Verlorenes Vernègues

Rezensionen zu "Verlorenes Vernègues"

  1. 4
    24. Jul 2020 

    Wolfsgericht

    Es ist Winter in der Provence. Captaine Roger Blanc hätte nicht geglaubt, dass es so kalt werden kann. Es ist jederzeit mit Schnee zu rechnen. Nachdem es jetzt über ein halbes Jahr her ist, dass er in die Provence versetzt wurde, ist es sein erster Winter hier. Die Tage sind ruhig. Doch eines Abends kommt die Nachricht, dass Wölfe mehrere Schafe gerissen haben sollen. Obwohl eigentlich nicht zuständig, übernehmen Blanc und Tonon den Fall. Es wird sich wohl nur um eine kurze Ermittlung handeln, schließlich sind noch nie Wölfe in der Gegend gesichtet worden. Am Ort des Geschehens stellt sich die Sache doch recht unheimlich dar.

    In seinem siebten Fall bekommt es Capitaine Roger Blanc mit einer Urangst der Menschen zu tun, der Angst vor dem Wolf. Die Menschen in der Umgebung meinen, dass die Wölfe zu viele Tiere töteten. Wie lange mag es dauern bis sie einmal einen Menschen erwischen? Doch die Tiere stehen unter Naturschutz und die ortsansässige Försterin versucht, die Bewohner des Ortes zur Vernunft zu bringen. Denen jedoch reicht die Entschädigung nicht, die sie für die toten Schafe erhalten. Der Wolf muss getötet werden, bevor er schlimmeres anrichtet. Und so gestaltet sich der vermeintlich einfache Fall doch schwieriger. Es gilt nicht nur, aufzuklären, wie der Wolf ins Tal kam, nein, es müssen auch die Menschen davon abgehalten werden, erst richtiges Unheil anzurichten.

    So ein gut durchdachter und dabei doch leicht zu lesender Krimi ist gerade das Richtige für einige laue Sommerabende. Da stört es auch nicht, dass die Handlung im Winter angesiedelt ist. Vielleicht erhöht ein kühles Getränk noch die Urlaubsstimmung, in die einen das Buch versetzt. Besonders in diesem Jahr, wo es mit dem echten Urlaub nicht so weit her ist, bietet dieser Roman eine schöne Ablenkung. Das Wiederauftauchen der Wölfe ist ein spannendes Thema, dass nicht nur in Frankreich immer häufiger auf der Tagesordnung steht. Interessant, wie unterschiedlich die Menschen damit umgehen. Vom Aberglauben bis zur Vernunft ist alles dabei. Das Setting zwischen alten Häuserruinen trägt ein Übriges dazu bei, einem einen Schauer über den Rücken zu jagen. Und das nur, um im nächsten Moment erstaunt zu sein, wer sich nächtens alles so im dunklen Wald herumtreibt. Alles in allem ein packender Krimi, der gekonnt aus dem Alltag entführt.

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  1. Die Wölfe kehren zurück

    Das alte Vernègues ist nach einem Erdbeben eine Geisterstadt. Die Menschen haben sich längst eine neue Siedlung gebaut und doch geht von den Ruinen eine geheimnisvolle Faszination aus. Eine Seismologin streift regelmäßig durch die Ruinen, genau wie ein Ufologe, der hier seltsamen Lichterscheinungen nachgeht.

    Aber auch Wölfe scheinen in diesen Teil der Provence zurückgekehrt und versetzen Bauern und Schäfer in Schrecken. In einer winterkalten Nacht wird Capitaine Blanc und sein Mitarbeiter Tonon ins alte Vernègues gerufen. Ein Schäfer meldet den Verlust von 12 Schafen, allesamt von einem Wolfsrudel gerissen. Sofort schließen sich die Jäger zusammen, die Wölfe müssen ausgerottet werden. Die schießwütigen Jäger machen Blanc mehr Angst als die Wölfe.

    Der Krimi beginnt sehr gemächlich, aber auch stimmungsvoll. Rademacher erzählt viel über die Konflikte von Mensch und Wolf, lässt die Urängste bei den Menschen begreiflich werden. Mit einer Försterin, Madame Hulot, die engagiert für die Tiere eintritt, kommt eine Gegenspielerin ins Spiel. Hulot ist vielleicht sogar ein wenig naiv charakterisiert, wirkt aber gegen das Rudel der alten Männer, die nie ohne Waffe in den Wald gehen und ihr Recht auf die Jagd vehement verteidigen, erfrischend sympathisch. Es dauert lange, bis weit über die Hälfte des Buchs, bis der erste Mord geschieht und Blanc seine Stärken als Ermittler einsetzen kann.

    Natürlich fehlt auch nicht ein machtbewußter Bürgermeister, bei dem man sofort an Vetternwirtschaft, wenn nicht gar Korruption denkt und der ständig versucht Blanc Steine in den Weg zu legen. Für ihn zählt allein die nächste Wahl, die er wie gewohnt gewinnen möchte.

    Der Krimi ist ein totaler Gegensatz zum letzten von mir gelesenen Fall Blancs, wo er fast atemlos mit seiner Affäre, der Madame le Juge, durch Arles hetzte. Überhaupt wird das Privatleben von Roger Blanc ein wenig familiärer, seine Tochter ist zu Besuch, er pflegt auch außerhalb allmählich Kontakte. Das seltsam unterkühlte, nur in einer Beziehung leidenschaftliche Verhältnis zu Aveline Vialaron-Allègre nimmt weniger Raum ein, als in früheren Bänden. Was ich durchaus positiv finde, denn ich fand diesen Handlungsstrang ein wenig ausgereizt.

    Mir hat der Krimi ganz gut gefallen, er spielt geschickt mit den Urängsten und dem Aberglauben der Menschen, bis es nach einem langen Vorlauf ein sehr schnell zur Auflösung kommt. Ich mag Rademachers Stil und auch die Einbeziehung der Provence in die Handlung. Allerdings war es für mich nicht der beste Band aus der Reihe.
    3,5 Sterne

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  1. Langer Anlauf, schnelles Ende

    1909 zerstört ein mittelschweres Erdbeeben die Kleinstadt Vernègues in der Provence. Die Überlebenden gründen ihre Stadt an anderer Stelle neu, sodass eine Geisterstadt exisitiert. Nun streifen Wölfe durch die Ruinen und reißen Schafe. Capitaine Roger Blanc und sein kleines Team werden nun zwecks Schadensaufnahme dorthin geschickt und erkennen schnell, wie aufgebracht und auch ängstlich die Bevölkerung auf das Wolfsrudel reagieren. Die Schäfer, Jäger und insbesondere der Bürgermeister des neuen Vernègues bestehen auf einem schnellen Abschuss der Tiere, die örtlliche Försterin versucht dies zu verhindern und wird prompt Opfer eines geschmacklosen Anschlags. Blanc selbst sieht die Gefahr, dass in dieser aufgeheizten Stimung wohlmöglich nicht nur die Wölfe in Gefahr sind. Also patrouilliert er des Öfteren in den Ruinen und trifft dort auf denkwürdige Gestalten, eine Ufologen, ehemals ein anerkannter Wissenschaftler, der seine Karriere seiner Marotte geopfert hat, eine Seismologin sowie einen esoterisch angehauchten Autoren, der Bücher über die Weissagungen des Nostradamus schreibt und in diesem Kontext wegen der Wölfe neues Unbill voraussagt. Dieses bleibt dann auch nicht aus, denn es sterben zwei Menschen, einer davon durch Wolfsbiss. Blanc und seine Leute brauchen viel Geduld, dieses Geflecht aus Volkszorn, Aberglauben und Gewaltbereitschaft zu entwirren.

    Für den Capitaine ergeben sich im mittlerweile siebten Roman wichtige Veränderungen in seinem Privatleben. Er versteht sich besser mit seiner Tochter, die ihm im Vorgängerroman besuchen kam. Vor allem erkennt er aber, dass seine Zeit als Standby-Liebhaber seiner Untersuchungsrichterin dem Ende entgegen geht und merkt gleichfalls, dass das Gute in Gestalt seiner Nachbarin Paulette gar nicht so fern liegt.

    Rademacher lässt sich viel Zeit bei seinem Roman, bevor der erste Mord geschieht, sind fast zwei Drittel des Buches schon gelesen. Das mag nicht Jedermanns Sache sein, aber mir gefällt diese beschauliche Art zu erzählen.

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