Rezension Rezension (4/5*) zu Saeculum von Ursula Poznanski.

Mikka Liest

Bekanntes Mitglied
14. Februar 2015
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Hilter am Teutoburger Wald
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Geisterfluch oder reale Bedrohung?

Ein harmloses Rollenspiel sollte es werden: ein paar Tage im einsamen Wald, mal leben wie im Mittelalter, Schwertkämpfe und spannende Aufgaben, die es zu erfüllen gilt. Kein moderner Kram wie Zahnpasta oder Handys. Aber es dauert nicht lange, bis das Spiel immer mehr zum Albtraum wird - der Fluch aus einer uralten Sage scheint sich nach und nach zu erfüllen. Gräber öffnen sich, des Nachts hören die Jugendlichen furchtbare Schreie, Mitspieler werden verletzt...

Als Leser fragt man sich dabei natürlich die ganze Zeit: gibt es diesen Fluch wirklich; ist es der Geist von Tristram, der umgeht und Opfer fordert? Oder steckt doch ein Mensch hinter dem perfiden Spiel? Die Autorin hat es geschafft, dass ich mal von dem einen, mal von dem anderen überzeugt war.

Erst nach etwa 350 Seiten hatte ich einen Geistesblitz und habe einen Teil der Auflösung erraten, vieles hat mich am Ende aber dann doch noch überrascht - denn da kapiert man erst, wie komplex das Ganze eigentlich ist, und dass unzählige kleine Details und Andeutungen, über die man vielleicht einfach drübergelesen oder ihnen keine größere Bedeutung beigemessen hat, tatsächlich ein Teil dieses Puzzles sind.

Ich fand die Geschichte von vorne bis hinten unheimlich spannend, denn man fragt sich ständig: was kommt als nächstes? Gegen Ende zieht Ursula Poznansik die Daumenschrauben dann noch mal kräftig an!

Allerdings sollte ich an dieser Stelle erwähnen, dass "Saeculum" ein Jugendthriller ist, der für Leser ab 14 Jahren gedacht ist. Obwohl die Geschichte nicht ohne Blutvergießen abläuft, ist sie wohl nichts für Fans von Hardcore-Thrillern

Originell fand ich auch, dass das Buch in einer eigentlich sehr friedlichen Szene angesiedelt ist, nämlich der der Mittelalter-Liverollenspieler. Wer's nicht kennt: man kleidet sich in mittelalterliche Kleidung, trifft sich mit Gleichgesinnten und schlüpft für die Dauer des Spiels in die Rolle eines Menschen, wie er im Mittelalter gelebt haben könnte. Zwar gibt es auch Schaukämpfe, aber die sind halt wirklich nur Schau und sollten allerhöchstens blaue Flecken hervorrufen. Die Autorin hat sich scheinbar wirklich gut und weitreichend informiert, so dass man einen kleinen Blick in diese Welt werfen kann.

Die Charaktere fand ich wunderbar geschrieben. Ein paar davon bleiben eher am Rand, aber die meisten werden lebendig und vielschichtig geschildert, mit all ihren Marotten und Schrullen. Da gibt es zum Beispiel das kugelrunde 'Steinchen', auch bekannt als 'Kuno vom Fass', der sich als witzig, gutmütig und loyal herausstellt, die wunderschöne Lisbeth, die sich im Spiel 'Geruscha' nennt und ihre Schönheit manchmal eher als Fluch denn als Segen sieht, oder Harfenspielerin Iris, die schon vor irgendetwas Angst zu haben scheint, bevor die ersten Dinge schiefgehen.

Im Mittelpunkt steht Bastian, alias 'Tomen Sehnenschneider', der so etwas noch nie mitgemacht hat und eigentlich nur da ist, um die Rollenspielerin Sandra zu beeindrucken. Denn eigentlich ist er fleißiger Medizinstudent und versucht, es seinem herrischen Vater und dessen unmöglich hohen Ansprüchen recht zu machen. Bastian war mir sehr sympathisch, und mir hat gut gefallen, wie er sich im Laufe des Buches weiterentwickelt und seine eigenen Stärken und Schwächen kennenlernt.

Unter den Jugendlichen gibt es auch ein paar Pärchen, und Bastian macht sich ja Hoffnungen auf seine Sandra - aber die Liebesgeschichten entwickeln sich nicht unbedingt immer so, wie man es am Anfang erwarten würde, und zu kitschig wird es in meinen Augen auch nie.

Am Schreibstil merkt man schon ein bisschen, dass es ein Jugendbuch ist, denn der ist eher einfach, aber er hat mir dennoch sehr gut gefallen. Er liest sich locker und bringt Stimmungen und Emotionen großartig rüber.

Fazit:
Fünf Tage mal so tun, als würde man im Mittelalter leben, mitten im einsamen Wald - was für eine Gruppe von jungen Rollenspielern als spannender Abenteuerurlaub beginnt, gerät schnell außer Kontrolle, als sich ein uralter Fluch scheinbar Stück für Stück erfüllt.

Als Jugendthriller verzichtet "Saeculum" zwar nicht auf Gewalt, aber auf bluttriefende Beschreibungen derselben. Für manche Thrillerfans ist das Buch damit sicher zu harmlos, ich fand es aber auch als erwachsene Leserin spannend und vor allem sehr clever konstruiert. Es ist eines dieser Bücher, bei denen man erst im Nachhinein begreift, wie viele Hinweise die Autorin versteckt hat!

Ich fand es originell und spannend, mit überzeugenden Charakteren und einem Schreibstil, der zwar eher einfach ist, aber dennoch sehr ansprechend und wirkungsvoll.


von: Sharon Bolton
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