Rezension (5/5*) zu 1933 war ein schlimmes Jahr: Roman von John Fante.

Atalante

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20. März 2014
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Buchinformationen und Rezensionen zu 1933 war ein schlimmes Jahr von John Fante
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„Der Arm weiß, wo’s langgeht“

1933 war ein schlimmes Jahr muss man lesen! Zum einen droht angesichts grassierender Potentatitis auch das Jahr 2017 so zu werden. Zum anderen stellt John Fante (1909-1983) das Schicksal von Einwanderern in den Mittelpunkt seines Romans.
Der in Colorado geborene Schriftsteller aus einer Familie italienischer Migranten kannte deren Träume und Sehnsüchte ebenso so gut wie das Gefühl des Fremdseins in einem anderen Land. Diese universellen Themen der Migration bestimmen seit jeher die Geschichte der Menschheit, die durch permanente Ein- und Auswanderung erst richtig in Schwung kam und kommt. Darüber lohnt es sich nachzudenken. Einen guten Anstoß bietet dieses schmale, vom Blumenbar Verlag in Signalgelb getauchte und von Alex Capus übersetzte Buch.
Capus, der auch andere Werke Fantes ins Deutsche übertragen hat, ist nicht nur ein Kenner dieses Schriftstellers. „Fante war der Held meiner Jugend“ bekennt er im Nachwort. Damit ist er ganz nah dran an Bukowskis „Fante was my God“. Bukowski wurde in den 70er Jahren auf Fantes Werk aufmerksam und verhalf ihm zu Neuauflagen und Erstveröffentlichungen. Dazu zählte auch „1933 war ein schlimmes Jahr“, was man im umfangreichen Nachwort Capus’ vergeblich sucht. Dafür lässt sich manch anderes, aber auch Überflüssiges wie Details von Fantes Krankheitsgeschichte, erfahren.
Als Sohn italienischer Einwanderer wuchs John Fante in Boulder auf, suchte als junger Mann in Los Angeles sein Glück und fand es, wenn man dies am finanziellen Erfolg misst, nicht mit seinen Romanen, von denen viele erst von Bukowski aus der Schublade gekramt wurden, sondern mit dem Verfassen von Drehbüchern. Die acht Romane, so Capus, spiegeln, wie Handlungsorte, Figuren und deren Konflikten zeigen, Fantes eigene Erfahrungen.
Den vorliegenden Roman hat er allerdings erst im Jahr 1963 mit 54 Jahren verfasst. Die Einsichten eines erfahrenen Menschen merkt man dem Buch an, denn die Gedanken des 17-jährigen Ich-Erzählers sind aufbrausend, skurril, empfindsam, bisweilen aber auch weise.
Das größte Pfand dieses Dominic Molise ist sein Arm, dessen Schlagkraft ihn trotz geringer Körpergröße zum begehrten Pitcher der örtlichen Baseball-Mannschaft macht. Der Arm könne ihn gross machen, meint Ken Parrish, sein bester Freund, Sohn des reichsten Mannes von Roper. Dieser besitzt eine Eisenwarenhandlung, während Doms Vater nur einen alten Betonmischer hat, der ihm seine Existenz als Mauerer sichert. Kens Familie residiert in einer Villa mit Pool, die Molises hausen mit Großmutter und vier Kindern auf engstem Raum. Auch das treibt den Vater abends aus dem Haus.
In schnellem Tempo schildert der Pubertierende seine widerstreitenden Gefühle. Er spürt Verzweiflung und Wut über seine Situation, sein Aussehen, das mangelnde Geld, das Verhalten der Erwachsenen. Gleichzeitig empfindet er Empathie, er hat Mitleid mit der aus ihrer Heimat herausgerissenen Großmutter und mit seiner Mutter, die sich im Glauben tröstet. Sogar den Hang des Vaters zu Billard, Frauen und Alkohol versteht er, schließlich wird der es nie schaffen und immer der arme Maurer bleiben. So will Dom nicht enden. Er hat seinen Traum, die Baseballkarriere, zu der ihm der Arm verhelfen wird. Sein „gesegneter, heiliger, (...) von Gott gegebener Arm“ ist seine Hoffnung und Baseball seine Zukunft.
Dom will raus, raus aus Roper, raus aus der Armut, raus aus diesem Leben. Er hat nichts mehr, was ihn hält, auch nicht Dorothy, Kens attraktive, ältere Schwester, die ihn bis zum Übergriff provoziert. Kens Idee sich als Pitcher bei den Colorado Cubs zu bewerben, scheint perfekt, würden ihm nicht 50 Dollar fehlen.
Mir gefällt der schnelle Ton und die Sprache, die Fante seinem Helden gibt. Sie spiegeln den jugendlichen Tatendrang seines Erzählers wie dessen Ambivalenz zwischen Geborgenheit und Aufbruch. Seine Gedanken zeigen seine verletzliche Seite. Besonders wenn Fante für sie poetische Metaphern wählt, wie „Ihre verstörte Seele flatterte hinter ihr her wie ein zerschlissener Brautschleier“. Die Zwiegespräche mit dem Arm, dem Alter Ego Doms, zeigen sein Ringen mit sich selbst.
Neben dem eigenen Stil sind es die unerwarteten Wendungen, die den Roman auszeichnen. Manche gehen bis an die Grenze des Kitschs, doch kurz davor kriegen sie, genauso wie Dom, noch die Kurve.