Tante Poldi und die Früchte des Herrn

Buchseite und Rezensionen zu 'Tante Poldi und die Früchte des Herrn' von Mario Giordano
4.5
4.5 von 5 (2 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Tante Poldi und die Früchte des Herrn"

Format:Broschiert
Seiten:368
EAN:9783431039481

Rezensionen zu "Tante Poldi und die Früchte des Herrn"

  1. 4
    02. Okt 2018 

    Trotz Längen letztlich überzeugend...

    Tante Poldi ist sauer: Zuerst wird ihr das Wasser abgestellt, dann auch noch der Hund ihrer Freundin um die Ecke gebracht. Kreizsacklzement! Erste Ermittlungen führen sie zum Winzer Avola. Und der ist auch noch so hammer-attraktiv, dass die Poldi nach einer heißen Nacht prompt ihre Ermittlungen vergisst. Bis am nächsten Morgen die Polizei vor Avolas Tür steht. Denn zwischen seinen Reben wurde eine Leiche gefunden, und Commissario Montana ist alles andere als erfreut, dass ausgerechnet Poldi Avola ein Alibi geben kann. Außerdem bleibt die Frage: Wer hat Giuliana getötet - und warum?

    "Namaste, Sicilia! Und leckt's mi olle am Oasch!"

    Tante Poldi, mit bürgerlichem Namen Isolde Oberreiter, hat es vor einiger Zeit von München nach Sizilien verschlagen. Inzwischen fühlt sie sich dort richtig wohl, da sie in ihrer unnachahmlich schrulligen Art rasch etliche Freundschaften geknüpft hat. Als ihr jemand das Wasser abstellt und der Hund ihrer Freundin getötet wird, erwacht erneut das Jagdfieber in Poldi - und bereits kurz nach Beginn ihrer privaten Ermittlungen stößt sie auf die erste Leiche. Die berühmte Wahrsagerin Giuliana ist ermordet worden. Und schon ist Tante Poldi mitten drin in ihrem zweiten Fall.

    Natürlich ist auch Commissario Montana diesmal wieder dabei, auch wenn es sich privat zwischen ihm und Tante Poldi eher zögerlich bis stockend entwickelt. Doch auch ohne dieses komplizierte Amore stehen die Angelegenheiten in Sachen Ermittlung auf wackeligen Füßen. Falsche Geständnisse, Spuren, die in die Irre führen, scheinbar unlösbare Geheimnisse - und jemand, der Poldi selbst offenbar nach dem Leben trachtet. Klingt spannend genug, und doch...

    Tatsächlich konnte mich dieser Fall nicht so mitreißen wie der erste Band. Nebenhandlungen zerfaserten den eigentlichen Fall, Längen schlichen sich immer wieder ein, und auch der spritzige Humor kam diesmal nur schwer in Gang. Es war schön, vielen bereits bekannten Figuren wiederzubegegnen und sie teilweise in einer erweiterten Rolle zu erleben. Und doch stellte sich bei mir immer wieder das Gefühl von Zähigkeit ein, der Wunsch, dass es endlich richtig losgehen möge.

    Lange tendierte ich zu nur drei Sternen in meiner Wertung, doch entpuppte sich das letzte Drittel endlich als das, worauf ich gehofft hatte. Die Spannung zog an, die Dialoge wurden witziger, und den Geheimnissen wurde auf den Grund gegangen. Das erwartete Hörvergnügen stellte sich endlich ein, so dass ich von dem Ende letztlich versöhnt wurde. Keine Rundum-Begeisterung diesmal, aber immerhin...

    Philipp Moog überzeugt als Sprecher der ungekürzten Hörbuchfassung (9 Stunden und 11 Minuten) einmal mehr. Gerade die original bayrisch vorgetragenen Flüche machen wieder einfach nur Spaß, aber es bereitet auch Vergnügen, den italienischen Ausdrücken zu lauschen, die da mit rollendem 'R' aus dem Lautsprecher perlen.

    Alles in allem letztlich also doch wieder ein gelungener Krimi-Unterhaltungs-Mix mit einem originellen Hauptcharakter. Schön, dass Tante Poldi zumindest noch einen weiteren Fall zu lösen hat!

    © Parden

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  1. Namaste, Leben - lecktsmialleamarsch!

    Ganz ehrlich - ich hatte sowas von keine Lust auf Tante Poldi. Null. Niente. Nüsche. Eine 60-jährige Bayerin, die nach Sizilien zieht, um sich da gepflegt zu Tode zu saufen, und dabei unversehens in verschiedene Kriminalfälle stolpert? Womöglich noch mit krachledernem Brachialhumor? Sprach mich überhaupt nicht an.

    Anfang Mai trudelte mir das Buch ganz überraschend als Rezensionsexemplar ins Haus, begleitet von einer großen Packung Kekse. Die Kekse waren sehr lecker und stimmten mich Poldi gegenüber schon etwas milder, aber Lesefieber stellte sich dennoch nicht ein. Trotzdem: ich war ihr irgendwie was schuldig (Keksschulden sind Ehrenschulden), und so griff ich fast drei Monate später dann halt doch zähneknirschend nach dem Buch.

    Tja. Drei Tage später sitze ich jetzt hier mit Bauchschmerzen in den Lachmuskeln und kann nur sagen: Namaste, Lübbe! Das Buch war echt der Brüller, und jetzt muss ich schnell noch den ersten Band nachholen und dann auf zeitiges Erscheinen des dritten Bandes hoffen. (Übrigens kann man den zweiten Band problemlos lesen, ohne den ersten zu kennen.)

    Poldi ist einfach eine Nummer für sich - eine schrille, laute, quietschbunte Nummer. Sie pflügt oft mit ausgefahrenen Ellbogen durchs Leben und lässt sich nix vorschreiben, gell? Da kann sie saugrantig werden. Wenn man ihr glauben kann, hat sie schon so einige Abenteuer erlebt, wobei das halt die Frage ist... Soll man ihr zum Beispiel wirklich glauben, dass Cher mal eine Woche bei ihr gewohnt hat? Andererseits ist des aber auch fei egal. Sie schwankt zwischen Lebenslust und Schwermut, hat koane Geduld für Schmarrn aber viel Sinn fürs Spirituelle (in jedweder Hinsicht), und obwohl sie sicher keine einfache Person ist, fand ich sie auf ihre Art doch sehr liebenswert.

    Überhaupt sind die Charaktere durch die Bank bunt und lebendig, mit urkomischen Schrullen und Marotten, und trotzdem schafft es der Autor, ihnen bei allem Humor auch Tiefe zu geben. Ob das jetzt der Pfarrer ist, der komischerweise genau weiß, wie man ein Schloss knackt, oder die traurige Signora, die sich mit ungeahntem Feuereifer als Poldis Sidekick in die Ermittlungen stürzt... Hier werden zwar auch kräftig Klischees auf die Schippe genommen, aber in meinen Augen geht dennoch jeder Charakter über das Klischee hinaus.

    Ich fand diese Mischung aus Cozy-Krimi, sizilianischem Sommerflair und bayerischem Humor unerwartet originell (und wie!), spannend, lustig, berührend...

    Jo, es ist freilich keine nervenzerfetzende Thrillerspannung. Die Poldi ist keine Smoky Barrett oder Roberta Hunter, eher eine bayrisch-sizilianische Miss Marple mit Vespa, Perücke und Alkoholproblem. Sie stolpert oft mehr zufällig über Hinweise und verrennt sich auch schon mal in Sackgassen. Für richtige Hardcore-Krimileser kommt der Mordfall vielleicht ein bisschen zu kurz, obwohl ich die Auflösung dann doch ziemlich pfiffig fand!

    Rührend fand ich, dass die Poldi zeigt, dass man mit 60 noch lang nicht zu alt ist für Amore. Auch ein altes Herz kann hüpfen... Und manchmal auch brechen! Die Liebesgeschichte folgt ma grad so gar keinem Schema, weder F noch X, Y, Z. Aber süß ist sie trotzdem, irgendwie.

    Zitat:
    "Eine deutsche Hupe, des ist immer eine Kriegserklärung, die Invasionstruppen quasi bereits an der Grenze. Eine italienische Hupe dagegen klingt wie ein freundliches Räuspern, wie ein geflötetes: »Permesso?«, oder wie ein sanftes: »Ach, Signora, würden sie wohl bitte anhalten, denn ich bin eh schon dabei, Ihnen die Vorfahrt zu nehmen, grazie, molto gentile.« (...) Wenn Romeo eine Vespa g'habt hätte, nachert hätte er seiner Giulietta unterm Balkon garantiert was vorg'hupt, und des wär fei keinen Strich weniger romantisch g'wesen."

    Der Humor war für mich eine sehr positive Überraschung, denn der ist zwar manchmal schrill und laut und oft ein bisserl albern, aber mich hat er total angesprochen - und in meinen Augen gehört er auch nicht in die Schublade "platte Schenkelklopfer". Allweil schwingt mit: Mei, schauts halt her, es is doch schee, das Leben. Das macht es zu einem wunderbaren Sommerbuch!

    Der Humor ist wahrscheinlich nicht jedermanns Sache - aber das kann man ganz einfach ausprobieren, indem man sich schnell mal die Leseprobe durchliest, denn ich denke, das merkt man sofort.

    Zitat:
    "Trecastagni ist ein verträumter Ort, auf halber Höhe zwischen Himmel und Erde, von einem freundlichen Gott mit leichter Hand an die Ostseite des Ätna zwischen alte Nebenkrater getupft. Eines der an die zwanzig Ätnadörfer, die den Berg wie eine nachlässig geknüpfte Kette umgürten, weitgehend unverschandelt, wo die Sommer mild und die Winter klamm sind. Wo man aufs Meer in der Ferne blickt wie auf einen Gutschein für eine bessere Zukunft, den man nie einlösen wird."

    Den Schreibstil fand ich fantastisch. Der Autor findet immer wieder witzige, frische Vergleiche und Formulierungen, zeigt aber auch einige Male, dass er nachdenklichere Tonarten ebenso beherrscht. Er beschwört Sizilien so lebendig herauf, so prallvoll mit Bildern, die alle Sinne ansprechen, dass man fast schon die Hitze spürt, den Wein schmeckt und Lust auf richtig waschecht sizilianische Küche bekommt.

    Fazit:
    Wenn man ein Buch geschenkt bekommt, von dem man sich quasi schon zu 99% sicher ist, dass es überhaupt nicht dem eigenen Beuteschema entspricht, dann ist das irgendwie doof. Und wenn man es irgendwann widerstrebend doch liest, dann fühlt sich das erstmal an wie früher bei den Hausaufgaben. Wenn man letztendlich aber feststellt, dass man gerade ein neues Lieblingsbuch entdeckt hat - dann kann man sich eigentlich nur freuen, still Abbitte leisten und sich vor dem Können des Autors verneigen.

    Ich verneige mich also vor Mario Giordano und seiner sturen, eigenwilligen, schrillen, lebenslustigen, unerwartet liebenswerten Tante Poldi. Ein bisschen Krimi, enorm viel Humor und eine gute Portion Urlaubsatmosphäre ergaben für mich eine Mischung, die mir sehr viel Spaß gemacht hat! Einerseits sollte man das Buch nicht zu ernstnehmen, andererseits versteckt sich aber auch die ein oder andere Lebensweisheit in seinen Seiten.

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