Raumpatrouille: Geschichten

Buchseite und Rezensionen zu 'Raumpatrouille: Geschichten' von Matthias Brandt
5
5 von 5 (3 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Raumpatrouille: Geschichten"

Streifzüge im Astronautenkostüm
Dieses Buch ist eine herrliche Überraschung: Matthias Brandt zeigt mit seinem literarischen Debüt, dass er nicht nur ein herausragender Schauspieler, sondern auch ein bemerkenswerter Autor ist.
Die Geschichten in Matthias Brandts erstem Buch sind literarische Reisen in einen Kosmos, den jeder kennt, der aber hier mit einem ganz besonderen Blick untersucht wird: der Kosmos der eigenen Kindheit. In diesem Fall einer Kindheit in den Siebzigerjahren des letzten Jahrhunderts in einer kleinen Stadt am Rhein, die damals Bundeshauptstadt war. Einer Kindheit, die bevölkert ist von einem manchmal bissigen Hund namens Gabor, von Herrn Vianden, mysteriösen Postboten, verschreckten Nonnen, kriegsbeschädigten Religionslehrern, einem netten Herrn Lübke von nebenan, bei dem es Kakao gibt und dem langsam die Worte ausgehen. Es gibt einen kauzigen Arbeitskollegen des Vaters, Herrn Wehner, einen Hausmeister und sogar einen Chauffeur, da der Vater gerade Bundeskanzler ist. Erzählt wird von komplizierten Fahrradausflügen, schwer bewachten Jahrmarktsbesuchen, monströsen Fußballniederlagen, skurrilen Arztbesuchen und von explodierenden und ebenso schnell wieder verlöschenden Leidenschaften wie z.B. dem Briefmarkensammeln. Nicht zuletzt lesen wir von gleichermaßen geheimnisumwobenen wie geliebten Eltern und einer Kindheit, zu der neben dem Abenteuer und der Hochstapelei auch Phantasie, Gefahr und Einsamkeit gehören. Ein Buch, das man nicht vergessen wird.

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:176
EAN:9783462045673

Rezensionen zu "Raumpatrouille: Geschichten"

  1. Kindheitserinnerungen

    Matthias Brand erzählt in seinem Büchlein "Raumpatrouille" Geschichten aus seiner Kindheit in der damaligen Bundeshauptstadt Bonn. Wer auf Interna aus dem Kanzlerhaushalt hofft, wird nicht gut bedient, vielmehr sind es kleine Alltagsgeschichten, die in mir, nur drei Jahre jünger als Brandt, eigene Kindheitserinnerungen evozierten. Klar lebte er in gewisser Weise als Kanzlersohn abgeschottet, hatte allerdings durchaus Freiheiten, die, so fürchte ich, heutige Kanzler(innen)kinder nicht hätten. Aber die Erwähnung zahlreicher Produkte aus den frühen Siebzigern, etwa das Fußballschuhmodell "adidas La Plata" oder der Fernsehserie "Percy Stuart" (sofort hatte ich Titelmelodie und -refrain im Ohr) rufen eigenen Kindheitserfahrungen hervor. Auch die Beschreibung der Wohnung eines Freundes weckt (nicht unbedingt positive) Erinnerungen, so das Brokatverkleidete Telefon. Und wer kennt heute noch die Kästen mit 50 Zaubertricks?Eben 70er pur. Insofern ist das Buch eine interessante Zeitreise für alle, die damals ihre Kindheit erlebt haben. Und zu guter letzt wird auch die menschliche Seite des Kanzlers, die des Vaters, deutlich, der durch sein Staatsamt sicherlich wesentlich weniger präsent als andere Familienväter war.

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  1. Eine Kindheit in den 60ern

    Der kleine Matthias könnte in den 60er Jahren eine ganz normale Kindheit durchleben, wäre da nicht der Umstand, dass sein Vater der Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland ist. So lebt die Familie Garten an Garten mit dem Präsidenten im noblen Bonner Stadtteil Venusberg. Matthias wird hin und wieder eben dort zu einem heißen Kakao eingeladen. Außerdem freundet er sich mit einigen der Personenschützer an, nur um sich diebisch zu freuen, wenn er ihnen später entwischen kann um mit seinem Bonazarad den angrenzenden Wald zu durchforsten. In der Schule lebt er nach dem Motto, nur nicht aufzufallen, denn er möchte nicht im Mittelpunkt stehen und auch nicht zeigen, dass er über gewisse Privilegien verfügt.

    Matthias Brandt hat mit „Raumpatrouille“ Geschichten seiner Kindheit festgehalten, mit den kleinen Episoden, die voller Detailliebe stecken, zeigt er, welch ein brillanter Geschichtenerzähler er doch ist. Jede Kurzstory ist für sich selbst ein kleines Kunstwerk und ich kann als Leserin jede Szene vor meinem inneren Auge ablaufen sehen. Die Sprache, die der Autor verwendet ist ausdrucksstark. Der Schreibstil ist beeindruckend und Matthias Brandt kann mich mit jeder einzelnen Geschichte fesseln. Auch wenn er im Vorwort quasi offen lässt, ob das worüber er schreibt wirklich genauso passiert ist, wird doch das besondere Verhältnis zu den Eltern deutlich und von Matthias Brandt mit viel Gefühl beschrieben.

    Ich bewerte dieses Buch mit fünf von fünf möglichen Sternen und empfehle es absolut weiter. Leser, die in den 60er Jahren geboren wurden, werden viele Erinnerungen aus ihrer eigenen Kindheit wieder entdecken und wie ich darin schwelgen. Zusätzlich zum Buch ist der Soundtrack erschienen, auf der CD „Memory Boy“ von Jens Thomas hat der Musiker mit Matthias Brandt zusammen eine Songliste erstellt; für jede Geschichte ist ein Lied vertreten. Die Musik unterstützt hervorragend den Rückblick in die Zeit.

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  1. 5
    24. Okt 2016 

    Die Rolle des Kanzlersohns wird überschätzt, ist aber pointiert

    In einem Interview sagte Matthias Brandt kürzlich so ungefähr, seine Vergangenheit als Kanzlersohn werde erheblich überschätzt, er hätte eben einfach nur einen Vater mit einem komischen Beruf gehabt. Wie komisch das aus der Sicht des Kindes ist, davon erzählt Matthias Brandt in seinem Erstlingswerk, dem Geschichtenband „Raumpatrouille“ (Kiepenheuer & Witsch 2016). Wir kennen Matthias Brandt bisher vorwiegend aus dem Fernsehen als vielbeschäftigten Schauspieler, der in viele Rollen schlüpft und schlüpfen kann. Hier in seinem Buch schlüpft er in die Rolle des kleinen Matthias, der seine Kindheit in einem Haus mit seinen Eltern (Willy und Rut Brandt) verbringt, in dem die bundesrepublikanische Zeitgeschichte einen ihrer Gestaltungsmittelpunkte hat. Die Kindheit von Matthias ordnet sich in diese Umwelt ein, was immer wieder zu pointierter Situationskomik führt. Etwa, wenn sein Vater sich mühsam und ungelenk auf ein Fahrrad zwängt für eine Fahrradtour mit seinem Sohn, deren eigentlicher Zweck ein Versöhnungsgespräch mit dem Kollegen Wehner sein soll. Normale Erfahrungen des kleinen Matthias, die jedes Kind dieses Jahrgangs (Ich bin eines davon ) wohl fest in seinem Erfahrungsschatz verankert hat (wie etwa Bonanza-Räder, Jingler Jeans, Mondlandungseuphorie) paaren sich in den Geschichten von Matthias Brandt mit dem Ungewöhnlichen des „Vaters mit dem komischen Beruf“. So wird Briefmarkensammeln zu allem anderen als einem Ausflug in fremde Welten und Abenteuer, wie eigentlich geplant:
    “Die meisten der darin befindlichen Stücke zeigen die Porträts der Bundespräsidenten Heinrich Lübke oder Gustav Heinemann, Graumänner, Leute, von denen zu Hause ohnehin die Rede war, die nebenan wohnten und die ich – schlimmer noch – kannte!“
    Ein Übernachtungsausflug zu einem Schulkollegen in dessen Mietwohnung zum Wim Tölke-Abend wird zu einem Ausflug in die „behagliche Geschlossenheit einer Gedankenwelt, die ihn sofort einlullt“, da so abweichend von der häuslichen Erfahrungswelt.
    Von der aus kindlicher Sicht geschilderten Spannung zwischen kindlicher Normalität und ständigem häuslichen Ausnahmezustand, in der das Kind aber für sich nur Normalität erkennen kann, leben die Geschichten in Raumpatrouille, schaffen eine pointierte Komik und zaubern dem Leser immer wieder ein tiefes Lächeln ins Gesicht.
    Mein Fazit:
    Matthias Brandt schafft es, den ganz eigenen Kosmos seiner Kindheit in den Siebziger Jahren zu vermitteln. Für den Leser schafft er damit ein kleines Stück Literatur, das sprachlich und inhaltlich mitnimmt und überzeugen kann.
    Nachdem ich schon ein Fan von ihm als Schauspieler bin, hat er mich nun auch als Autor überzeugen können.

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