Witwe im Wahn: Das Leben der Alma Mahler-Werfel

Buchseite und Rezensionen zu 'Witwe im Wahn: Das Leben der Alma Mahler-Werfel' von Oliver Hilmes
5
5 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Witwe im Wahn: Das Leben der Alma Mahler-Werfel"

Format:Taschenbuch
Seiten:480
Verlag: Btb
EAN:9783442734115

Rezensionen zu "Witwe im Wahn: Das Leben der Alma Mahler-Werfel"

  1. 5
    29. Sep 2020 

    Was für eine schreckliche Frau!

    Nachdem ich vor kurzem den Roman „ Der letzte Satz“ von Robert Seethaler gelesen habe, dachte ich, nun wäre es Zeit für dieses Buch, das schon einige Jahre im Regal steht.
    Oliver Hilmes, promovierter Musikwissenschaftler, hat einige Biographien verfasst, u.a. über Liszt und Cosima Wagner. In diesem, 2004 erschienenen Buch geht es um die „Femme fatale“ des frühen 20. Jahrhunderts. Alma Mahler- Werfel, einst „ das schönste Mädchen Wiens “, verheiratet mit Gustav Mahler, Walter Gropius und Franz Werfel. Die Liste ihrer Liebhaber ist um einiges länger und auch hier finden sich viele berühmte Zeitgenossen, wie z.B. Oskar Kokoschka.
    Wer war diese Frau? Worin lag ihre Anziehungskraft und was zog besonders jüdische Künstler zu dieser bekennenden Antisemitin? Um den Antworten auf diese Fragen näher zu kommen, hat Oliver Hilmes viele neue Quellen ausgewertet, u.a. unveröffentlichte Briefwechsel und Tagebuchaufzeichnungen Almas, die nicht zur Veröffentlichung bestimmt waren. Manchmal fühlte ich mich wie ein Voyeur; wollte ich das alles wirklich so genau wissen?
    Hilmes erzählt sehr detailreich, mit vielen Originalzitaten und liefert einiges an Bildmaterial. Er geht chronologisch vor, von ihrer Geburt in Wien im Jahr 1879 bis zu ihrem Tod in New York 1964.
    Almas ganzes Leben wirkt auf mich wie eine ständige Selbst- Inszenierung. Sie sah sich selbst als künstlerische Muse, die Künstler inspiriert und fördert. Das stimmt in gewisser Weise. In ihren Häusern trafen sich die berühmtesten Künstler der Zeit: Elias Canetti, Arthur Schnitzler, Kandinsky, Klimt, Gerhard Hauptmann und viele mehr. Im Exil in den USA waren beinahe alle Mitglieder der Familie Mann Gast in ihrem Haus, ebenso Lion Feuchtwanger und Friedrich Torberg. Mit Remarque verband sie eine intensive „ Saufgenossenschaft“, wie sie es nannte. Alma konnte geistreich und witzig sein, aber genauso böse und vulgär.
    Ihre Affären und Liebesbeziehungen liefen meist nach dem gleichen Muster ab - ein Wechselbad zwischen Anziehung und Abscheu. Mal schwelgt sie pathetisch in großen Gefühlen, um gleich danach das Objekt ihrer Begierden zu demütigen und zu quälen. Bei Mahler und Werfel kommen noch ihre antisemitischen Vorurteile hinzu.
    Sogar bei ihren Kindern macht sie hier Unterschiede. Die Tochter Anna Mahler bezeichnet sie oft als „ Mischling“, während Manon Gropius als „ arischer Engel“ angebetet wird.
    Alma ist eine schreckliche Ehefrau ( „ Wer Alma Mahler zur Frau hat, muss sterben“ schrieb Claire Goll) und eine schlechte Mutter. Die Kinder sind ihr oft lästig oder Mittel zur Inszenierung. Als ihr Sohn Martin ( während der Ehe mit Gropius gestorben, aber ein Sohn Werfels ) einige Monate nach der Geburt stirbt, war sie in Berlin bei irgendwelchen Events. Auf Beerdigungen ging sie grundsätzlich nicht, nicht auf die ihrer Kinder ( drei starben relativ früh ), nicht auf die ihrer Ehemänner.
    Was für eine Frau! Berechnend, manipulativ und intrigant und trotzdem lagen ihr die Männer zu Füßen. Die Gründe dafür sind mir immer noch nicht ganz klar.
    Trotzdem kann ich diese Biographie empfehlen. Sie ist informativ, schonungslos und sehr gut lesbar. Oliver Hilmes schildert hier nicht nur das Leben einer sehr ungewöhnlichen Frau, sondern gibt einen guten Einblick in die Zeit- und Kulturgeschichte des frühen 20. Jahrhunderts.

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