Genre Leserunde Gegenwartsliteratur - ab 05.05.16

Helmut Pöll

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Bei mir wird es das sein:
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McEwan ist eine sichere Bank.
 

Buchplauderer

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Ich muss diesmal leider passen, lese gerade einen Krimi und eine Biografie, mehr geht zeitlich nicht!
Aber allen, die dabei sind, wünsche ich "Schöne Lesestunden"!
 

ManfredsBücherregal

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Ich werde im Rahmen der Leerunde folgendes Buch lesen.

Eigentlich glauben alle Filippo ist in Stanford und studiert BWL. Doch der hat schon schnell keine Lust mehr auf den Leistungsdruck und den Karrierewahn der anderen. Filippo steigt aus und beginnt ein neues Leben als Schäfer. Als seine Eltern davon erfahren mach sie sich auf den Weg zu ihm nach Stanford.
 

Querleserin

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Buchinformationen und Rezensionen zu Frau Müller hat nicht die Absicht, mehr zu bezahlen von Natalka Sniadanko
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Bin noch auf den letzten Seiten dieses Romans, das passt zur Gegenwartsliteratur.
 
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Querleserin

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Wadern
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"Heute früh wurde in der Salzstraße neben dem Haus Nummer 5 die Leiche einer Frau gefunden, die sich aus einem Fenster des dritten Stocks gestürzt hat. Zuvor hatte sie die Wohnungsinhaberin, die zweiundneunzigjährige Hanna Kopyryz, vergiftet", las Chrystyna auf der ersten Seite der Zeitung, die auf dem Küchentisch lag. "Ersten Ermittlungen zufolge handelt es sich bei der Toten höchstwahrscheinlich um ein illegale Migrantin aus der Ukraine, die zweiunddreißigjährige Solomija Krawez. Sie war die Pflegerin des Opfers."

Solomija Krawez teilte sich mit Chrystyna ein Zimmer. Noch gestern Morgen hatten sie sich beim Frühstück unterhalten. (S. 7)
Das ist der furiose Beginn des Romans und erst ganz am Ende scheint sich die Situation aufzulösen. Mir fehlen noch ca. 40 Seiten und noch weigert sich Chrystyna nach Hause zu gehen, um etwas über Solomijas Tod herauszufinden.


Chrystyna uns Solomija stammen aus der Ukraine, aus Lwiw, und haben in einer Musikschule zusammen gearbeitet, und als diese geschlossen hat, sich entscheiden das Land zu verlassen. Eine Bekannte rät ihnen nach Athen zu gehen, da sie selbst dort Arbeit gefunden hat.

Zunächst erfahren die Leser/innen, dass Chrystynas Arbeit als Putzfrau arbeitet, wobei sie die Schuldgefühle eines Ehepaares, die es als Unternehmer zu Geld gebracht haben, ihr gegenüber auf sehr treffende Art und Weise analysiert:

Jetzt schafften sie es irgendwie, ihre postproletarische Solidarität mit dem Stolz frischgebackener Unternehmer zu vereinbaren ebenso wie den Drang, sich etwas zu leisten, was früher unerreichbarer Luxus gewesen war, mit dem Versuch zu vereinen, denen gegenüber loyal zu bleiben, für die jedweder Luxus immer noch unerreichbar war. Das wäre sicher einfacher gewesen, wenn ihre Putzfrau nicht Chrystyna gewesen wäre, die ein Musikstudium absolviert und jahrelang unterrichtet hatte, sondern ein rustikale Frau vom Lande. (S. 11)

Dann erst wird der Weg der beiden Frauen von Lwiw aus nach Berlin geschildert.

Der Roman erzählt, wie demütigend die Erfahrung für die beiden ist, vor der polnischen Botschaft anzustehen, und der Willkür der Beamten ausgesetzt zu sein. So kommt es,dass Chrystyna erhält zuerst allein ein Visum für Polen, von wo aus sie nach Berlin gelangt.

Dort wird sie auf dem Weg zum Flughafen von der Anwältin Eva angefahren, die sich um illegale Einwander/innen kümmert. Chrystyna, die ihren Flug verpasst, beschließt in Berlin zu bleiben, wo sie zunächst als Pflegerin arbeitet und später auch als Putzfrau. Erst ein Jahr später kommt ihre Freundin Solomija nach.
Solomija, die aufgrund ihrer erotischen Ausstrahlung, Probleme hat, als Kindermädchen zu arbeiten, findet schließlich eine Stelle als Pflegerin bei Hanna Kopyryz, die ihre Lebensgeschichte Solomija erzählt und die in den Roman eingebettet ist. Hannas Leben ist bestimmt von der deutschen Besatzung der Ukraine im 2. Weltkrieg, dem Zerriebenwerden zwischen den Russen, den Partisanenkämpfern und den Besatzern. Obwohl sie ihr Leben gerafft wiedergibt, wird die Grausamkeit, mit der sie konfrontiert wurde, erfahrbar.
Ihr Sohn Stefan, inzwischen deutscher Staatsbürger, bietet Solomija die Ehe an, damit sie legal in Deutschland bleiben kann. Bevor die Leser/innen ihre Entscheidung erfahren, springt der Roman zurück zur Ausgangssituation und Chrystyna möchte nicht von ihrer Putzstelle nach Hause gehen, damit das Unfassbare - der Tod Solomijas nicht wahr wird.

Der Roman zeigt meines Erachtens die Schwierigkeiten in einem fremden Land heimisch zu werden - am Beispiel verschiedener Figuren wie Hanna, die erst im Alter nach Deutschland kommt und mit dieser Lebenswelt nicht zurecht kommt. Aber auch viele kleinere eingebettete Geschichten beleuchten immer wieder die Situation der Migranten und die damit verbundenen Hürden. Ein Roman, der in die Zeit passt und dessen sympathische Protagonistin durch den Roman trägt.
 

Helmut Pöll

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Wenn der Autor nicht #ian mcewan wäre, dann hätte ich das Buch sicher nicht gewählt. Kindesentführung ist ein hartes Thema. Das nur vorweg.

McEwan ist nicht einverstanden damit, wohin sich England entwickelt hat. Ganz und gar nicht. Sein Buch beginnt mit einer Bestandsaufnahme der Lebensverhältnisse in London. Da sind bettelnde Kinder inmitten einer pulsierenden Weltstadt, die so abgebrüht sind wie andere oft nach einem ganzen Leben nicht. Da sind Besitzer viktorianischer Innenstadthäuschen, deren größte Lebenssorge zu sein scheint die richtige Wahl aus den Angeboten des Überflusses zu wählen.

Die Politik, die die Dinge eigentlich regeln sollte, kreist in unzähligen Ausschüssen um sich selber und kumuliert von Tag zu Tag ihre Unfähigkeit, während das Chaos, der unkontrollierte Egoismus der vielen, auf der Straße Fakten schafft. Einer der Agierenden im Parlament, Lord Parmenter, wird in seiner vornehmen, aber letztlich wirkungslosen Arbeitsweise als "Plumplori" bezeichnet, als exotischer Affe mit großen Augen, als ein Tier, das sich langsam bewegt und den ganzen Tag schläft. -> Plumplori

Das, was früher das Gemeindehaus war, scheint nach McEwans Wahrnehmung in London der Supermarkt geworden zu sein, der einzige Ort, an dem die unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppierungen noch eine Schnittstelle haben.
[zitat]junge Mütter, abgemagert vor Erschöpfung, die Lippen um Zigaretten gepreßt, verloren an der Kasse manchmal die Nerven und verdroschen ihre Kinder.[/zitat]
Das ist im Grunde in wenigen Worten die Beschreibung einer gesellschaftlichen Apokalypse, wo es dann auch nicht mehr wundert, dass in diesem Alptraum Kinder spurlos verschwinden können.
 
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parden

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13. April 2014
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www.litterae-artesque.blogspot.de
Da ich in den vergangenen Tagen kaum zum Lesen gekommen bin, beginne ich die Leserunde entgegen meiner Ankündigung weiter unten mal mit diesem Buch. Etwa die Hälfte ist gelesen, und ich bin ein wenig ernüchtert. Aussagen zum Buch wie:
[zitat]"Humorvoll und temporeich erzählt Somer vom prallen Leben hinter den Backsteinen. Das tut er (…) wunderbar unterhaltsam und spielerisch." Tanja Ochs, HEILBRONNER STIMME[/zitat]
haben mich etwas anderes erwarten lassen als das Buch tatsächlich bietet. Der Goldfisch spielt eher eine Nebenrolle, und nicht er ist es, der in das Leben der Bewohner blickt, sondern der Leser. Dabei ist es aber kaum einmal humorvoll, sondern oft eher trocken und etwas bemüht philosophisch. Da habe ich schon mal einen besseren Hochhausroman gelesen... Mal sehen, ob das Buch hier letztlich an das von Aravind Adiga herankommt - ich fürchte: nein...