Mitternachtsweg - Benjamin Lebert

24. September 2016
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Eine düstere Geschichte…
Als Peter Maydell, Redakteur für die Lübecker Zeitung, von Johannes Kielland ein Manuskript zugesendet bekommt, ist seine Neugierde groß. So oft hat er bereits große Freude an den ihn erreichenden Artikeln des jungen Mannes gehabt, sodass er auf dieses offensichtlich größere Werk des Schreiberlings sehr gespannt ist.
Lediglich ein einziges Mal ist er Kielland bisher begegnet und war damals von dem jungen Geschichtsstudenten mit den langen Haaren und dem langen schwarzen Mantel, der seine schwarze Kleidung verdeckte und bis zu den Stiefeln reichte, mehr als überrascht. Kein älterer Herr also, der aus Gewohnheit seine Berichte ausschließlich auf einer Schreibmaschine verfasst, sondern viel mehr jemand, der das Dunkle ebenso wie das Außergewöhnliche schätzt; besonders außergewöhliche Begebenheiten. Deswegen handeln auch seine Berichte von skurrilen, unwahrscheinlichen Geschehnissen.
Wie er selbst anmerkt, soll auch das Manuskript, welches im Übrigen sein letztes Werk sein soll, von einer solchen Geschichte und von ihm handeln. Zu der Geschichte sei er, so schreibt er es, durch die Begegnung mit Helma Brandt gekommen, deren Verlobter in den Fluten den Tod fand.
Alles rankt sich um die Insel Sylt, eine tragische alte Liebe, den Tod, das Meer, die Gezeiten, alles verschluckende Dunkelheit, den Friedhof der Heimatlosen, den Mitternachtsweg und einen Handschuh.
So scheint die eigentliche Geschichte nicht mit Johannes Kielland zu beginnen, sondern viel weiter in die Vergangenheit zu reichen.

Die Geschichte unterteilt sich in mehrere Zeit- und Handlungsstränge, welche sich regelmäßig abwechseln. So handelt ein Part des Buches von der Vergangenheit und den Anfängen der Geschichte, ein weiterer von den Recherchen Kiellands, ein dritter besteht aus dem Manuskript, ein weiterer beschreibt den Redakteur, wobei sich der letzte schließlich mit der Gegenwart befasst.
Zu Beginn war ich wegen diesen verschiedenen Erzählsträngen etwas verwirrt, obwohl die Kapitelüberschrift meist angibt, von welcher Art der folgende Abschnitt sein wird.
Die Orte des Geschehens empfand ich als sehr schön gewählt: Da wäre beispielsweise der Friedhof der Heimatlosen, auf dem ertrunkene und an den Strand gespülte Seemänner einst ihre letzte Ruhe fanden. Benjamin Lebert versteht es, seine Worte so zu wählen, dass die beschriebene Kälte und Finsternis spürbar – wenn auch nicht zwangsläufig verständlich – werden. Die gesamte Geschichte durchwabert etwas Düsteres, dass, kaum greifbar, unterschwellig auf den meisten Seiten anzutreffen ist.
Dennoch muss ich gestehen, dass mich das Buch mit einigen Fragen zurücklässt und dass es, auch wenn es gewissermaßen einen Abschluss gab, für mich noch nicht wirklich beendet ist. So wirkt dieses Werk weniger wie ein Roman, als eine mystische Schauergeschichte. Sicherlich ist dieses überwiegende Unwissen, ob etwas Erzähltes nun der Wahrheit und der Phantasie der Charaktere entspringt, gewollt, mir jedoch etwas zu viel.

Alles in allem ist „Mitternachtsweg“ ein spannendes Buch mit packendem Schreibstil, welches allerdings viele Fragen offen lässt.

Ich vergebe daher 4 ihr nächtliches Leuchten auf das dünstere Meer werfende Sterne
 
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