiten mit hinein, wo Frauen noch nicht so erfolgreich veröffentlichten. Das kann sich nur relativ langsam ändern, sonst dürfte man den Preis ja in den nächsten 50 Jahren aus Prinzip nur an Frauen vergeben, um 'die alten Zeiten' auszugleichen.
 

Helmut Pöll

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Bei den letzten 15 Literatur-Nobelpreisen gingen immerhin 5 an Frauen, also genau 1/3. Dabei muss man ja auch noch beachten, dass der Preis normalerweise nicht für ein Einzelwerk vergeben wird. Bei der Betrachtung des Lebenswerkes der heute in Frage kommenden Autoren spielen dann auch wieder Zeiten mit hinein, wo Frauen noch nicht so erfolgreich veröffentlichten.
Das sehe ich ganz genauso, @Frank1 . Aber der Aufreger zwischendurch ist dann wohl für viele doch immer wieder zu verlockend.
 
20. Mai 2014
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Wenn man eine Statistik über mehr als 100 Jahre auswertet, muss man natürlich beachten, dass das, was wir heute Gleichberechtigung nennen, damals noch gar nicht erfunden war.
Das stimmt ... allerdings ist das auch genau der Grund, warum einige Literatinnen eben unter männlichem Pseudonym verfasst haben, George Sands zum Beispiel.

Bei der Betrachtung des Lebenswerkes der heute in Frage kommenden Autoren spielen dann auch wieder Zeiten mit hinein, wo Frauen noch nicht so erfolgreich veröffentlichten.
Bis vor Kurzem hatte man ja keine andere Wahl, als hoffen, dass einen irgendein Verlag annahm. "Erfolgreich veröffentlicht" heißt dann also, vom Verlag als ernstzunehmende Schriftstellerin akzeptiert -- und da beißt sich die Katze in den Schwanz.