Picknick im Dunkeln: Roman

Rezensionen zu "Picknick im Dunkeln: Roman"

  1. 3
    01. Apr 2020 

    Innovativer Plot...

    Eine unglaubliche, unerhörte Begegnung, die den Bogen spannt über siebenhundert Jahre Weltgeschichte: Zwei Männer treffen sich in vollkommener Finsternis. Sie wollen ans Licht, unbedingt. Sie tasten sich voran, führen irrwitzige Gespräche und teilen die Erinnerungen an zwei haarsträubend unterschiedliche Leben. Die Männer? Stan Laurel und Thomas von Aquin. Der begnadete Komiker trifft auf den großen Denker des Mittelalters. Warum hier? Warum jetzt? Warum gerade sie beide? Genau dies müssen sie herausfinden, um endlich ans Licht zu gelangen. „Picknick im Dunkeln“ ist eine aufregende philosophische Reise, eine urkomische und todernste Geschichte über die großen Fragen des Lebens.

    Die Idee des Romans, zwei im Grunde nicht vereinbare Charaktere im Dunkeln aufeinandertreffen zu lassen, hat mich fasziniert. Was ist das für ein Ort, warum sind die beiden da - und worauf läuft das ganze hinaus? Die Neugierde war geweckt.

    "Diese Dunkelheit, diese alles verschlingende, vollkommene Dunkelheit: Wohin er sich wandte, Stanley sah nichts. Er hatte keine Ahnung, wo er sich befand und wie er hergekommen war, er kniff die Augen zusammen, als wollte er den Blick scharf stellen, aber alles, was er hätte sehen können, blieb bedeckt von äußerster Schwärze, so lichtlos, dicht und undurchdringlich, dass er das Gefühl hattte, er atme sie ein, die Finsternis, sie sickere allmählich von außen nach innen." (S. 7)

    Zumindest war schnell klar, wie gegensätzlich die beiden Personen sind, die sich hier im Dunkeln begegnen: der Komiker und der Denker, das Leichte und das Schwere, das Lachen und der Glaube, Gegenwart und Vergangenheit... Haben die beiden überhaupt etwas gemein? Nun, zumindest die Unischerheit über den Ort, an den es sie verschlagen hat, vereint die beiden Figuren. Und über den Grund hierfür.

    Markus Orths hat hier einen innovativen Plot geschaffen, in den es sich lohnt einzutauchen. Ein wenig Handlung in der Gegenwart, zahlreiche Erinnerungen und Gespräche der beiden Charaktere - daraus besteht im Kern die Erzählung. Stan Laurel und Thomas von Aquin tapsen durch die undurchdringliche Dunkelheit auf der Suche nach einem Ausgang und kommen dabei unweigerlich miteinander in den Dialog.

    "In übergroßer Helligkeit ist genauso wenig zu erkennen wie im Dunkeln."(S. 42)

    Wer wenig über die beiden Persönlichkeiten weiß, bekommt dadurch zumindest einen groben Abriss ihrer Biografie geliefert, wobei bezüglich des Lebens von Thomas von Aquin sicher einige Darstellungen der dichterischen Freiheit des Autors zuzuordnen snd. Aber der Leser erhält einen Eindruck vom Leben und Wirken der beiden Charaktere.

    Nachdenkliches und Komisches charakterisiert nicht nur die beiden Figuren des Romans, sondern hält sich auch in der Erzählung die Waage. Unterhaltsam ist beispielsweise, wenn Stan versucht, dem dem Mittelalter entstammenden Thomas zu erklären, was ein Film ist oder dass inzwischen klar ist, dass der Mensch vom Affen abstammt. Philosophisch wird es dagegen, wenn darüber debattiert wird, welchen Sinn das Lachen überhaupt hat.

    " ...freute sich Stanley auf ein neues Gespräch, auf die Antworten seines Begleiters, auf die Wärme, die in dessen Worten lag, und Stanley hatte das Gefühl, mehr noch als am Sinn der Worte hielt er sich am Klang der Stimme fest, der ihm auf seltsame Weise Mut zu geben schien, einfach weiterzugehen und auf dem Weg zu bleiben, auf diesem Weg hier, egal, was sie erwartete." (S. 125)

    Der Leser begibt sich mit den beiden in die tiefe Dunkelheit und ist während der Erzählung doch immer auch damit beschäftigt, darüber nachzudenken, wo die beiden sich denn nun befinden und worauf das ganze eigentlich hinauslaufen soll. Eigentlich bietet der Plot Ansätze für vier Sterne oder mehr, in der Umsetzung konnte mich der Roman jedoch nicht gänzlich überzeugen.

    So wurden für mich manche Fragestellungen nur recht oberflächlich angerissen, da hätte ich mir mehr Tiefe gewünscht - und vielleicht ein paar Seiten mehr im Roman. Und das Ende - tja. Mit der Auflösung konnte ich mich nicht so recht anfreunden, das war mir zu schlicht und kam auch recht überraschend. Auch wenn ich meist kein Freund von offenen Enden bin: hier hätte es für mich besser gepasst, da hätte sich der Leser über das Buch hinaus damit beschäftigen können, was es jetzt mit dem ganzen auf sich hat.

    Alles in allem vergebe ich hier gute 3 Sterne, denn ungewöhnlich ist die Erzählung allemal, interessant und unterhaltsam.

    © Parden

    Teilen
  1. LETZTLICH ZAHNLOS

    Markus Orth ist ein toller Autor. Kann ganz viel. Aber dieses kleine Büchlein - ist einfach zu klein, um ein großes zu sein.

    Beginnt man mit dem Roman „Picknick im Dunkeln“ von Markus Orth, ist man erst einmal pikiert. In einem dunklen Tunnel zu stecken, so, wie der Autor seine beiden Protagonisten platziert, ist bedrückend und man bekommt eine Art gelesene Klaustrophobie.

    Dieses Setting von Markus Orth, die völlige Dunkelheit, ist erste Sahne. Stanley Laurel und Thomas von Aquin, die einiges gemeinsam haben, wie der Leser nach und nach in splitterhaften Auszügen aus deren Leben erfährt, treffen sich im Afterlife und alles ist dunkel.

    Afterlife? Wirklich? Wo sind sie? Während Stan sein ganzes Leben durch den Kopf schießt, denkt Thomas, der große Denker seiner Zeit, nach. Durch Logik muss sich alles erschließen. Sie sind nicht direkt Zeitgenossen! Wie können sie sich treffen?

    Das große Plus des Romans ist, dass man die Hintergründe der beiden großen Männer der Geschichte, jeder auf eine andere Art und Weise „groß“, spielerisch, in Auszügen zwar, aber doch im Wesentlichen klar, beigebogen bekommt. Der Autor verrät sogar indirekt, wie er zu seinem Thema gekommen ist. Die Unterhaltungen der beiden Männer sind teilweise ein intellektueller Spaß.

    Diese Intellektualität, die mehr verspricht als sie letztlich halten kann, läßt den Kompass des geneigten Lesers dann doch zum Gegenpol schnellen, zum negativen Pol. Was teilweise wie ein philosophischer Roman daherkommt und genau deshalb fasziniert, verliert nämlich alsbald seinen Zug und mündet in harmloses Geplänkel. Der Autor wagt es eben doch nicht, entweder Thomas oder Stanley zu folgen, der eine ein überzeugter Christ, für den völlig klar ist, sie befinden sich auf dem Weg zum Jüngsten Gericht und der andere nicht einmal Agnostiker, der sich mit „magischen Spielereien“ und Albernheiten ablenken muss.

    Letztlich fehlt dem kleinen Büchlein der Biss. Weil es seine Zuflucht dann doch zum Banalen und zum Klischee nimmt, wenn es zum Offenbarungseid kommen müsste. Ja, so ist es eben immer, wenn man sich alle Optionen freihalten möchte!

    Die paar Informationen über die beiden Männer jedoch, die sicher kurzweilig sind, aber zusammengefasst nur wenige Zeilen ausmachen, kann man sich auch bequem anderweitig anlesen.

    Einige Male gibt es leider auch Phrasen zu verzeichnen, obschon die Sprache ansonsten fein ist.

    Fazit: Super Idee. Feines Setting. But that was it. Zu kurz gesprungen für meinen Geschmack.

    Kategorie: Anspruchsvolle Literatur: 2 Punkte / Gute Unterhaltung: 4 Punkte
    Verlag: Hanser, 2020

    Teilen