Taube und Wildente

Buchseite und Rezensionen zu 'Taube und Wildente' von Martin Mosebach
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4 von 5 (4 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Taube und Wildente"

Sprachgewaltig, bildstark, stimmungsvoll: Martin Mosebach, Spiegelbestsellerautor und Büchner-Preisträger, erzählt in diesem Roman einer Ehe, der zugleich der Roman eines Gemäldes ist, von Schuld und Versöhnung, Liebe und Verlust. Wie jedes Jahr verbringt die Familie Dalandt den Sommer auf ihrem Landsitz in der Provence. Die Hitze macht träge, in der Zypresse zirpen Zikaden, und jeden Morgen läuft die Hausherrin im Nachthemd durch den Garten zum Pförtnerhaus, wo der Verwalter sie erwartet. Ihr Mann ist durch eine eigene verhängnisvolle Beziehung abgelenkt. Da entzündet sich ein Ehestreit an »Taube und Wildente«, einem Stillleben aus dem 19. Jahrhundert. Was hat es mit dem zinnoberroten Punkt in seinem Zentrum auf sich, macht der es nicht zu einem modernen Meisterwerk? Aber die Frau will es verkaufen, die Spannung zwischen beiden wächst. Martin Mosebach, der menschliche Schwächen schildert wie kein zweiter, malt mit Wörtern. Ein flammender Roman über Kunst, Liebe und Verrat.

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:336
EAN:9783423280006

Rezensionen zu "Taube und Wildente"

  1. Beziehungen

    Was hält eine langjährige Beziehung zusammen? Im günstigsten Falle natürlich Liebe! Trifft das auch auf die Ehe von Ruprecht Dalandt mit Marjorie, verwitwete Bennis, Tochter von Cornelius De Kesel und Enkeltochter von Job De Kesel, dem Bergwerksbesitzer im Kongo, zu?

    Dies ist jedoch nicht die einzige Beziehung, die wir im 1. Teil in La Chaumière, dem Sommerhaus in der Provence, kennenlernen! Da gibt es noch Paula, die Tochter von Marjorie, mit Max, dem blondgelockten Studienabbrecher, der jetzt Konzertpianist werden möchte.

    Aus Deutschland sind aus dem Verlag ‚Papyrus‘ die Mitarbeiter Sieglinde Stiegle und Fritz Allmendinger angereist, als dienstbare Geister kümmern sich Anna und João dos Santos um das Haus und die Gäste, auch Jean-Pierre Schlesinger kommt in Begleitung seines stürmischen Windhundes Illouz. Ja sogar auf dem Stillleben, das diesem Roman den Namen gab (‚Tote Feldtaube und Wildente‘ von Otto Scholderer) wurden die zwei Tiere als ein sich ergänzendes Paar abgebildet, und dient noch als Auslöser einer ganzen Lawine von Vorgängen.

    Weitere Paare entdeckt der aufmerksame Leser beim Fortschreiten der Lektüre! Nur die 6-jährige Nike, die anstrengende Tochter Paulas ist ein Einzelwesen, Vater unbekannt und von der Mutter abgöttisch geliebt, von allen anderen fast gefürchtet.

    Mir gefiel die Sprache, mit der - teilweise recht bissig - die ganzen Umstände und diversen Charaktere geschildert wurden, z.B. in Kapitel 8 die Beschreibung von Max: „Bei seinem Aussehen geschah das Anbandeln ohne größeren Aufwand, nur war sein Magnetismus offenbar nicht stark genug, denn nach kurzem fielen die Mädchen von ihm ab wie vollgesogene Blutegel, ein schmerzloser Vorgang auf beiden Seiten…….‘ oder im traurigen Kontrast dazu im Kapitel 15 die Erkenntnis von Ruprecht: „Ihm war ein Mittelmaß bestimmt, im Alltag über viele Jahre hinweg auszuhalten, im Blick auf die Zukunft grau und lau.‘

    Mit meinem Faible für Beziehungspsychologie und am Analysieren hatte ich eine große Freude an den Schilderungen des Umgangs miteinander und auch an den plastischen Bild-Beschreibungen. Fazit: das Buch unterhielt mich bestens! Ungläubiges Erstaunen, Kopfschütteln und überraschende Momente wechselten sich ab (und lösten auch viel Dankbarkeit für meine eigenen Lebensumstände in mir aus)! Selbst der Schluss war sehr stimmig für mich! Fünf Sterne bekommt der Roman deshalb von mir und ich empfehle ihn wärmstens!

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  1. 3 Sterne

    Klappentext:

    „Wie jedes Jahr verbringt die Familie Dalandt den Sommer auf ihrem Landsitz in der Provence. Die Hitze macht träge, in der Zypresse zirpen Zikaden, und jeden Morgen läuft die Hausherrin im Nachthemd durch den Garten zum Pförtnerhaus, wo der Verwalter sie erwartet. Ihr Mann ist durch eine eigene verhängnisvolle Beziehung abgelenkt. Da entzündet sich ein Ehestreit an »Taube und Wildente«, einem Stillleben aus dem 19. Jahrhundert. Was hat es mit dem zinnoberroten Punkt in seinem Zentrum auf sich, macht der es nicht zu einem modernen Meisterwerk? Aber die Frau will es verkaufen, die Spannung zwischen beiden wächst.“

    Martin Mosebach hat ein ganz besonderes Gespür Menschen zu analysieren und zu beobachten mit all ihrem Handeln und Tun. Aber nicht nur Menschen - Mosebach führt den Leser gleich zu Beginn in eine recht morbide Situation. Ist das hilfreich für den Leser? Warum nicht! Gehört der Tod doch zum Leben dazu wie alles andere und diesen eigenwilligen Stil setzt Mosebach in allen Richtungen dieses Buch es fort. Egal ob Ausdruck, Grammatik und auch Rechtschreibung - alles unterliegt seinem Stil und ich muss zugeben, er fordert den Leser von den eigentlichen Regularien und Richtlinien abzuweichen und eben mal „anders“ zu denken, zu sehen. Das ist das Eine aber dann kommt ja auch noch der Inhalt dieses Werkes dazu welches man gern verstehen will. Mosebach lässt Figuren ausarten und tanzen zugleich. Mit seiner Sprache will er so viel mit den Figuren vollbringen, das es mir schwindelig wurde. Nochmal, den Faden hier nicht zu verlieren ist wahrhaftig eine Kunst! Apropos Kunst: diese kommt hier ebenfalls nicht zu knapp wie der Titel bereits andeutet. Der Titel stammt ursprünglich von dem Gemälde von Otto Scholderer „Tote Feldtaube und Wildente“. Man sollte sich die Mühe machen es in den Medien zu suchen und zu betrachten, Kunstliebhabern wird es auch so ein Begriff sein da das Bild 2018 verbrannt wurde. Was hat also dieses Bild mit dem entbrannten Streit der Hausherrin und ihrem Mann zu tun? Es ist ein besonderes Gemälde voller Feinheiten und Farbwahl aber es hat auch eine gewisse Mystik um sich und das nicht nur im Buch sondern auch in der Realität. Der Leser kann sich hierzu selbst seine Meinung bilden indem er schildert was er auf dem Bild sieht und was es mit ihm macht und dann eben mit der Geschichte hier übereinander legen. Jeder Leser wird hier anderes sehen genau wie eben mit jenem Bild! Der eine sieht den Tot, der andere sieht die Schönheit und Vergänglichkeit der Natur. Vielseitigkeit ist hier das Stichwort. Aber eben jener rote Punkt auf dem Gemälde. Dieser Punkt beschäftigte schon viele Menschen und eine Antwort wird wohl nur der Künstler selbst gehabt haben dafür. Wenn man aber mal von dem Gemälde Abstand nimmt und den Figuren im Buch zuschaut, erlebt man so vieles und wird des öfteren erschüttert sein oder gar verstört. Das Verhalten aller ist merkwürdig unterkühlt, seltsam, schwer in Worte zu fassen - genau wie das Gemälde selbst.

    Fazit: Mosebach hat mit seinem ganz eigenen Stil „Taube und Wildente“ zu Papier gebracht - münzen Sie diese Aussage einerseits auf das Gemälde und auf die Geschichte. Als Kunstliebhaber muss man aufpassen nicht in den Welten des Buches und des Bildes zu versinken. Es fällt schwer hier dem roten Faden zu folgen da eben Mosebachs Stil so anders ist als gewöhnlich. Ich vergebe gute 3 Sterne aber mehr war nicht drin.

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  1. Bitterböses Sittenbild der gehobenen Gesellschaft

    Bereits der erste Satz stimmt auf das Geschehen ein, dessen Grundthematik motivisch immer wieder auftaucht: „Grausamkeit. Zuschauen, wie etwas Schönes zerfetzt wird.“

    Marjorie De Kesel stammt aus großbürgerlichen Verhältnissen. Ihr Großvater erwarb sein Vermögen in den kongolesischen Kolonien. Es wurde vermehrt und verwaltet. Vater Cornelius gründete eine Stiftung, die sein Vermächtnis mit strenger Hand fortführt, den beiden Töchtern aber auch ein auskömmliches, arbeitsfreies Leben ermöglicht. Teil der Stiftung ist das traumhaft gelegene Anwesen La Chaumière in der französischen Provence, in dem Marjorie alljährlich ihre Sommer verbringt. Mit von der Partie sind ihr zweiter Mann Ruprecht Dalandt, angesehener Verleger eines wenig gewinnbringenden Kleinverlags, ihre Tochter Paula, deren Freund Max sowie die 6-jährige eigenwillige Enkelin Nike. Pikant: Paula bekam das Mädchen im Alter von 16 Jahren, der Vater gilt als unbekannt.

    Es ist eine kuriose Scheinwelt, die wir vorgeführt bekommen - nicht einmal der Wein zeigt Charakter. Das Anwesen wird durch das portugiesische Ehepaar dos Santos in Ordnung gehalten. Die Aufgaben des englischen Verwalters Damien Deveraux sind eher unbestimmt - in erster Linie ist er wohl der Liebhaber Marjories. In die Sommerfrische eingeladen wurden zusätzlich die Verlagsmitarbeiter Sieglinde Stiegle und Fritz Allmendinger. Was sich aus diesem Figurenkarussell entwickelt, ist eine Art bildungsbürgerliches Kammerspiel. Das Ehepaar Dalandt ist stolz auf sein ‚bescheidenes‘ Landhaus, dessen Wände mit zahlreichen wertvollen Gemälden geschmückt sind, über die man sich gerne ausführlich auslässt, um die Zuhörer zu beeindrucken. Ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerät schnell das unscheinbare Jagdstillleben „Tote Feldtaube und Wildente“, das von Otto Scholderer im Jahr 1884 gemalt wurde. Ruprecht erkennt plötzlich seine Affinität zu diesem Bild, er preist dessen außerordentliche Eleganz. Marjorie, der das Bild bislang nichts bedeutete, ermisst dessen potentiellen Verkaufserlös, weil sie Geld für eine notwendige Dachreparatur benötigt. Ein (Stellvertreter-)Kampf um die Kunst entbrennt, den keiner wirklich gewinnen kann. Das Bild wird zum Spielball der Eheleute.

    Doch dieses ist bei weitem nicht der einzige schwelende Konflikt. Die Figuren sind allesamt unsympathisch und moralisch fragwürdig. Sie leben gefühlskalt nebeneinander her, jeder ist bedacht auf seinen Vorteil. Das Ehepaar belauert, verbeißt, lügt und betrügt sich, hält nach außen aber den Schein aufrecht. Die diesbezüglichen Dialoge sind messerscharf und zum Teil sehr subtil. Mutter und Tochter verhalten sich völlig konträr zueinander, man spürt den Jahre alten, dahinter verborgenen tiefen Graben. Nicht einmal das Enkelkind Nike vermag die Herzen der Großeltern zu erreichen, was zu Aufmerksamkeit heischenden, zerstörerischen Aktionen des Kindes führt. Nach und nach offenbart sich dem Leser die Dysfunktionalität dieser dekadenten Familie, die auch ihr Umfeld fleißig mit spitzzüngigen Bösartigkeiten überzieht. Auch die Zuschauer Stiegle und Allmendinger, an deren Eindrücken und Gedanken wir gleichfalls teilhaben dürfen, passen in dieses von Misstrauen und Neid geprägte Bild. Weitere Perspektiven beleuchtet der auktoriale Erzähler. Einzig Max sowie der Schampir, ein Freund der Familie, fallen dabei aus dem Rahmen. Die Charaktere werden immer deutlicher enthüllt. Ganz offensichtlich will der Autor den Blick hinter die lieblose Fassade des großbürgerlichen Glanzes lenken.

    Mir imponiert Mosebachs höchst eleganter Sprachstil, der bestens zur Handlung passt. Die Sätze wirken vornehm und geschliffen, er findet treffende Formulierungen, die man genießen und in denen man schwelgen kann. Schreiben kann Mosebach, bei dem ich allerdings eine gewisse Altväterlichkeit zu entdecken meine – nicht nur, was die Frauenfiguren betrifft, die fast alle entweder Berufstöchter sind oder zum Dienstpersonal gehören. Konsequent wird die alte Deutsche Rechtschreibung benutzt, manches Fremdwort muss man nachschlagen und die Tatsache, dass man im Roman „telephoniert“ statt zu telefonieren, halte ich für einen bildungsbürgerlichen Fehlgriff.

    Wer belesen ist, darf sich an literarischen Verweisen von Dante bis in die Neuzeit freuen. Etwas gelangweilt habe ich mich an den Ergüssen über die Kunst des 19. Jahrhunderts. Die Handlung entwickelt sich langsam. Im Vorteil sind all jene Leser, die sich allein schon an der komplexen Sprachgestaltung sowie der außergewöhnlichen Beobachtungsgabe des Autors erfreuen können. Mosebach versteht es, Atmosphäre zu schaffen. Dabei ist die Diskrepanz zwischen der traumhaften, hochsommerlichen Kulisse und den dort agierenden Figuren mit Sicherheit gewollt. Es wird überzeichnet und übertrieben, nicht alles wirkt realistisch. Stereotype werden bedient, die die feine Gesellschaft enttarnen sollen. Irgendwie macht das Spaß, auch wenn ich den Roman nicht als Satire begreife. Man amüsiert sich als Leser über die Blasiertheit und Arroganz einer Gesellschaftsschicht, die man meist nur aus der Ferne beobachten kann. Auch die Überhöhung des eigentlich völlig unscheinbaren titelgebenden Gemäldes fasziniert bis zum Ende, wenn der Romanaufbau auf einen späten, dramatischen Höhepunkt zusteuert. Mosebach lässt interpretatorische Spielräume. Man darf nachdenken darüber, was der Autor uns sagen will.

    Auch wenn der Roman für mich hier und da manche „kunstvolle“ Länge aufwies, halte ich ihn insgesamt doch für sehr gelungen und lesenswert. Ich empfehle ihn allen, die sich nicht vom äußeren Schein einer elitären Klasse blenden lassen wollen. Der Roman ist ein eindrückliches Beispiel dafür, dass Geld allein nicht glücklich macht.

    Leseempfehlung!

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  1. Kunst und Macht

    Kurzmeinung: Die feine Gesellschaft mal wieder ...

    Schauplatz des Romans ist ein großzügiges Sommerhaus in Südfrankreich, La Chaumière genannt. Es ist eher ein kleines Gut als nur ein Sommerhaus, denn obwohl schlicht gehalten, ist es von der dazugehörenden weitläufigen Maccia umgeben. Nach dem Ableben des Eigentümers Cornelius de Kesel ist der ganze Besitz, Land, Gut, Geld, plus wertvolle Kunstsammlung an seine beiden Töchter gegangen. Das heißt, de Kesel kannte seine Pappenheimer und hat alles in eine Stiftung gegossen, seine Nachkommen sind Nutznießer, die Töchter bekommen jährlich eine großzügige Summe ausbezahlt, sind aber nicht Eigentümer und haben keinerlei Verfügungsgewalt. Ein Teil der Kunstschätze ist im Museum, ein Teil, genau festgelegt welcher, im Landhaus. Aber nur Marjorie kommt im Sommer hierher mit ihrer Entourage. Anhand eines unscheinbaren Stilllebens, eines Jagdgemäldes namens „Taube und Wildente“, das im Haus geblieben ist, entfaltet sich die spärliche, dialoglastige Handlung. 

    Wer hat die Deutungshoheit über die Kunstsammlung, die de Kesel angelegt hat, seine hochnäsige versnobte Tochter oder ihr feingeistiger Ehemann Ruprecht Dalandt? Und wer hat die Hosen an, derjenige, der das Geld (geerbt) hat oder der, der etwas darstellt in der Welt? Und was darf man sich erlauben, was hält man besser unter dem Deckel? Dass die feine Gesellschaft Leichen im Keller hat, das weiß das Personal, das sich kein x für ein u vormachen läßt. Aber vor allen anderen wahrt man den Schein. Nichts schlimmer als Gesichtsverlust. 

    Während sich Ruprecht Dahlandt, Gemahl von Marjorie de Kesel und Verleger eines hart an der Pleite vorbeischrammenden Kunstverlags, tief in das besagte Stillleben verliebt, kommen allmählich die Untiefen der illustren Gesellschaft, die sich im Sommerhaus versammelt hat, zum Vorschein. 

    Der Kommentar:
    Es ist sowohl auf den ersten wie auf den zweiten Blick schwierig, zu sagen, was für einen Roman Martin Mosebach mit "Taube und Wildente" geschrieben hat, was unter anderem auch am unergründlichen Ende des Romans liegt. Läuterung, zurück auf Null? Neuanfang? Was ist die Grundausage des Romans? Phönix aus der Asche? 

    Ist „Taube und Wildente“ eine Hommage an die Kunstszene? Oder gar das krasse Gegenteil, denn obwohl es um Kunst geht, um Kunstliebhaber und Mäzene, geht es hintergründig um reinen Snobismus und um Fassaden, für deren Aufrechterhaltung man manchen Frosch hinunter würgt. Und letztlich spielt man das urälteste Spiel der Welt, es geht um Macht, wer dominiert wen? Hier darf die Leserschaft selber urteilen. 

    Hat Mosebach seine Figuren gut charakterisiert? Wie werden Männer und Frauen dargestellt? Frauen sind herrisch, kalt und auf ihren Vorteil bedacht, auch sexuell, und Männer unterwürfig und sklavisch, aber innerlich immer auf der Flucht. „Liebe ist nur ein Wort“. 

    Mosebachs Figuren sind Skizzen, mehr nicht. Und trotzdem geht man seinem Roman auf den Leim. Er fängt mich ein. Mit seinem französischen Flair und der Hitze der Sommernächte, der Dekadenz seiner Bewohner. Mit dem Familienmotto „Was man nicht ausspricht, existiert auch nicht“, fahren sie erstaunlich gut. Nur Paula, die Tochter Marjories aus erster Ehe versucht einen halbherzigen Ausbruch. Doch Geld klebt. Man kommt nicht los davon. 

    Was nicht gefällt an „Taube und Wildente“, sind die ellenlange Dialoge, die eigentlich Monologe sind und als Informationsträger dienen für die Leserschaft. Das ist plump und verfängt nicht, zudem sind diese Dialoge merkwürdig hölzern, doch zum Glück hat Mosebach den übergeordneten Erzähler zusätzlich mit im Boot, der auflockert und rettet. Aber es sind, neben der Atmosphäre, die Leute, die mich faszinieren. Trotz ihrer Silhouettenhaftigkeit. Hier wird nichts auserzählt - und trotzdem ergeben auch die wenigen Akteure eine Art Stillleben und einen Sinn. So ist das (also): das Stillleben. Man muss aufmerksam schauen. Und immer wieder bleibt der Roman stehen wie sein Vorbild, das Jagdbild. Gesten wiederholen sich bis ins Unendliche. Stille oder Stillstand? So ein Stillleben hat doch etwas Beruhigendes. Selbst wenn es "tot" ist wie die Ente und die Taube. Etwas Ewiges.

    Ein Kunstroman. Bedarf der persönlichen Interpretation. Ich verfiel der Sprache, der Hitze, der Dekadenz und Ruperts Überhöhung des Gemäldes. Das Ende, zu unspektakulär. Aber das ist der ganze Roman, unspektakulär. Ein Stillleben itself. Kann man mögen. Muss man nicht. Ich mochte, aber ich kann jeden verstehen, der anders denkt. Am Ende habe ich sogar die belehrenden Dialoge verziehen.

    Fazit: Stillleben taugen nicht für Jedermann.

    Kategorie: Bildungsroman.
    Verlag: dtv, 2022

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