Herr der Fliegen

Buchseite und Rezensionen zu 'Herr der Fliegen' von William Golding
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4 von 5 (3 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Herr der Fliegen"

Eine Gruppe sechs- bis zwölfjähriger englischer Schuljungen überlebt währendeines Atomkriegs einen Flugzeugabsturz auf einer unbewohnten Pazifikinsel.In dieser Lage ist die Gruppe gezwungen, ihr Zusammenleben zu organisieren.Einer der älteren Jungen, Ralph, wird zum Führer bestimmt; zu ihm gesellensich u. a. der intellektuelle Piggy und der visionäre Simon. Jack,der Anführer einer zweiten Gruppe, der Jäger, beginnt einen brutalen Machtkampf,in dessen Verlauf die Gruppe alle zivilisatorischen Hemmungen verliert.Diese Regression von paradiesischer Unschuld zu barbarischer Primitivitätäußert sich zum einen in Opferzeremonien, zum anderen in Ritualmorden anden Außenseitern Simon und Piggy. Bei der anschließenden Hetzjagd auf Ralphwird die gesamte Insel in Brand gesteckt und verwüstet. Erst ein britischesKriegsschiff beendet als Deus ex machina den fehlgeschlagenen Versuch,ohne Erwachsene eine neue, bessere Welt aufzubauen. Goldings Anti-Utopiezeigt die irrationalen Potenziale des Menschen, die von der zivilisatorischenFassade moderner Gesellschaften verdeckt werden. Für Golding ist das Bösekeine von außen einwirkende Kraft, sondern als zerstörerische Macht imMenschen selbst angelegt. Ihr kann nur durch sittliches Bewusstsein undethisches Handeln begegnet werden.

Format:Sondereinband
Seiten:229
Verlag: Fischer
EAN:9783596214624

Rezensionen zu "Herr der Fliegen"

  1. 3
    07. Jun 2020 

    Lesenswert, aber kein must read.

    Ein Flugzeugabsturz.
    Eine unbewohnte Insel im pazifischen Ozean.
    Eine Horde Jungs, die dort ums Überleben kämpft und auf Rettung hofft.

    Das ist stichpunktartig die Rahmenhandlung.

    Wo anfangs Übereinstimmung und Solidarität war, entsteht mit der Zeit Rivalität. Es entstehen Lager und die Situation wird immer brenzliger.
    Starke, Schwache, Mitläufer und Rebellen kristallisieren sich heraus.
    Kampf um die Vorherrschaft, Kampf ums Überleben.

    William Golding schont den Leser dabei nicht. Es gibt schockierende und brutale Szenen. Das Geschehen gipfelt in Blutrausch, Machtrausch, fahrlässige Tötung und vllt. sogar Mord.

    Obwohl die Protagonisten Kinder und Teenager sind, ist dieser Roman meines Erachtens für diese Altersgruppe nicht als Lektüre geeignet. Stellenweise ist er zu brutal. Für viele könnten manche Stellen auch zu unklar oder der Schreibstil zu wirr sein. Vielleicht auch zu „altmodisch“, was das Setting anbelangt?

    Was gruppendynamische Prozesse betrifft, ist der Roman sehr interessant, aktuell und repräsentativ. Und zwar repräsentativ für Kinder und Erwachsene. Für beide Geschlechter. Egal ob getrennt oder gemischt. Er regt durchaus zum nachdenken und diskutieren an.

    Phasenweise hat mich die Geschichte gepackt, aber insgesamt gesehen hinterlässt sie mich nicht begeistert.
    Es ist ein durchaus lesenswertes Werk, aber sicherlich kein „must read“.

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  1. Das Ungeheuer in uns

    Der britische Autor und spätere Nobelpreisträger William Golding schrieb seinen berühmtesten Roman, „Herr der Fliegen“, unter dem Eindruck des zu Ende gegangenen zweiten Weltkriegs. Die Bilder der Schlachtfelder, der Leichenberge in den Vernichtungslagern und der Atompilze, die sich über den Städten Hiroshima und Nagasaki erhoben, waren noch präsent, als Golding sich an die Schreibmaschine setzte. Gerade hatte sich die Menschheit von ihrer schlimmsten Seite gezeigt, wozu Menschen in Extremsituationen fähig sind.

    „Herr der Fliegen“, in denen Golding ebenfalls eine Ausnahmesituation beschreibt, in die eine Gruppe britischer Schüler gerät, wurde zunächst von mehr als zwanzig Verlagen abgelehnt. Zu verstörend war das Bild, das der Autor über das Böse im Menschen zeichnete, das nur auf seine Gelegenheit wartete hervorzubrechen und tausende Jahre Zivilisation bei der ersten Gelegenheit auszulöschen. Erst 1954 wagte ein Verlag die Veröffentlichung, wonach sich der Roman schnell zum Bestseller und schließlich zum Kultbuch entwickelte.

    In seiner Robinsonade erzählt Golding die Geschichte einer Gruppe von sechs- bis zwölfjährigen Schülern, die nach einem Flugzeugabsturz auf einer abgelegenen tropischen Insel landen. Sie wurden während eines Atomkriegs evakuiert. Die Kinder sind plötzlich, ohne irgendeinen Erwachsenen, völlig auf sich alleine gestellt und müssen sich nicht nur selbst organisieren, sondern sprichwörtlich ums Überleben kämpfen. Sie bauen Hütten, entfachen ein Feuer auf einem Hügel in der Hoffnung, ein Schiff könnte die Rauchsäule sehen und sie retten.

    Doch der aus der Not geborene Frieden währt nicht lange. Rivalitäten zwischen den Jungen tun sich auf, die in offene Feindseligkeiten münden. Während eine Gruppe die Ordnung und damit die Zivilisation aufrecht erhalten will, geht die andere in Kriegsbemalung auf die Jagd und gleitet schließlich in eine gewalttätige, steinzeitliche Wildheit ab. Der Krieg, dem sie gerade entflohen sind, holt sie auf der Insel ein. Aber jetzt führen sie ihn selbst. Sie entfachen ihn, indem sie schnell die Regeln der Zivilisation über Bord werfen. Man könnte auch sagen, das immer - auch in den Kindern - vorhandene Böse bricht durch, weil es keine Ordnungskräfte gibt, die es in seine Schranken weisen könnte.

    Schonungsloser als Golding hatte bis dahin kaum ein Autor den schnellen Zerfall von Ordnung und Menschlichkeit beschrieben. Neu und schockierend war, dass Golding auch Kindern ab einem gewissen Alter ihre völlige Unschuld absprach. Es schien, als ob auch in ihnen etwas Dunkles auf der Lauer lag, das nur auf seine Gelegenheit wartete. Eine Art hungriger Drache ohne jede Moral.

    Unter dem Eindruck der Kriegsschrecken hat William Golding mit „Herr der Fliegen“ eine zeitlose Geschichte erzählt, die auch eine Warnung ist vor dem Ungeheuer in uns. Als Beweis dafür, dass es dieses Ungeheuer gibt, reicht ein Blick in die Geschichtsbücher. Der Roman gilt heute als Klassiker der Moderne. Absolute Lesempfehlung.

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  1. Ein Buch von immerwährender Aktualität

    Bei „Herr der Fliegen“ handelt es sich um den ersten und erfolgreichsten Roman aus der Feder des späteren Literaturnobelpreisträgers William Golding (1911 bis 1993). Der Roman erschien erstmals 1954. Seither wurde er immer wieder neu übersetzt und aufgelegt und zählt heute zu den Klassikern der Moderne.
    Eine Gruppe sechs- bis zwölfjähriger englischer Schuljungen strandet nach einem Flugzeugabsturz auf einer unbewohnten Insel mitten im Pazifik. Was als romantische Robinsonade beginnt, entwickelt bald seine eigene Dynamik. Die Gruppe splittet sich auf. An der Spitze der einen Partei steht Ralph; er versucht, die menschliche Zivilisation aufrechtzuerhalten: Er lässt Hütten bauen, ein Signalfeuer entfachen, organisiert den Alltag und macht sich Gedanken um sein Äußers. Jack indes lässt das Zivilisierte bald hinter sich; er widmet sich allein der Jagd und findet Gefallen daran, sich durch „Kriegsbemalung“ in einen „Wilden“ zu verwandeln. Als die eigentlich dem Überleben dienende Schweinejagd dann ausartet, findet sie ihren Höhepunkt in einem Mord: Die Kinder haben Blut geleckt … und die Katastrophe ist unausweichlich.
    Der Roman beginnt durchaus romantisch und ruhig: „Zwischen der Palmenterrasse und dem Uferrand schien sich die sanfte Kurve des Strandes als schmaler Streifen ins Grenzenlose dahinzuziehen …“ Die Kinder gehen daran, sich zu organisieren und so ihr Überleben zu sichern. Doch lässt die Feststellung, dass Intelligenz und Organisationstalent noch lange keine Führungspersönlichkeit machen, Schreckliches ahnen. Und tatsächlich: Die anfangs dahinplätschernde Handlung gewinnt nach und nach immer mehr an Dramatik und gipfelt schließlich in grenzenloser Brutalität: „Stecht das Tier! Macht es rot! Blut fließt rot!“ Dieser Ruf gilt schließlich nicht „nur“ den Tieren, sondern auch Ralph, der als einziger noch ein Stück Zivilisation in sich trägt. Allein der „deus ex machina“ in Form eines Marineoffiziers vermag es schließlich, den endgültigen Untergang der Gruppe abzuwenden.
    Mehrere Elemente sorgen für Dramatik und führen Leserinnen und Lesern das ganze Desaster unverblümt vor Augen:
    Der Roman spielt vor der Kulisse eines Atomkriegs. Doch kaum sind die Kinder dem Kriegsgeschehen der Erwachsenen entronnen, veranstalten sie ihren eigenen Krieg. Während Kinder im Allgemeinen als Symbol der Unschuld gelten, präsentieren sie sich hier als das Böse in persona. Auf der Insel finden die Kinder einen Garten Eden vor, doch sehr schnell haben sie nichts Besseres zu tun, als diesen möglichst schnell zu zerstören. Goldings Sprache ist durchweg sehr poetisch, was in einem markanten Gegensatz zum Geschehen steht.
    Allein der Blick in die Geschichte und in die aktuellen Nachrichten zeigt: Wir alle sind diese Kinder; auch wir neigen immer wieder zur Gewalt, lassen uns von anderen nur allzu gern blenden und werden zu Mitläufern. Im Roman rettet der unverhofft eintreffende Offizier die Kinder vor dem endgültigen Ruin. Doch auf einen Messias werden wir im Hier und Jetzt wohl vergebens warten. Das Einzige, was uns bleibt: das Tier, das Wilde in uns zu zähmen. Und es gar nicht erst zur Katastrophe kommen zu lassen.
    Insofern stellt Goldings „Herr der Fliegen“ ein lesenswertes, stets aktuelles Werk dar, das zurecht seinen Platz in der Weltliteratur innehat – und ein Werk, dem man sich nicht nur als Pflichtlektüre in der Schule widmen sollte, sondern das gerade uns im Jahre 2019 als Erwachsene sehr viel zu sagen hat.

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