Nachts ist unser Blut schwarz: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Nachts ist unser Blut schwarz: Roman' von David Diop
3
3 von 5 (2 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Nachts ist unser Blut schwarz: Roman"

Alfa Ndiaye kämpft im Ersten Weltkrieg an der Seite der Franzosen gegen die Deutschen - ein "Schokosoldat" wie die Kameraden ihn nennen. Als Alfas geliebter Kindheitsfreund in seinen Armen verblutet, wird er von Wut und Rache gepackt. Wie ein Wahnsinniger zieht er mit seiner Machete über das Schlachtfeld und kehrt jeden Abend mit einem Gewehr des Feindes samt abgetrennter Hand zurück. Erst bewundern ihn die anderen, dann fürchten sie den Wilden und wenden sich ab. David Diop hinterfragt die Menschlichkeit in unmenschlichen Zeiten und verlagert das Grauen des Krieges ins tiefste Innere. Die Stimme von Alfa Ndiaye betört und verstört. Ein archaischer Roman von unvergleichlicher literarischer Kraft.

Autor:
Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:160
Verlag: Aufbau Verlag
EAN:9783351037918

Rezensionen zu "Nachts ist unser Blut schwarz: Roman"

  1. 3
    22. Feb 2023 

    Der Wahnsinn des Krieges

    Im vorliegenden Roman des franko-senegalesischen Autors David Diop begleiten wird den „Senegalschützen“ Alfa Ndiaye in seine Gedankenwelt. Diese ist durch seinen Einsatz für Frankreich an der deutsch-französischen Front während des Ersten Weltkriegs mächtig durcheinandergebracht, da er nicht nur seinen besten Freund neben sich hat elendig sterben sehen, sondern auch weil er sich nicht verzeihen kann, dessen dreimal vorgebrachte Bitte, ihn von seinen Qualen aktiv zu erlösen, nicht nachgekommen zu sein. Alfa driftet immer mehr in den Wahnsinn ab und wir werden Teil seiner Gedankenwelt.

    Diop spricht in seinem kurzen, fast novellenartigen Roman ein häufig übersehenes bzw. vertuschtes Thema der französischen Geschichte an. Laut seinem Nachwort zum Buch kämpften 180 000 sogenannte „Senegalschützen“ für Frankreich im Ersten Weltkrieg. Ein Schicksal erfindet nun Diop und erzählt dieses punktuell nach. Man sollte bei diesem Buch aber kein allzu exemplarisches Beispiel oder gar einen stark faktendurchzogenen Text erwarten. Es handelt sich vielmehr um das Psychogramm eines traumatisierten Soldaten.

    Alfa wird nach dem sich stundenlang hinziehenden Tod (inkl. heraushängender Innereien, also nichts für schwache Nerven!) seines „Seelenfreundes“ zunehmend zu dem, wie die Offiziere der Armee die Schwarzafrikaner in diesem Krieg zu Abschreckungszwecken darstellen wollten: einem Wilden. Wild durch Wut und Schuldgefühle, da er denkt seinen Freund an verschiedenen Stellen ihres Lebens verraten zu haben und damit für dessen Tod verantwortlich zu sein, entgleitet er in den Wahnsinn. Der sog. „kurzzeitige Wahnsinn“ sei sogar von den Vorgesetzten erwünscht, denn: „Der kurzzeitige Wahnsinn lässt die Wahrheit der Kugeln vergessen. Der kurzzeitige Wahnsinn ist der Bruder des Kriegermuts.“ So geht Alfa immer schrecklicher beim Umbringen der Gegner vor, doch das ist wiederum nicht erwünscht durch dir Obrigkeit, so sagt der Hauptmann zu ihm: „Du musst sie einfach nur töten, nicht verstümmeln. Im zivilisierten Krieg ist das verboten. Verstanden? Morgen fährst du.“ Während Alfas Fronturlaub in einer Rehabilitationsanstalt, auf den er von seinem Hauptmann geschickt wird, lernen wir nun etwas mehr über seine Vergangenheit im Senegal und die Freundschaft zu Mademba Diop, seinem Seelenfreund, kennen.

    Sprachlich ist der Roman anspruchsvoll. Und zwar dahingehend, dass man mit den ständigen Wiederholungen in den Gedanken Alfas zurechtkommen muss. Mich hat dieses Repetitive immer stärker in den Kopf des Erzählers gezogen. Es hat also genau seinen Zweck erfüllt, ist aber sicherlich nicht jedermenschs Sache.

    Insgesamt hätte ich gern einen ausführlicheren Roman gelesen. Die mitunter nur kurz eingeworfenen Umstände von Alfas Leben zuhause, dessen Weg in die Armee und dessen Position innerhalb einer Armee voller Französisch sprechenden Weißen, die Alfa sowohl rein sprachlich als auch vom Wesen her nicht versteht, hätte ich gern ausgebaut gesehen. So endet das Buch nach nur kurzer Lektüre mit einem afrikanischen Märchen, das einzuordnen an dieser Stelle schwerfällt. Ich empfehle nichtsdestotrotz die Lektüre dieses Romans, besonders aufgrund der historischen Brisanz und des überzeugenden Psychogramms dieses Soldaten.

    3,5/5 Sterne

    Teilen
  1. Verstörender Antikriegsroman.

    Wie lange wird es neue Romane über den Ersten und den Zweiten Weltkrieg geben? Vielleicht solange, bis alle Menschen verstanden haben, dass Krieg unmenschlich ist und so lange bis keine Nation mehr behauptet, sie könne einen „sauberen Krieg“ führen.

    „Nachts ist unser Blut schwarz“ ist nicht David Diops erstes veröffentlichtes Werk, wie oft geschrieben wird, denn schon 2012 debütierte er mit dem Roman „1889, l’attracion universelle“, einem Roman über die Weltausstellung in Paris. Es wäre schön, wenn auch dieser bald übersetzt würde!

    Doch mit seinem zweiten Roman „Nachts ist unser Blut schwarz“ erregte David Diop große Aufmerksamkeit in Frankreich und das Buch gewann 2018 den Prix Goncourt des lycéens, welches ein sehr hübscher kleiner Preis ist: Schulklassen wählen unter den nominierten Romanen zum Prix Goncourt denjenigen aus, der ihnen am meisten zusagt. So etwas sollen wir auch für den Deutschen Buchpreis haben!

    Dina Netz, Rezensentin im wdr3, schreibt, ich zitiere sie hier, denn man kann es nicht besser sagen:

    „Die französische Literatur und Geschichtsschreibung haben in den letzten Jahren nach und nach in die finstersten Keller der französischen Geschichte geleuchtet: Frankreich steht nicht länger als sauberer Sieger der Weltkriege da, als der es sich gern gesehen hat. Die Gräueltaten, die französische Soldaten im Algerienkrieg verübten, sind benannt. Der senegalesisch-französische Schriftsteller David Diop hat nun noch ein weiteres, wohl absichtsvoll vergessenes Kapitel der französischen Geschichte des 20. Jahrhunderts aufgedeckt: das der Schwarzafrikaner, die im Ersten Weltkrieg in der französischen Armee dienten.“

    Über den Algerischen Krieg habe ich „Adieu Paris“ von Daniel Anselme in einer Neuauflage von 2017 gelesen, einen Roman, den ich hier, quasi nebenbei, sehr empfehlen möchte. Es ist allerdings mit qualitativ hochwertigen französischen Büchern ähnlich wie mit französischen Filmen, sie sind nicht für jedermann und in der Regel von depressiver Stimmung.

    Während ich „Adieu Paris“ bedenkenlos empfehle, halte ich mich bei einer Empfehlung von „Nachts ist unser Blut schwarz“ zurück. Das kleine, nicht einmal 200 Seiten lange Buch, hat mich einigermassen verstört.

    „Bei der Wahrheit Gottes ….“ pausenlos beschwört Alfa Ndiaye in einem langen schleifenhaften Monolog, dass er die Wahrheit spricht. Und dass er zu Gott so gut spricht wie zu den Menschen und sich selbst. Dabei weiß er nicht einmal mehr, was die Wahrheit überhaupt ist. War es richtig, seinem Herzensfreund Medemba nicht zum Tod zu verhelfen, als diesem im Schlachtfeld der Bauch aufgeschlitzt wurde und es keine Rettung mehr gab. Nein, sagt sich Alfa und wirft die erlernten ethischen Grundsätze von sich, sie helfen nicht im Krieg. Von nun an wird er zur Bestie.

    Der lyrische Erzählton steht in scharfem Gegensatz zum Erzählten. Das muss man erst einmal aushalten.

    Was ich an dem Roman mag, ist sein Thema. Den von Frankreich als Kolonialmacht verheizten Schwarzafrikanern im Ersten Weltkrieg eine Stimme zu geben, ist richtig.

    Ich mag auch seine Erzählart. Mir hat das lyrische Ich zugesagt. Die monotonen Wiederholungen spielen den Ohrwurm an Gedanken ab, die Alfa im Kopf herum gehen. Er ist besessen.

    Was ich an dem Roman nicht mag, ist sein, trotz allem, voyeuristischer Anteil.

    Und was ich an dem Roman vermisse, ist, dass mir seine Kritik nicht weit genug geht.

    Fazit: Ein verstörendes Werk, literarisch bedeutend aufgrund seiner Machart und Thematik, aber doch in seiner Antikriegshaltung nicht weitergehend als bis zur Darstellung dessen, wie Krieg eben ist.

    Kategorie: Anspruchsvolle Literatur. Prix Goncourt des lycées, 2018
    Aufbau Verlag, 2019

    Teilen