Wetterleuchten im Roussillon

Buchseite und Rezensionen zu 'Wetterleuchten im Roussillon' von Philippe Georget
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4 von 5 (2 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Wetterleuchten im Roussillon"

Diskussionen zu "Wetterleuchten im Roussillon"

Format:Taschenbuch
Seiten:480
EAN:9783548286150

Rezensionen zu "Wetterleuchten im Roussillon"

  1. Spannung mit geschichtlich-politischem Hintergrund

    Gilles Sebag kehrt aus dem Urlaub zurück und schon hat er seinen ersten Fall. Ein alter Herr wird in seiner kargen Wohnung ermordet aufgefunden. Routine – wenn es nicht ein Art Bekennerschreiben gäbe: die Buchstaben OAS sind auf die Türe geschrieben.
    Dann bittet ihn seine Tochter noch um Hilfe: ein Mitschüler wurde auf seinem Roller überfahren, für die Polizei ein klarer Unfall ohne weiteren Ermittlungsbedarf, damit wollen sich aber die Eltern und Mitschüler nicht abfinden. Auch da ermittelt Sebag sozusagen nebenbei, obwohl ein zweiter Mord mit den gleichen Kennzeichen seine ganze Aufmerksamkeit fordert. Allein durch die drei Buchstaben ist schon das Thema vorgegeben, die OAS war eine Guerillaorganisation, die gegen Ende des Algerienkriegs für ein französisches Algerien kämpfte und sich dabei aller terroristischen Mittel bediente. Heckenschützen, Massenmorde, Überfälle auf arabische Familien und Banküberfälle zur Finanzierung des Kampfes. Im heutigen Frankreich will sich niemand so recht dieser Zeit erinnern, die Pied-Noirs – so werden die in Algerien geborenen Franzosen gern abschätzig genannt – pflegen die Erinnerungskultur und wollen die untergegangene Zeit für ihre Kinder und Enkel lebendig halten.
    In Rückblenden führt uns der Autor ins Algerien der 50iger – 60iger Jahre. Das Land wird von Unabhängigkeitsunruhen erschüttert. Frankreich, das Mutterland, ist bereit die Kolonie aufzugeben. Das empfinden die Kolonisten als Verrat, schließlich haben sie über Generationen das Land aufgebaut und zu Wohlstand gebracht. Frankreich selbst haben die wenigsten von ihnen kennengelernt. Hier wird der Grundstein zu den Morden Jahrzehnte später gelegt. Es ist ein interessanter Exkurs in die französische Geschichte, die hier den Hintergrund zu diesem kenntnisreichen Krimi bilden. Wer bereit ist, sich auf solche Hintergründe einzulassen, wird sich ausgesprochen gut unterhalten fühlen. Sebag ist ein Ermittler der neuen Schule, er fühlt sich ein, lässt niemandem seine Überlegenheit spüren und hat immer auch Empathie für Opfer und Täter gleichermaßen. Grade so eben schrammt er am Softie vorbei, hat er doch den Verdacht, seine Frau Claire wäre untreu, aber da schiebt er eine Aussprache ständig vor sich her. Diese kleine Sorge zieht sich wie ein Runing Gag durch den ganzen Krimi und ist eigentlich ziemlich überflüssig.
    Mein Fazit: Wer sich gern mit Anspruch im Krimi unterhalten lassen möchte und nicht nur die schnelle atemberaubende Spannung sucht, ist hier genau richtig.

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  1. 4
    20. Jun 2015 

    Alte Kampfgenossen

    Nach dem Urlaub muss Inspecteur Gilles Sebag seiner Tochter beistehen, während sie einen ersten schweren Gang antritt. Ein Schulkamerad des jungen Mädchens ist bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen und wird nun zu Grabe getragen. Auf Wunsch seiner Tochter will sich Sebag den Unfallhergang noch einmal genauer anschauen. Kaum wieder im Kommissariat steht jedoch eine Mordermittlung an, die wichtiger ist. Ein alter Mann ist erschossen worden und es scheint Verbindungen zur Gemeinschaft der Algerien-Franzosen zu geben. Doch wer kann da mehr als 50 Jahre nach der Unabhängigkeit Algeriens noch ein Interesse daran haben, einen Mord zu begehen.

    Mit der recht plastischen Schilderung des Mordes an einem alten Mann startet dieser Kriminalroman, der dann mit sich eher langsam entwickelnden Ermittlungen weiter voranschreitet. Inspecteuer Sebag, der sich bisher kaum mit diesem Teil der französischen Vergangenheit beschäftigt hat, erteilt sich selbst und dem Leser eine kleine Geschichtsstunde und müht sich die Zusammenhänge zu verstehen. Welche Auswirkungen hat die Vergangenheit auf die Gegenwart, konnten die Menschen nicht loslassen. Doch ein Mitglied erklärt es recht gut, der Schmerz und die Sehnsucht hält die Gemeinschaft zusammen und er darf deshalb nicht vergehen. Doch welcher Schmerz treibt den Mörder an. Gilles Sebags Spürsinn beginnt zu arbeiten, wobei er auch den Wunsch seiner Tochter nicht außer Acht lässt. Doch oft genug wird er abgelenkt von seinen Eifersuchtsanfällen. Noch immer rätselt er, ob seine Frau eine Affäre gehabt haben könnte. Noch immer wagt er es nicht, direkt zu fragen, aus Angst der Verdacht könnte sich bestätigen.

    Ein gewiefter Ermittler dieser Gilles Sebag, der seine Kollegen so manches Mal verblüfft und zur Verzweiflung bringt, da er mit seiner Intuition häufig schneller ist und Antworten parad hat, die die anderen in mühsamer Kleinarbeit gefunden haben. Ein sehr interessanter Krimi mit einem geschichtlichen Hintergrund, die dem Leser eine Thematik näher bringt, die hier vermutlich ebenso in Vergessenheit gerät wie in Frankreich oder sogar mehr noch, da keine direkte Betroffenheit besteht. Ein eher ruhiger Handlungslauf, der dennoch fesselt, lesenswert.

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