Rezension Rezension (4/5*) zu Nussschale von Ian McEwan.

Bibliomarie

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10. September 2015
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Buchinformationen und Rezensionen zu Nussschale von Ian McEwan
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Tödliche Intrige

Der englische Schriftsteller Ian McEwan überrascht mich mit jedem neuen Buch. In „Nussschale“ ist die Erzählperspektive die er wählt.
Trudy Cairncross ist im letzten Drittel ihrer Schwangerschaft, aber schon längst ist ihr die Ehe mit John lästig. Sie hat seinen Bruder Claude zu ihrem Liebhaber gewählt und beide trachten nun das Haus Johns in ihrem Besitz zu bekommen. John selbst ist auf Bitten Trudys ausgezogen, hofft aber immer noch auf einen Neubeginn, während seine Frau und sein Bruder ein mörderisches Komplott schmieden.
Der Zeuge, der diese Pläne verfolgt, kann weder sehen, noch sprechen. Alle seine Empfindungen, seine Gedanken werden gefiltert durch den Mutterleib und die Nabelschnur ist die Verbindung zur Welt. Dabei ist dieses Ungeborene von einer über den Dingen stehenden Weisheit und Weitsicht. Aus Radiosendungen und Gesprächen zieht er sein Wissen über die Welt und teilt seine Anschauungen und philosophischen Betrachtungen dem Leser mit. Genau wie er die Speisen und vor allem die Weine und andere Alkoholika – er scheint keine Kostverächter zu sein – kommentiert, so kommentiert er auch den Fortgang der tödlichen Intrige seiner Mutter und ihrer Liebhabers. Dabei scheint seine Lage aussichtslos, er ist zum stummen Abwarten verdammt, ohne selbst eingreifen zu können.
Die klassische Dreieckskonstellation mit tödlichem Ausgang ist schon seit der Antike und später bei Shakespeare bekannt. Ich könnte mir kaum jemanden vorstellen, der diese Geschichte so erstaunlich witzig und bitterböse präsentieren kann, wie McEwan. Die von ihm gewählte Perspektive des unschuldigen, aber immer parteiischen Beobachters, hat mir ausgesprochen gut gefallen.



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