Die Troubadour-Lyrik

5. Januar 2016
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Ich würde für mich gerne mit der Troubadour-Lyrik beginnen und in der Folge das eine oder andere Gedicht einstellen, das mir in den letzten Jahren, beim Schreiben meiner Historischen Romane, in die Hände gefallen ist.
Einige Informationen: Die Sprache der Troubadoure war Okzitanisch, im Volksmund auch "roman" genannt, dem heutigen Katalanisch ähnlich. Die "langue d`oc" unterschied sich von der französischen "langue d`oil", und war in Europa weit verbreitet.

:reader3 Das Wort Troubadour kommt vom okzitanischen "trobar", d.h. "dichten". (Die französische Entsprechung wäre "trouver" - finden/erfinden/ausdenken.)
Am bekanntesten ist in der Troubadour-Lyrik die sog. "cansò", das Liebeslied. "Cobla" nennt man die Strophe. Ein wenig anders verhält es sich mit den sog. "sirventes" (von sirvent = Diener), Verse, die oft heftige Kritik üben (Schmähkritik, also derzeit wieder aktuell! ;)). Bereits im Mittelalter hat man hochgestellte Leute nicht geschont!
Die Lyrik des Hochmittelalters ist insgesamt ein Spiegel der damaligen Gesellschaft und ich war oft überrascht, wie modern viele Menschen aus dem 12./13. Jahrhundert, nicht nur bei Hofe, dachten, glaubten und handelten.

Ich beginne heute mal mit dem cansò eines unbekannten Troubadours:

In der milden Frühlingszeit belaubt sich der Wald
und die Vögel singen jeder in seinem Latein
eine Strophe eines neuen Liedes;
gerade jetzt erwacht das Herz für den,
den man am meisten begehrt.
 
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Ich komme heute mal auf Ramon von Miraval zu sprechen, einer der Protagonisten meines Historischen Romans "Sancha".
Ramon von Miraval war ein provencalischer Troubadour, der um 1200 lebte, und in seinen Liedern/Gedichten zum Widerstand gegen die Kreuzfahrer aufrief (gemeint ist der Albigenserkreuzzug gegen die Katharer, 1209-1229). Gemeinsam mit drei Brüdern besaß Miraval ein Schloss in der Nähe von Carcassonne, das ihm der Anführer jenes Kreuzzugs (Simon von Montfort) raubte. Zu seinen Gönnern zählte Graf Raymond VI. von Toulouse, mit dem ihm eine enge Freundschaft verband, auch der Graf war ein Freund der schönen Dichtkünste.
Ich stelle eines seiner Liebesgedichte zuerst auf "roman" ein, damit man sich mal ansehen kann, wie man früher auch in Deutschland in Hofkreisen sprach.

D`Amor es totz mos cossiriers
Perqu`ieu no cossir mas d`Amor ...
Que d`Amor mou, qui qo`o dia
So que val mais a foudat e a sen
E tot quant hom fai per Amor es gen ...


Alle meine Gedanken gelten der Liebe.
Liebe ist meine ganze Sorge.
Denn aus der Liebe, was man auch sagen mag,
kommt das Wertvollste,
das sowohl in der Verrücktheit
als auch in der Weisheit liegt.
Und alles, was man aus Liebe macht, ist gut ...
 
5. Januar 2016
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Ich fahre mal fort mit Raimbaut de Vacqueyras, einem sehr bekannten südfranzösischen Troubadour aus dem 12. Jahrhundert, der auch in Italien wirkte, wo er Dante und Petrarca beeinflusst hat.

Hier das vollständige Gedicht
L`alba - Die Morgendämmerung

Sei wachsam, Wächter des Kastells,
solang das Allerbeste, Allerschönste
bei mir ist: bis zur Dämmerung.
Danach kommt gnadenlos der Tag.
Ein neues Spiel
vertreibt die Dämmerung, ja, die Dämmerung.

Spähe, Freund, und wache, schreie, brülle!
Ich bin so reich, hab alles Meist-Begehrte
und bin doch feind der Dämmerung.
Die Schwermut, die der Tag uns antun wird,
bedrückt mich
mehr als die Dämmerung, ja, die Dämmerung.

Du Wächter auf der Zinne, hüte dich
vor deinem eifersüchtigen bösen Herrn.
Der missbehagt uns ärger als die Dämmerung.
Hier unten sprechen unsere Herzen.
Doch Angst
macht uns die Dämmerung, ja, die Dämmerung.

Leb wohl, ich kann nicht länger bleiben,
muss widerwillig von dir gehn, Geliebte.
Wie peinigt mich die Dämmerung!
Wie weh tut ihr Erscheinen!
Überlisten
will uns die Dämmerung, ja, die Dämmerung.

Raimbaut_de_Vaqueiras_-_BN_MS_fr_12473.jpg
 
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Ich fahre mal mit Peire Vidal fort, den ich in einem meiner Historischen Romane wieder zum Leben erweckt habe: Vidal war ein Kürschnersohn aus Toulouse, lebte im 12./13. Jh.
Er bereist ganz Europa, nennt sich Hofritter des Königs von Kastilien, schließt sich dem Kreuzzugsgefolge Richard Löwenherz` an, vermählt sich auf der Reise mit einer Griechin, von der er annahm, es sei die Tochter des byzantinischen Kaisers. :D

Tja, die Frauen, sie hatten es ihm angetan. Er liebte heiß Na Loba, die Wölfin, die Frau des Jordan von Cabaret (engster Vertrauter des Trencavel). Um ihr zu imponieren, verkleidet er sich eines Tages als Wolf. Na Loba reitet mit Ehemann und höfischem Gefolge zur Jagd.
Wie die Sache ausgeht ... Na ja, es fließt Blut.

Hier sein Canso vom Glück der Heimkehr:

Pos tornatz sui en Proenca et a ma domna sap bon
bin dei far gaya chancon ...


Zur Provence kehrt ich wieder und, weil es die Herrin freut,
bring ich voller Dankbarkeit ihr das Lachen meiner Lieder;
denn wer treu sich vorgesetzt, edlem Dienste sich zu weihn,
tauscht auch edle Gaben ein, wenn geziemend er sie schätzt:
drum erkühn auch ich mich jetzt.


peirevidal.jpg
 
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