MUTTERS PUPPENSPIEL. ROMAN

Buchseite und Rezensionen zu 'MUTTERS PUPPENSPIEL. ROMAN' von Ulla Coulin-Riegger
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5 von 5 (2 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "MUTTERS PUPPENSPIEL. ROMAN"

Was ist Liebe? Was ist Abhängigkeit? Was ist Manipulation? Mutters Puppenspiel handelt von Menschen, die schwer zueinanderkommen oder die sich nicht voneinander lösen können. Die Szenerie sagt: Wohlhabendes Bürgertum. Im Zentrum steht eine narzisstische Mutter, die ihre Tochter emotional missbraucht. Die Tochter, eine emanzipierte Ärztin, durchschaut zwar das Marionettenspiel ihrer Mutter ganz genau, kann sich aber trotzdem nicht aus der drogisierenden Liebes-Übermacht dieser Frau befreien. Bis ein Mann auftaucht, mit dem die Tochter leben möchte. Entscheidet die Tochter am Ende für oder gegen sich? Der Psychotherapeutin Ulla Coulin-Riegger ist ein atemberaubendes Debüt gelungen, das jedem, der es liest, ein Fenster des Nachdenkens und der Freiheit öffnet.

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:174
Verlag:
EAN:9783749610273

Rezensionen zu "MUTTERS PUPPENSPIEL. ROMAN"

  1. 5
    09. Feb 2021 

    Ein tiefgründiger und unterhaltsamer Roman über Beziehungen...

    In diesem Roman mit dem originellen, grellen und aussagekräftigen Cover, dreht sich alles um Lisette Dornbusch, ihr Innenleben und ihre Beziehungen: zur Mutter, zum Vater, zu Männern, zu Freundinnen.

    Die Ich-Erzählerin Lisette Dornbusch, eine 38-jährige HNO-Ärztin, die ihrer 57-jährigen Mutti Frau Dornbusch gefallen und sie durch nichts erzürnen möchte, besucht diese jeden Sonntag zum Nachmittagskaffee, der immer nach dem gleichen Schema abläuft.
    Dieser sonntägliche Termin ist ein regelrechtes Kammerspiel, in dem die Mutter Regie führt, bzw. in dem Lisette ihrer Mutter die Rolle überlässt, Regie zu führen.

    Um bestimmte Kleidungsstücke muss ein Bogen gemacht, bestimmter Schmuck muss getragen und bestimmte Themen müssen umschifft werden, damit die Mutter zufrieden ist.

    Frau Dornbusch senior braucht das Gefühl, eine dankbare, demütige und sie hofierende Tochter zu haben, um im Gleichgewicht zu sein.

    Die Tochter muss sich unterwerfen und klein machen, damit sich die Mutter, eine Frau mit narzisstisch-histrionischer Persönlichkeitsstruktur, nicht nur gleichwertig, sondern überlegen fühlen kann.
    Die Mutter der Protagonistin geht bewertend und missgünstig durch die Welt und spart nicht mit Vorurteilen und Bosheiten, um Bedrohungen oder Ängste, die ihre innere Welt destabilisieren könnten, abzuwehren.
    Sie ist bevormundend und vereinnahmend, herablassend, selbstherrlich und selbstgefällig. Definitiv keine Frau, die man zur Mutter, Partnerin oder Freundin haben möchte.

    Lisette, die als Einzelkind in großem materiellen Luxus groß geworden ist, hatte nicht nur von Kindesbeinen an mit dieser kontrollierenden, abwertenden und eitlen Mutter, sondern auch mit ihrem vor wenigen Monaten verstorbenen Vater „zu kämpfen“.
    Er war ein unnahbarer, gefühlskalter und förmlicher Mann, der Lisette fast wie eine Leibeigene behandelte, die sich anstandslos zu fügen hat.
    Beide Eltern waren emotional unerreichbar für die heranwachsende Lisette und Zärtlichkeiten waren tabu, bzw. Mangelware.

    Es ist nicht verwunderlich, dass Lisette vor diesem Hintergrund trotz ihrer beruflichen Karriere und finanziellen Unabhängigkeit kein gesundes Selbstwertgefühl entwickeln konnte.
    Sie blieb emotional abhängig von der Wertschätzung Anderer und fügte sich deren Erwartungen.

    Glücklicherweise gab es in ihrer Kindheit und Jugend das Personal, v. a. die Köchin, bei dem sie ersatzweise Geborgenheit und Zuwendung bekam. Wer weiß, was sonst aus Lisette geworden wäre?

    Neben all ihren inneren Konflikten hat Lisette die Vorstellung, als kinderlose Frau unvollkommen und wertlos zu sein. Bisher hat sich ihr großer Kinderwunsch nicht erfüllt.

    Als sie, frisch verliebt in Emil, hofft, bzw. vermutet, schwanger zu sein, kommt ein Stein ins Rollen.
    Für die Mutter wird es brenzlig.
    Eine echte Gefahr ist im Anmarsch. Sie fährt Geschütze auf...

    Wie es auf der konkreten Ebene weitergeht und ob es Lisette gelingt, sich aus der symbiotischen und dysfunktionalen Beziehung mit ihrer Mutter zu befreien, um emotional unabhängiger und selbstsicherer zu werden, werde ich natürlich nicht verraten.

    Ich kann und will nicht leugnen, dass ich die Geschichte Lisettes auch mit den Augen einer Fachfrau gelesen und betrachtet habe und daher kann ich nicht umhin, zu sagen, dass aus fachlicher Sicht zunächst eine klare Indikation für eine intensive und kontinuierliche analytische Therapie besteht.
    Aber wer weiß, vielleicht schafft Lisette das auch alleine?

    Die Psychotherapeutin und Autorin Ulla Coulin-Riegger bringt ihre Beobachtungen, Erfahrungen und ihr Wissen sprachgewandt und mit schönen und eingängigen Formulierungen zu Papier.
    Sie hat die Psyche ihrer Protagonistin gekonnt seziert und daraus präzise, detailliert und fesselnd ein intimes, trauriges und psychologisch stimmiges Psychogramm einer alleinstehenden und kinderlosen Enddreißigerin gezeichnet, die es noch nicht geschafft hat, sich von ihrer selbstbezogenen, vereinnahmenden und manipulativen Mutter zu lösen.

    Aufgrund ihrer emotionalen Abhängigkeit wird sie regelrecht angetrieben von ihrem inneren Streben nach Wertschätzung und Zuwendung Anderer.
    Anpassung, Unterwerfung und Selbstverleugnung sind nicht selten der Preis, den sie zu zahlen bereit ist.

    Der Autorin gelingt es, im Leser eine Vielzahl von Gefühlen hervorzurufen, obwohl, oder gerade weil der Text alles andere als gefühlsduselig geschrieben ist.
    Ich spürte immer wieder Mitgefühl, Traurigkeit und Enttäuschung, aber auch Zorn. Letzteres allerdings nicht nur auf die Eltern der Protagonistin, sondern auch auf Lisette selbst.
    Nicht selten musste ich ungläubig, verwundert oder genervt den Kopf schütteln, weil sie dieses Spiel mitspielt und der Unehrlichkeit und Manipulation keinen Einhalt gebietet.
    Aber na ja... wenn das so einfach wäre!

    Die Lektüre lohnt sich!
    „Mutters Puppenspiel“ ist ein tiefgründiger und kurzweiliger Pageturner, der gut unterhält, interessant ist, und psychodynamische Zusammenhänge nachvollziehbar und auf eingängige und leicht lesbare Weise vermittelt.
    Neben dem spannenden Inhalt tragen auch die sehr kurzen Kapitel dazu bei, dass man regelrecht durch das Buch fliegt.

    Was ich unbedingt noch loswerden muss, ist, dass der viertletzte Satz, eine Frage, mich irritiert und etwas ratlos zurückgelassen hat.
    Wie gern hätte ich Lisettes Antwort gelesen!

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  1. 5
    09. Aug 2020 

    Mutterliebe

    Es gibt unzählige zuckersüße und klebrige Sprüche zum Thema "Mutterliebe". Hier sind einige davon
    "Die Tochter einer guten Mutter wird die Mutter einer guten Tochter" .... "Die Liebe zwischen Mutter und Tochter ist für immer" ... "Es gibt nur eine ganz selbstlose, ganz reine, ganz göttliche Liebe, und das ist die der Mutter für ihr Kind" (Georg Moritz Ebers) ... "Die höchste und tiefste Liebe ist die Mutterliebe" (Ludwig Feuerbach)

    Zuviel Zucker ist ungesund. Und auch Mutterliebe kann ungesund sein, wie der Debüt-Roman "Mutters Puppenspiel" von Ulla Coulin-Riegger eindrucksvoll verdeutlicht.

    Diejenige, welche unter der Liebe ihrer Mutter zu leiden hat, ist Ich-Erzählerin Lisette, 38 Jahre alt, HNO-Ärztin mit gut gehender Praxis und Single. Jeden Sonntagnachmittag besucht sie ihre Mutter, Frau Dornbusch, die seit ein paar Jahren Witwe ist. Einmal Kind, immer Kind. Auch wenn Lisette mitten im Leben steht, übernimmt sie zwanghaft die Rolle der unmündigen und unselbständigen Tochter, die Frau Dornbusch immer in ihr gesehen hat. Eine Tochter, die ihre Karriere der aufopfernden Erziehung ihrer Eltern, insbesondere ihrer Mutter zu verdanken hat. Eine Tochter, die niemals die Ansprüche ihrer Mutter erfüllen kann. Denn alles, was sie anpackt, kann nur zum Scheitern verurteilt sein. Frau Dornbusch hat sich mit dieser Einstellung gegenüber ihrer Tochter nie zurückgehalten. Dennoch hat sie ihrer Tochter von klein auf beigebracht, für Mutter da zu sein, sich um sie zu kümmern und zu ehren. Und das fordert sie immer noch ein. Kein Wunder. Denn Frau Dornbusch ist ein zutiefst narzisstischer Mensch, der sich und seine Befindlichkeiten immer in den Mittelpunkt stellt, ungeachtet der Probleme anderer, also auch diejenigen ihrer Tochter. Und Probleme hat ihre Tochter mehr als genug.

    "Mutter erträgt mein Glück nicht, auch nicht meinen Erfolg, sie konnte es einfach nicht zulassen, immer war sie die Schönere, die Intelligentere, die Praktischere, die Fleißigere, diejenige, die mehr liebte und ganz selbstlos geliebt wurde. Nicht einmal mit inzwischen achtundreißig Jahren habe ich es geschafft, aus ihrem Schatten zu treten Meine Schultern bleiben hochgezogen in ihrer Nähe. So und nur so duldet sie mich. Dort, hinter sich."

    Das Leben von Lisette ist ein Balanceakt zwischen einer eigenständigen erwachsenen Frau und einer Tochter voller Versagensängste, die sie dank ihrer Mutter mit sich herumträgt. Erst als Lisette sich verliebt, gelingt ihr langsam, sich mit dem übergroßen Einfluss, den ihre Mutter auf sie hat, zu arrangieren. Natürlich ist dieser Weg der Befreiung ein sehr steiniger, der Lisette einiges abverlangen wird.

    Die Autorin Ulla Coulin-Riegger, die seit vielen Jahren als Verhaltens- und Familientherapeutin arbeitet, konzentriert sich in ihrem Buch auf eine Zeitspanne, die einen Wendepunkt in Lisettes bisherigem Leben darstellt. Zu Beginn des Romans verschafft sie einen Eindruck des Miteinanders von Mutter und Tochter. Schnell wird deutlich, um welches Kaliber es sich bei Frau Dornbusch handelt. Die Tochter hat die Verhaltensweisen und Eskapaden der Mutter durchschaut. Vermutlich war ihr schon in jungen Jahren bewusst, welch ein Mensch ihre Mutter ist. Das beweisen zumindest Lisettes Kindheitserinnerungen, die in die Handlung einfließen. Dennoch kann sie sich nicht vom Einfluss der Mutter befreien. Im weiteren Verlauf der Handlung tritt die Mutter scheinbar in den Hintergrund. Die Geschichte konzentriert sich auf die Höhen und Tiefen der Liebesbeziehung von Lisette zu einem verheirateten Mann. In Lisette findet ein innerer Kampf statt, an dem der Einfluss der Mutter natürlich einen großen Anteil hat. Sie fühlt sich zerrissen zwischen ihrem Anspruch auf Glück und ihren Schuldgefühlen gegenüber der Ehefrau des Mannes.

    Neben dem sehr speziellen Mutter-Tochter-Verhältnis greift die Autorin einen Gedanken auf, den es eigentlich in der heutigen Zeit nicht mehr geben dürfte, der aber leider immer noch weit verbreitet ist. Insbesondere Frauen der Generation von Frau Dornbusch lebten nach einem fragwürdigen Rollenkodex. Diesen Kodex hat auch Lisette dank ihrer speziellen Erziehung verinnerlicht: die oberste Aufgabe einer Frau ist es, dem Mann Kinder zu gebären. Eine Frau definiert sich demnach ausschließlich über die Mutterrolle.

    "Mutter hat mich gelehrt: eine Frau ist zuallererst eine Gebärende, eine Nährende und eine Sorgende, sofern sie denn keine Schlange oder ein Flittchen ist."

    Das ist natürlich harter Tobak für die moderne weibliche Leserschaft. Unweigerlich wird es bei diesem Buch zu dem einen oder anderen Aufschrei der Empörung kommen. Man möchte die Protagonistinnen schütteln - die Eine, wegen ihrer schädlichen Mutterschaft und ihrem antiquierten Frauenverständnis; die Andere, weil sie sich nie zur Wehr gesetzt hat und immer das Spiel ihrer Mutter gespielt hat.
    Der Name dieses Romans ist daher Programm: In "Mutters Puppenspiel" zog und zieht Frau Dornbusch die Fäden und Puppe Lisette bewegt sich durch das Leben wie Mutter es gefällt. Nur, dass sich zum Ende des Romans die Fäden lockern. Und das ist gut so.
    Denn "Mutters Puppenspiel" ist ein schmerzvoller und aufwühlender Roman. Da braucht es schon ein kleinen Hoffnungsschimmer zum Schluss, den man als Leser dankbar entgegen nimmt.
    Dieser Roman wird insbesondere für weibliche Leser erhebliche Nachwirkungen haben. Es wird wohl nur wenige geben, welche die eigene Einstellung zur Rolle einer Mutter, Tochter und Frau nach der Lektüre dieses Romans nicht auf den Prüfstand stellen werden.

    Beenden möchte ich daher meine Besprechung dieses beeindruckenden Romandebüts mit folgendem Ausspruch der Autorin:
    "Schreiben bedeutet für mich einige Schritte von mir selbst und anderen zurückzutreten, um aus dieser Distanz heraus einen freien Blick auf menschliche Verstrickungen und Abhängigkeiten zu wagen. Schreibend versuche ich zu verstehen, anzunehmen und dabei vielleicht das goldene Tor zur Selbstliebe und Selbstachtung für mich und meine Leser aufzustoßen."
    Frau Coulin-Riegger, dieser Versuch ist ihnen definitiv gelungen!

    Leseempfehlung!

    © Renie

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