Still Chronik eines Mörders

Buchseite und Rezensionen zu 'Still Chronik eines Mörders' von Thomas Raab
4
4 von 5 (3 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Still Chronik eines Mörders"

Autor:
Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:368
Verlag: Droemer HC
EAN:9783426199565

Rezensionen zu "Still Chronik eines Mörders"

  1. Eine eindringliche Erfahrung

    Dieses Buch ist ein Erlebnis in vielerlei Hinsicht. Zunächst fesselt der höchst eigene Erzählstil. Knapp, treffend und plastisch werden oft nur Andeutungen des Geschehens hingetupft. Das ist fordernd aber auch eindringlich und schafft ganz viel Atmosphäre. Das Lesen nimmt mit.

    Die Geschichte selbst ist auch keine Wohlfühllektüre. Es ist die Chronik eines Mörders, von seiner Geburt bis zu seinem Tod. Karl Heidemann ist anders als andere Menschen. Hoch sensibel hört er auch das kleinste Geräusch aus weiter Entfernung, dabei mag er es still. Das kann einen schon verrückt machen.
    Hier wird ein Mörder vorgestellt mit all seinen kruden Ideen und seiner verdrehten Wahrnehmung der Welt, so plausibel, dass man ihn fast verstehen kann. Es ist eine Geschichte voller morbider Tragik, ein trauriges Psychogram und eine schicksalhafte Studie.

    Das Lesen dieses Buches ist kein Spaß, aber eine eindringliche Erfahrung, ein ganz besonderes Buch, ein Thriller, der ungewöhnlicher nicht sein könnte.

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  1. Tiefe Stille

    Das Buch Still von Thomas Raab ist zwar schlicht, aber sehr beeindruckend gestaltet. Der Text auf der Buchrückseite macht neugierig auf die Geschichte...
    .....die Geschichte des Karl Heidemann. Er wurde in Jettenbrunn geboren. Sein Vater Johann Heidemann ist selbst ein Jettenbrunner. Seine Mutter Charlotte Auböck lernte Johann im Urlaub kennen und lieben. Johann selbst ist ein eher stiller und zurückhaltender Mensch, das komplette Gegenteil seine Frau. Sie trällert geradezu den ganzen Tag hin und her. Es dauert nicht lange und Charlotte Heidemann ist schwanger, die Freude riesengroß. Doch als das Kind auf der Welt ist, schreit es ununterbrochen, will sich nicht beruhigen lassen. Charlotte versucht dem kleinen Karl Wiegenlieder vorzusingen, doch sein Geschrei wird fast noch unerträglicher. Er schläft erst, wenn sein kleiner Körper so übermüdet von den Anstrengungen des Schreiens ist, bis es gar nicht mehr anders geht. Durch eine Untersuchung die im Krankenhaus stattfinden soll, findet Johann heraus was das Problem seines Sohnes ist. Sie sind in einem Fahrstuhl, in dem es mucksmäuschenstill ist, keine Geträllert von Mama Heidemann, und siehe da, dass Kind ist ruhig und entspannt. Er hat nur ein so sensibles Gehör, dass ihn jegliche Geräusche zur Weißglut bringen. Mit diesem Wissen, richten die Eltern ihm im häuslichen Keller die Räume kindgerecht her, überwacht durch eine Kamera. So kann Karl nichts passieren, er hat seine Stille und seine Mutter kann trotzdem ein Auge auf ihn werfen. Karl entwickelt schnell gute kognitive Fähigkeiten und beschäftigt gern allein. Sehr zum Leidwesen seiner Mutter. Sie ist sehr enttäuscht, dass ihr Sohn ihre mütterliche Fürsorge ablehnt. Karl wächst so recht exzentrisch heran, ist das Gespött des Dorfes Jettenbrunn. Charlotte, einsam durch die Isolation verfällt in eine Depression. Der Arzt im Ort, Doktor hofstätter verschreibt ihr nicht nur Medikamente, er nimmt sich ihrer auch auf anderer Art an. Ein Verhältnisse entsteht, mit dem kleinen Karl als Zuhörer im Keller, der durch sein gutes Gehör sich sehr viel zusammenreimen kann, allein am Ton des Herzschlages beispielsweise. Als der Arzt an Charlottes Geburtstag die Liason beendet, fährt diese mit Karl zu einem nahegelegenen Weiher. Sie möchte von Karl hören, dass er sie mag, zieht sich aus und geht ins Wasser. Bittet ihren Jungen immer wieder ihr die erlösenden Worte zu sagen.
    Das ist im Gründe der Anfang der Geschichte. Ich möchte nicht weiter ausführen, da ich sonst von der Geschichte zu viel vorweg nehmen würde. Karl trifft im weiteren Verlauf immer wieder auf den Tod. Er entwickelt seine eigene spezielle Denkweise diesbezüglich.
    Der Erzählstil war sehr anstrengend. Im Grunde genommen war die Geschichte auch zu lang. Es wurde viel ausgeschmückt. An sich war es interessant wie Karl mit dem Tod umgeht, die Menschen für sich, für seine Mission benutzte, aber ich hätte mir mehr erwartet. Der Ermittler Horst Schubert spielt eine Rolle im Buch, der ich gern mehr Raum gegeben hätte. Die Liebe, die ja laut Buchtext eine zentrale Rolle spielen sollte, tauchte auch erst sehr spät auf. Für mich einfach zu kompliziert . Dennoch war ich irgendwie fasziniert von der Thematik.

    Buchtitel: Still - Chronik eines Mörders

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  1. 5
    30. Okt 2015 

    Anders...

    1982 wird in einem kleinen Dorf am Fuße des Kalvarienberges ein Kind geboren. Karl Heidemann, der das Glück seiner Eltern komplettieren soll, durchstößt die Stille der Dorfgemeinschaft. Er schreit. Und er hört nicht auf zu schreien. Tag und Nacht ertönt seine durchdringende Stimme, nur unterbrochen durch kurze Phasen schweißnassen und erschöpften Schlafes. Der Alptraum seiner Eltern, des ganzen Dorfes. Einzig auf dem Rücken seines Vaters, wortlos durch die Wälder getragen, kommt Karl zur Ruhe. Denn es ist endlich - still.
    Karl ist anders. Er hat eine Gabe, die sich für ihn zu einem Martyrium entwickelt. Er hat das sensibelste Gehör, das es je gab, eine Empfindsamkeit, die selbst den hauchzarten Flügelschlag eines Schmetterlings für ihn zu einer unsäglichen Qual werden lässt. Als der Vater zu begreifen beginnt, verlegt er Karls Zimmer in den ruhigen Keller. Dort wächst er auf, versorgt zwar, aber doch isoliert, denn menschliche Gesellschaft scheint ihm unerträglich. Traurig die Mutter, die ihn nicht begreift, die sich ungeliebt fühlt, keinen Zugang finden kann zu ihrem Sohn. Kein Wort kommt über die Lippen dieses seltsamen Jungen, dick, blass und schweigsam stößt er jeden ab, wirkt zurückgeblieben. Und doch ist Karl hochintelligent, begreift schnell, beobachtet, zieht Schlüsse...

    Was für ein Buch! Wer einen reinen Thriller erwaret, wird hier womöglich enttäuscht - obwohl es Tote gibt. Viele Tote. Hunderte sicherlich. Denn Karl zieht eine Schneise des Todes durch sein Leben. Doch dieses Buch ist - anders.
    Diese 'Chronik eines Mörders' bietet einen tiefen Einblick in das Leben Karl Heidemanns. Leise aber eindringlich lässt Thomas Raab den Leser eintauchen in die Welt des Jungen, lässt begreifen, beinahe fühlen, wie dieser denkt, empfindet, entdeckt. Nicht wirklich sympathisch erscheint Karl - bedauernswert, ja, aber fremd und unheimlich, und doch... Und doch entspinnt sich hier eine ganz eigene Logik, erscheint nachvollziehbar, weshalb Karl handelt, wie er handelt. Langsam, behutsam, gleitet die Geschichte voran - und damit das Leben Karl Heidemanns. Ein Tempo, das zuweilen langatmig erscheinen mag, und das doch einfach der Geschichte den notwendigen Raum gibt, sich zu entwickeln - und mit ihr Karl.

    Gerne habe ich das Schicksal Karl Heidemanns verfolgt, und aus einem Befremden wurde ein Verstehen wurde ein Berührtsein. Für mich mehr, als ich erwartet hatte, ein staunendes Überraschtsein. Die Befürchtung, womöglich Parallelen zu 'Das Parfum' von Patrick Süskind präsentiert zu bekommen, bewahrheitete sich nicht, denn auch hier ist das Buch - anders.
    Beeindruckend, nachhallend, intensiv - ein sehr tiefer Blick in eine menschliche Seele, präsentiert in einem gelungenen Schreibstil, der der unaufgeregten Geschichte eine ruhige, unaufgeregte Stimmung verleiht und doch der Intensität der Erzählung Rechnung trägt. Hier passt einfach alles zusammen.

    Ein ganz besonderes Buch, eine wirkliche Überraschung für mich, der ich gerne die volle Punktzahl vergebe.

    © Parden

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