Montana: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Montana: Roman' von Smith Henderson
4
4 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Montana: Roman"

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:608
EAN:9783630874401

Rezensionen zu "Montana: Roman"

  1. 4
    22. Okt 2016 

    Montana, ein Krisenherd

    Das war schon ein sehr interessantes Buch. Ich hatte nur in einer Sache meine Bedenken. Ich fand, dass die Gewalt in der romanhaften Geschichte sehr potenziert dargestellt wurde. Alle Figuren waren auf ihre Weise recht aggressiv und gewaltträchtig, wenn sie nicht bekamen, was sie wollten. Viele Menschen waren von Kindheit an größtenteils gewalterfahren, und viele Szenen waren mir zu sehr auf Sensation ausgelegt. Ein sehr heftiges Buch, in dem man die Gewaltanwendungen aushalten muss, wenn man den Ausgang der Handlungen erfahren möchte.

    Selbst die Profis wenden brutalste Gewalt an, siehe unten.

    1. Mutter erschießt sich und ihre Kinder.
    2. Sozialarbeiter schlägt ein Kind, weil es schwer zugänglich ist.
    3. Ein Vater erzieht seinen Sohn, Menschen zu erschießen.
    4. Kinder, die im Gefängnis sitzen, werden von Anwärtern verprügelt und misshandelt.
    5. Cop schlägt Sozialarbeiter k.o., weil dieser ihn verbal attackiert hat.
    6. Bewährungshelfer zündet Haus des Sozialarbeiters nieder, um sich zu rächen.
    7. Kind erschießt den Bewährungshelfer, um den Sozialarbeiter, der von dem Bewährungshelfer existentiell bedrängt wurde, zu retten.

    Der Autor ist selbst Sozialarbeiter von Beruf, lebt in Montana. Montana ist ein Bundesstaat im Nordwesten Amerikas und er scheint tatsächlich auch eine Gegend in Amerika zu sein, in der die Menschen gehäuft in sozialen Brennpunkten zu finden sind. Ich möchte diese Welt nicht anzweifeln, aber ich fand das alles im Buch sehr, sehr aufgebauscht. Man wird mit vielen Dramen konfrontiert. Man hätte das Buch auch deutlich abkürzen können; weniger Problemfälle, weniger Dramatik, weniger Gewalt, ohne an Sinnhaftigkeit und Bedeutung einzubüßen. Das würde die Schreibkunst ausmachen. Mit weniger dasselbe bewirken.

    Die Handlung spielt in den 1970er Jahren. Die Hauptfigur ist der Sozialarbeiter namens Pete Snow, der beim Jugendamt in der Familienhilfe tätig ist. Er holt Kinder, die aus schwachen, sozialen und stark problembehafteten Verhältnissen kommen, heraus, um sie in Pflegefamilien oder in anderen Einrichtungen unterzubringen.

    Ich weiß, wie der Sozialdienst in Deutschland aufgebaut und aktiv ist, doch in Amerika scheint es ein wenig anders zuzugehen. Keine Fallbesprechungen, keine Supervisionen für Professionelle, kein Team, und mir scheint der amerikanische Sozialarbeiter ein Einzelkämpfer zu sein. Man muss dort breite Schultern haben.

    Die vielen problembehafteten Familien, um die sich Pete kümmert, sind es nicht alleine. Man bekommt noch die eigene Geschichte von Pete zu lesen. Pete selbst wohnt in einem einfachen Holzhaus mitten im Wald …

    Seine Familie unterscheidet sich nicht sonderlich von den Familien, die er tagtäglich betreut. Doch seine Familie, er hat eine Tochter, 14 Jahre alt, ist ebenso hilflos wie seine Klientel. Pete lebt von seiner Frau getrennt, und seine Tochter Rachel lebt bei der Mutter namens Beth. Eines Tages zieht Beth mit Rachel nach Texas, sodass Pete den Kontakt zu seiner Tochter verliert. Beth führt ein recht ominöses Leben, ist
    drogen- und alkoholabhängig. Auch bekommt sie abends von vielen fragwürdigen Männern Besuch, die der Tochter Rachel Angst machen. Rachel wendet sich telefonisch an ihren Vater und bittet ihn, sie bei sich aufzunehmen und dort wohnen zu lassen. Der Vater lehnt erstmal ab, macht ihr aber den Vorschlag, es in Texas nochmals auszuprobieren, und wenn der Versuch scheitern sollte, dürfe sie nach Montana zurückkehren und bei ihm leben.

    Rachel hält es bei der Mutter und den betrunkenen Männern nicht mehr aus, haut ab und gerät auf Abwege, und landet in der Kinderprostitution … Das Vertrauen zu beiden Elternteilen ist zerstört …

    Pete hat einen Bruder, der selbst in Haft ist, aber ausbüchst und der Bewährungshelfer Pete Druck macht, da er nicht verrät, wo sich sein Bruder aufhält. Aus Rache zündet er Petes Bleibe an und brennt das ganze Waldhaus nieder.

    Des Weiteren ist da noch Jeremiah Pearl und seine Großfamilie. Doch in Szene gesetzt ist hauptsächlich Jeremiah mit seinem Sohn Benjamin, etwa zehn Jahre alt. Eine sehr strenggläubige Familie, die sektenhafte Züge aufweist, ohne in einer Sekte involviert zu sei.

    Jeremiah und Benjamin, abgekürzt Ben, leben auch in den Wäldern versteckt, da sie von der Polizei gesucht werden. Jeremiah wird verdächtigt, seine Frau und seine anderen Kinder ermordet zu haben …

    Jeremiah ist ein merkwürdiger Vater, der Ben gegenüber ambivalente Gefühle entgegenbringt. Mal gewalttätig und mal liebevoll. Oft ertappte ich mich in Gedanken beim dem Wunsch, möge doch ein Schicksalsschlag einschlagen, der Ben von seinem Vater befreit. Ben hat nur einmal eine Schule von innen gesehen ... Pete schafft es, das Vertrauen des Kindes zu gewinnen. Außerdem ist Jeremiah stark paranoid und steht der Welt sehr destruktiv gegenüber …

    Die Justiz in Amerika hat mir auch zu denken gegeben. Kinder, bei denen nur der Verdacht besteht, sie könnten der Gesellschaft gefährlich werden, kommen ins Gefängnis. Wenn sie in U-Haft sind, teilen sie sich die Zellen mit erwachsenen Häftlingen. Kinder, die noch nicht mal 16 Jahre alt sind, kommen auch ins Jugendgefängnis. Das fand ich sehr merkwürdig. Hat mich sehr betroffen gestimmt, wenn so junge Kinder hinter Gitter gehalten werden …

    Mehr möchte ich nun nicht verraten.

    Mein Fazit zu dem Buch?

    Wenn ich die Sozialarbeit mit Deutschland vergleiche, dann sehe ich gewaltige Unterschiede. Ich habe ja oben schon ein paar Sätze dazu geschrieben. Und wenn hier jemand seine Klientel schlägt, dann ist das ein Entlassungsgrund und kann zur Anzeige gebracht werden ...

    Wie Pete Snow seine Arbeit verrichtet, bleibt ganz allein ihm überlassen. Auch was seine Arbeitshaltung betrifft, als er sich während seiner Arbeitszeit auf den Weg macht, seine Tochter in Texas zu suchen. Private und berufliche Aktionen werden nicht getrennt, es ist eine Vermischung von beidem. Wie man damit gute Arbeit am Dienst des Menschen leisten kann, das wird am Beispiel Snow deutlich, wie schwer das ist.

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