Kleine Paläste

Buchseite und Rezensionen zu 'Kleine Paläste' von Andreas Moster
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4 von 5 (4 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Kleine Paläste"

Mehr als dreißig Jahre haben Hanno Holtz und Susanne Dreyer sich nicht gesehen, obwohl sie direkt nebeneinander aufgewachsen sind. Nun ist Hanno in die Kleinstadt seiner Kindheit zurückgekehrt und kümmert sich nach dem Tod seiner Mutter um den Vater. Unsicher streift er durch die kleine Welt, aus der er als Jugendlicher vor Jahrzehnten ausgebrochen ist. Susanne sieht ihm dabei zu. Sie hat ihr Elternhaus und besonders den Platz am Fenster im Obergeschoss mit Blick auf das Haus der Familie Holtz nie verlassen. Als sie sich entschließt, Hanno ihre Hilfe anzubieten, wird die Ruhe des Ortes gestört. Denn plötzlich treffen alte Erinnerungen aufeinander, in deren verschleiertem Zentrum eine Geburtstagsfeier im Sommer 1986 steht. Niemand ist davon unversehrt geblieben und niemand kann den Blick abwenden, als nach fast dreißig Jahren nun Licht durch die Risse der kleinen Paläste dringt.

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:304
Verlag:
EAN:9783716028049

Rezensionen zu "Kleine Paläste"

  1. Unter den Teppich gekehrt

    Ich bin froh, Andreas Moster als Autor entdeckt zu haben. Der Beginn seines Romans „Kleine Paläste“ gehört schon jetzt für mich zu den genialsten Romananfängen, die ich je gelesen habe. Dabei sind es die präzise Beobachtungsgabe, die bildgewaltige Sprache, der leicht schwarze Humor, die nachvollziehbaren, zugleich skurrilen Gedanken sowie die Rolle des „Mörderhundes“, die die Anfangsszene, in der Sylvia Holtz stirbt, so einzigartig machen.
    Der Roman setzt im Jahr 2018 ein. Sylvia hinterlässt ihren schwer an Alzheimer erkrankten und pflegebedürftigen Ehemann Carl und ihren Sohn Hanno, der vor mehr als 30 Jahren dem elterlichen Haus und der kleinstädtischen Atmosphäre entflohen ist.
    Hanno reist an, kümmert sich um die Pflege seines Vaters und trifft auf der Beerdigung Susanne Dreyer, in die er einst verliebt war und die immer noch in unmittelbarer Nachbarschaft zu seinem alten Elternhaus lebt.
    Schon bald zeigt sich, dass sich hinter den schönen Fassaden Abgründe auftun. Was passierte damals im Jahre 1986 auf dem Sommerfest? Wer wusste davon und welche Folgen hatte es für die Beteiligten? Die über Jahrzehnte aufrecht erhaltenen Fassaden beginnen zu bröckeln.

    Andreas Moster erzählt auf sehr poetische und spannende Weise eine beklemmende Geschichte über Täter, Opfer, Lebenslügen, mangelnde Unterstützung und das Nicht-Sehen-Wollen. Dabei erzählt er aus ungewöhnlichen Perspektiven und nimmt interessante Blickwinkel ein. "Kleine Paläste" entfaltet einen Sog, überrascht immer wieder und ist - trotz der immer vorhandenen beklemmenden Atmosphäre und Schwere, die diesen Roman durchdringen - ein absolutes Leseerlebnis .

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  1. 3
    07. Mär 2022 

    Bröckelnde Fassaden

    Das Buch hat einen etwas ungewöhnlichen Einstieg. Die Mutter Sylvia erzählt selbst von ihrem Tod, in dessen Folge ihr Sohn Hanno nach langer Zeit in sein Elternhaus zurückkehrt, um sich um seinen demenzkranken und pflegebedürftigen Vater Carl zu kümmern. Hanno ist von dieser Aufgabe schnell überfordert, schließlich ist der Vater der Grund, weshalb er sein Zuhause gemieden hat. Dann gibt es die Nachbarin Susanne, etwa im gleichen Alter wie Hanno. Sie lebt nach dem Tod ihrer Eltern allein und beobachtet tagtäglich das Nachbarhaus und seine Bewohner durch ein Fernglas. Die Familien waren früher lose befreundet, man lud sich ein, die Kinder spielten zusammen. Aber es gab einen Bruch, ein Geschehen in der Vergangenheit, dass nun so langsam an die Oberfläche kommt.
    Es gibt zwei Zeitebenen, die abwechselnd erzählt werden. Dazwischen kommt auch immer wieder die Geisterstimme der toten Mutter zu Wort.
    Susanne und Hanno stehen dabei im Vordergrund. Im Grunde sind beide gescheiterte Existenzen, die in ihrem Leben nicht zurecht kommen. Man erfährt einiges aus dem Leben der Familien, dabei hilft auch immer der Geist von Hannos Mutter, die aus einer dritten Perspektive die Geschehnisse kommentiert. So nach und nach bröckelt die Fassade der ach so perfekten
    „kleinen Paläste“ und zum Vorschein kommt teilweise Erschreckendes.
    Ich fand das Buch ziemlich deprimierend. Es ist die Geschichte verlorener Leben. Die kunstvolle Sprache und die Neugier auf den Auslöser der Misere konnten mich zwar bei der Stange halten, doch obwohl die Protagonisten ausführlich und nah beschrieben werden, konnte ich mich nicht so richtig für sie begeistern. Für mich war es zu viel der Reduktion auf dieses eine Ereignis.
    Auch die Geisterstimme fand ich ziemlich schräg. Ich verstehe durchaus den literarischen Kniff, aber allein die Vorstellung, dass die toten Verwandten immer um uns herum sind und uns weiter beobachten, finde ich doch sehr gruselig.
    Alles in allem ist eine Geschichte, die zeigt, dass hinter den perfekten Fassaden der Häuser so mancher Abgrund lauern kann. Das Buch konnte mich hauptsächlich sprachlich überzeugen, deshalb reicht es nur für 3 Sterne.

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  1. Blick hinter die glänzende Fassaden

    „Kleine Paläste“ ist die Geschichte der Familien Holtz und Dreyer, die nebeneinander in ihren Einfamilienhäusern leben. Bereits der Einstieg überrascht, kommt nämlich dabei sofort Sylvia Holtz zu Wort, die ihren eigenen Tod als vom Hund inszeniertes Attentat schildert. Das mutet zunächst skurril an (und hätte mich vermutlich um den Lesegenuss dieses Buches gebracht, wenn ich zuvor etwas über diese Geistererscheinung gewusst hätte), ist aber insgesamt ein spannender Kunstgriff des Autors. Mutter Holtz ergänzt das Geschehen nämlich immer wieder um eine zusätzliche Perspektive, gibt Kommentare über Hintergründe, Erfahrungen und Beziehungskonstellationen, die sie mit ihrem ureigenen zynisch-überzogenen Humor präsentiert. Sie ist oft präsent und beobachtet die Szenerie, ohne allerdings konkret ins Geschehen eingreifen zu können.

    Der Roman spielt zudem auf zwei Zeitebenen. In der Gegenwart von 2018 kommt Hanno Holtz anlässlich der Beerdigung seiner Mutter nach rastlosen Jahren in der Fremde nach Hause. Sein Vater Carl sitzt im Rollstuhl, leidet an fortgeschrittener Demenz und benötigt intensive Pflege, die Hanno immer mehr überfordert. Im Gegensatz zu ihm hat die fast gleichaltrige Nachbarstochter Susanne ihr Elternhaus nie verlassen. Sie lebt noch immer dort, obwohl ihre Eltern bereits verstorben sind. Offensichtlich verbindet Hanno und Susanne eine alte Freundschaft. Susanne hilft dem überforderten Hanno, obwohl sie seinem Vater gegenüber sehr schwer zu definierende Gefühle hegt.

    Genau 31 Jahre und acht Monate zuvor, im September 1986, spielt die zweite Zeitebene. Sylvia Holtz hat das Haus nach dem Tod der Schwiegereltern komplett entkernen und renovieren lassen. Das Ergebnis soll mit einer pompösen Einweihungsparty gefeiert werden. Alle Freunde sind eingeladen, natürlich auch die Familie Dreyer von nebenan. Es schwebt etwas Dunkles über diesem Event, früh ist klar, dass dort etwas passiert sein muss, das tiefgreifende Auswirkungen auf die beteiligten Personen gehabt hat.

    Beide Zeitebenen wechseln sich ab. Man erfährt immer mehr Persönliches über die Familien, über Verletzungen und Schwächen der einzelnen Mitglieder. Sehr vieles wurde zeitlebens verdrängt und verschwiegen, man sprach nicht offen miteinander. Was auf den ersten Blick nach nachbarschaftlicher Freundschaft aussieht, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als fadenscheinige Inszenierung, bei der keine aufrichtigen Gefühle im Spiel sind, sondern Missgunst, Täuschung und Konkurrenz das Fundament bilden. Außerdem sind die wirtschaftlichen Verhältnisse stark unterschiedlich. Natürlich hat das alles auch Konsequenzen für Hanno und Susanne.

    Vieles ist nicht so, wie es scheint. Hinter den bürgerlich intakten Fassaden knirscht und bröckelt es gewaltig. Andreas Moster hat ein überaus komplexes psychologisches Kammerspiel geschrieben, in dem die Dysfunktionalität der beiden Familien ziemlich schnell offensichtlich wird. Weder Hanno noch Susanne ist es gelungen, ein erfülltes eigenes Leben zu führen. Beide stellen sich als beschädigte, vielschichtige Charaktere dar, denen es nicht gelingt, Nähe zu anderen zuzulassen. Im Verlauf des Romans werden immer mehr Puzzlesteine zusammengetragen. Der Leser erfährt viel über die komplexen Beziehungen, Gefühlslagen, Gedanken und Handlungen der Protagonisten sowie ihres Umfeldes.

    Insbesondere Hanno und Susanne kommt man im Verlauf des Romans sehr nahe, man versucht ihre Handlungsweisen nachzuvollziehen. Beide sind gefangen, beide wollen sich befreien, nur weiß man als Leser zunächst nicht, wovon. Diese inneren und äußeren Kämpfe werden ausdrucksstark beschrieben. Der Roman entwickelt eine ausgeprägte Sogwirkung. Man erfährt viel über das Schicksal der Familien und am Ende natürlich auch alles, was es über den Verlauf der Party zu wissen gibt. Die Grundstimmung ist weitgehend melancholisch, tiefsinnig und nachdenklich. Alles hängt mit allem zusammen. Lediglich Sylvia lockert das Geschehen mit ihrem originellen Geister-Duktus auf.

    Moster verzahnt Zeiten und Perspektiven äußerst gelungen. Sein wirklich virtuoser Sprachstil sucht seinesgleichen. Der Autor findet treffende Formulierungen, kann sich in seine Figuren detailliert hineindenken, so dass das ganze Setting sehr authentisch wirkt. Er benutzt eine kluge, sehr poetische Sprache, die ihren ganz eigenen nachdenklichen Sound entwickelt, in den man wunderbar eintauchen kann. „Kleine Paläste“ ist ein ruhiges Buch, eine Familiengeschichte, die nach ihrer kompletten Offenlegung enormen Nachhall erzeugt. Viele Themen werden eingeflochten, ohne dass es in irgendeiner Weise überfrachtet wirkt.

    Ich empfehle es allen Menschen, die sich gerne in komplexe Familiengeschichten hineindenken, Freude an virtuoser Sprache haben und nicht auf alles eine Antwort brauchen. „Kleine Paläste“ ist ein grandioser Roman, der auch literarische Ansprüche befriedigt.

    Riesige Lese-Empfehlung!  

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  1. Die Geister, die ich rief

    Klappentext:

    „Mehr als dreißig Jahre haben Hanno Holtz und Susanne Dreyer sich nicht gesehen, obwohl sie direkt nebeneinander aufgewachsen sind. Nun ist Hanno in die Kleinstadt seiner Kindheit zurückgekehrt und kümmert sich nach dem Tod seiner Mutter um den Vater. Unsicher streift er durch die kleine Welt, aus der er als Jugendlicher vor Jahrzehnten ausgebrochen ist. Susanne sieht ihm dabei zu. Sie hat ihr Elternhaus und besonders den Platz am Fenster im Obergeschoss mit Blick auf das Haus der Familie Holtz nie verlassen. Als sie sich entschließt, Hanno ihre Hilfe anzubieten, wird die Ruhe des Ortes gestört. Denn plötzlich treffen alte Erinnerungen aufeinander, in deren verschleiertem Zentrum eine Geburtstagsfeier im Sommer 1986 steht. Niemand ist davon unversehrt geblieben und niemand kann den Blick abwenden, als nach fast dreißig Jahren nun Licht durch die Risse der kleinen Paläste dringt.“

    Die Geschichte „Kleine Paläste“ stammt aus der Feder von Andreas Moster. Eines fällt auch gleich auf, nämlich das explosive Cover. Auch die Geschichte hat einen gewissen Reiz und brilliert mit einer grandiosen Wortwahl und Sprachmelodie. Moster setzt hier sehr gekonnt Wortspielerei ein und versucht den Leser so zu fesseln. So ganz konnte es bei mir nicht wirken, denn die Geschichte ist mir an vielen Stellen einfach zu verworren und erinnert in einigen Zügen an (Horror)- Filmchen a la Stephen King oder Alfred Hitchcock, aber weniger an eigenen Gedanken. Die Grundidee der Story ist wahrlich nicht schlecht getroffen aber viele Parts verlieren sich im Sande der Aufklärung/ Lösung und hinterlassen eher ein großes Fragezeichen beim Leser als ein aha-Erlebnis - da kann auch die irre Sprache nichts wieder wettmachen.

    Ein Roman der besonderen Art aber für mich kein Knallet. Ich vergebe gute 3 von 5 Sterne.

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