Morddrohungen gegen Autorin nach Medienhetze

Helmut Pöll

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Stefanie Sargnagel ist eine österreichische Autorin und Künstlerin. Sie war im letzten Jahr Teilnehmerin beim Ingeborg-Bachmann-Preis, wo sie bei der Online-Abstimmung den Publkumspreis gewann. Zwischen Mai und September 2017 wird sie Klagenfurter Stadtschreiber. Sie schreibt u.a, für das Jugendmagazin Vice und den Bayerischen Rundfunk. Mitunter tritt sie auch als Aktionskünstlerin auf, beispielsweise als Mitglied der Gruppe "Burschenschaft Hysteria", die akademische Verbindungen persifliert. Sargnagel ist der Künstlername der Autorin.

Kürzlich war sie mit zwei befreundeten Autorinnen auf Marokkoreise. Für die Reise bekamen die drei Frauen ein Stipendium. Über ihre Reiseerlebnisse in Marokko führten sie ein satirisches Tagebuch, das die Wiener Tageszeitung „Der Standard“ veröffentlichte. Unter anderem schrieben die Frauen, sie hätten 13 Flaschen Wein getrunken, "mit dem Muezzin geschmust“, als tierhassende Vegetarierinnen eine Babykatze zur Seite getreten. Sie sei sogar von den Marokkanern in Frieden gelassen worden, obwohl sie „willig“ am Strand herumgesessen sei. Kurzum: die Autorinnen spielten für ihre Artikelserie für den Standard mit allen touristischen Klischees über Marokko.

Der Chefredakteur des Wiener Boulevardblatts "Kronen Zeitung", Richard Schmitt, nahm das alles wörtlich. Unter der Überschrift "Saufen und Kiffen auf Kosten der Steuerzahler“ beschwerte er sich, dass die Steuerzahler "das zehntägige Besäufnis, das Haschen, das Katzentreten sowie eine Muezzin-Schmuserei dieser Literatur-Ausflüglerinnen subventionieren.“ Doch damit nicht genug. Die Kärtner „Krone“ bezeichnete Sargnagel als „bekifft“ und „willig“ und gab den Lesern Hinweise auf die Klagenfurter Stadtschreiberwohnung der „willigen“ Autorin.

Die Reaktion auf die Berichterstattung der Krone liess nicht lange auf sich warten. Tausende empörte Leser wollten die Babykatzen rächen. Im Netz wurde Sargnagel wüst attackiert, es wurde zu ihrer Ermordung und Vergewaltigung aufgerufen. Die Autorin veröffentlichte die schlimmsten Schmähungen auf Facebook, worauf sie das soziale Netzwerk zunächst sperrte. Dem Österreichischen Rundfunk gegenüber betonte Stefanie Sargnagel, dass sie gegen die „Krone“ juristisch vorgehen wolle. Man müsse „diesen Leuten gewisse Grenzen aufzeigen“.


www.sueddeutsche.de: Rechte hetzen gegen österreichische Autorin Stefanie Sargnagel
www.faz.net: Autorin Stefanie Sargnagel: Kleine Katzen tritt man nicht
derstandard.at: Was die "Krone"-Hetze gegen Sargnagel mit Presseförderung zu tun hat
Stefanie Sargnagel – Wikipedia
 
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Sebastian

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Wie vorsichtig man mit der Dummheit der Anderen umgehen sollte, zeigt doch schon ein anderes Beispiel. Stephen Spielberg wurde nach dem FB-Beitrag eines Comedians tatsächlich als Großwildjäger denunziert, zum Boykott seiner Filme aufgerufen und er selbst wüst bedroht. Ironisch dabei: Besagter Comedian nutzte für den Beitrag ein Setbild des ersten Jurassic Park, auf dem Spielberg vor einem "toten" Triceratops sitzt...

www.buzzfeed.com: A Whole Bunch Of People On Facebook Thought Steven Spielberg Killed A Real Dinosaur

(Ich weiß, Buzzfeed ist nicht die vertrauenswürdigste Quelle, tuts in diesem Fall aber trotzdem ;-) ).
 
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Helmut Pöll

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Stephen Spielberg wurde nach dem FB-Beitrag eines Comedians tatsächlich als Großwildjäger denunziert, zum Boykott seiner Filme aufgerufen und er selbst wüst bedroht.
Der Comedian wußte natürlich, was er tat, konnte aber kaum damit rechnen, dass jemand so doof ist zu glauben Stephen Spielberg hätte tatsächlich einen unter Artenschutz stehenden Dinosaurier erschossen.
Ich glaube auch nicht, dass der Chefredakteur der Krone die Satire in dem Artikel nicht erkannt hat. Spätestens beim "Schmusen mit dem Muezzin" war das klar. Aber die auflagensteigernde Meldung war wohl wichtiger.
 
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Renie

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Was mir nicht ganz klar ist: Sie hat doch selbst ihre "Reiseberichte" veröffentlicht. Nur für das Tagebuch in der Nachttischschublade wird sie ihre Erlebnisse sicher nicht niedergeschrieben haben. Dass die Leserschaft jetzt nicht so reagiert, wie es genehm ist, muss man als Autor doch in Kauf nehmen, insbesondere wenn man Texte veröffentlicht, die dermaßen brisant sind. Obwohl ich zugegen muss, dass Morddrohungen schon kriminell sind. Sie mag ja jetzt diese Morddrohungen aufgrund der Veröffentlichung dieses Chefredakteurs erhalten. Aber ganz ehrlich, ihre satirische Berichterstattung über ein islamisches Land birgt genügend Potenzial für eifrige Islamisten. (Charlie Hebdo lässt grüßen). Natürlich blöd, wenn die Morddrohungen aus den eigenen Reihen kommen. Da hofft man als Autorin doch eher auf Beifall, wenn frau den Mut hat, einem islamischen Land vor den Koffer zu treten.
 

Helmut Pöll

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Ich glaube die Aufregung hat sich primär an den angeblich misshandelten Katzen entzündet sowie an der Vorstellung, da betrinkt sich jemand gemütlich jeden Abend in der Sonne auf Kosten der Steuerzahler.

Aber wie @Sebastian oben schon geschrieben hat: wenn sich Leute aufregen, weil Stephen Spielberg den letzten Saurier erschossen hat und ihn dann bedrohen, dann ist vieles möglich.

Ja, das stimmt, sie hat die Satire im Standard veröffentlicht. Ob da jetzt explizit gross "SATIRE" drüberstand und dann "Achtung, es wurden keine Katzen gequält", das weiß ich natürlich nicht.

Übrigens hier ist das Foto von Spielberg mit dem erlegten Saurier zu sehen.
www.focus.de: Shitstorm gegen Dinosaurier-Jäger Steven Spielberg
Und der "Schütze" grinst auch noch ganz frech ;).