Rezension Rezension (5/5*) zu Nussschale von Ian McEwan.

Sassenach123

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27. Dezember 2015
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Buchinformationen und Rezensionen zu Nussschale von Ian McEwan
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Nussschale von Ian McEwan

Trudy ist ihres Mannes John überdrüssig. Seine Leidenschaft ist das dichten, doch Trudy langweilt sich nur noch, vergnügt sich lieber mit Claude, Johns Bruder. Den armen John schmeißt sie kurzer Hand aus dem Haus, und erbittet sich eine Auszeit. Trudys bereits weit fortgeschrittene Schwangerschaft ist für sie kein Hindernis diesen Weg fortzusetzen. Das Johns Haus, in dem sie lebt, einen beachtlichen Marktwert hat bringt Trudy und Claude auf eine Idee. John muss weg! Es muss ein Plan her, ein Plan der nicht auf die beiden hindeutet....

Das interessante an dieser Story ist und bleibt für mich die Perspektive des Erzählers. Habe noch nie einen Roman gelesen, der aus der Sicht eines Fötus geschildert wird. Es hat zum einen etwas komisches aber teilweise auch kritisches. Zumal McEwan bei der ein oder anderen Begebenheit richtig Biss bewiesen hat.
Natürlich darf man nicht zuviel hinterfragen, denn jedem dürfte bewusst sein, dass dies alles fiktiv ist und kein Fötus solche Gedankengänge ausformulieren kann. Dennoch kauft man dem Autor die Geschichte ab, sei es auch nur weil man sich rundum gut unterhalten fühlt.

Die Anzahl der Charaktere ist überschaubar.
Trudy war mir von Anfang an ein Dorn im Auge. Nicht nur, dass sie ihren Mann mit seinem Bruder hintergeht, sie schert sich überhaupt nicht um die Gesundheit des Lebens, dass in ihr heranwächst. McEwan verpackt diese Infos sehr flapsig aus Sicht des Fötus, doch das kann den Leser nicht über den Ernst der Lage hinwegtäuschen.
Claude war mir auch von Anfang an unsympathisch. Seine Beweggründe hatten für mich direkt einen schalen Nachgeschmack. Ich kaufte ihm den treusorgenden Partner einfach nicht ab.
John Cairncross, Noch-Ehemann und Vater des Kindes, erschien mir äußerst gutgläubig. Ergreifend habe ich dazu die Gedanken des Kindes empfunden. Es hoffte und bangte um seinen Vater, war sich der wenigen Möglichkeiten bewusst, die es selbst nur hat.
Das Zusammenspiel der Charaktere empfand ich als sehr interessant. Der Autor baute immer wieder interessante Ereignisse ein, die aus Sicht des Kindes beschrieben, manchmal auch ein wenig wirr wirkten. Einige Passagen musste ich mehrfach lesen, bis der Aha-Moment sich einstellte. Der machte die Mühe aber durchaus wett.

Das Ende des Romans ist nicht spektakulär, aber ich konnte mich gut damit arrangieren. Obwohl einige Dinge unausgesprochen bleiben, und so dem Leser nur Vermutungen bleiben, ist doch alles stimmig.

Ein Roman der von mir mit Genuss gelesen wurde. Habe mich sehr gut unterhalten gefühlt. Nussschale hat mich überrascht, und genau das sollte ein gutes Buch schaffen. Ian McEwan hat es geschafft.


von: Erich Hackl
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von: Ian McEwan