Genau richtig

Buchseite und Rezensionen zu 'Genau richtig' von Jostein Gaarder
4.5
4.5 von 5 (2 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Genau richtig"

Die kurze Geschichte einer langen Nacht
Gebundenes Buch
Was ist das Wichtigste im Leben? Und was genau richtig? Das neue Buch von Jostein Gaarder.

Albert hat eine schlimme Diagnose von seiner Ärztin und ehemaligen Geliebten erhalten. Während seine Frau Eirin auf einem Kongress ist, fährt er allein in die einsame Ferienhütte an einem Waldsee: Soll er sein Leben selbst beenden, bevor es die tödliche Krankheit tut? Um mit sich selbst ins Reine zu kommen, schreibt er in das Hüttenbuch. Er erzählt, wie er Eirin kennenlernte und wie sie als jung Verliebte in das Märchenhaus einbrachen, das sie später gekauft haben. Wie seine Ehe zu kriseln begann, welche Rolle Sohn und Enkelin für ihn spielen und von seiner Begeisterung für die Astrophysik. Es wird eine lange Nacht, bis irgendwann ein Boot ruderlos auf dem See treibt und ein Fremder erscheint.

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:128
EAN:9783446263673

Rezensionen zu "Genau richtig"

  1. Nichts hat Bestand. Es verändert sich.

    Inhalt

    Albert und Eirin haben fast ihr ganzes Leben gemeinsam verbracht. Sie haben trotz aller Höhen und Tiefen letztendlich ihren Lebensweg gemeinsam bestritten.

    „Eirin und ich haben einander ernst versprochen, in guten wie in bösen Tagen zusammenzuhalten. Die guten Tage, fast nur gute, liegen hinter uns. Jetzt kommen die bösen Tage, aber vielleicht können wir auch darin etwas Gutes finden.“ (S. 123)

    Doch auf einmal wird alles anders. Eirin ist auf einem Kongress weit weg von ihrem Mann. Er erhält von seiner Ärztin die Diagnose über eine Krankheit, die ihn binnen kurzer Zeit zum Pflegefall machen wird.
    Die Krankheit wird seine motorischen Nervenzellen abbauen, was zur Folge hat, dass sein Körper immer mehr versteift und ihm letztlich das Leben kosten wird. Er fährt noch einmal hinaus an das gemeinsame Haus am See. Er blickt in Gedanken zurück und überlegt, ob er seinem Leben ein Ende zu setzen Leben überhaupt und philosophiert ausführlich mit der Frage befasst, ob die Erde der einzige bewohnte Planet im Weltraum ist und ob der Mensch allein ist.

    Sprache und Stil
    Jostein Gaarder läßt einen sterbenskranken Mann, Albert, dem es in Anbetracht seiner ihm noch verbleibenden Lebenszeit zwar gut geht, aber dessen Stunden gezählt sind, seine Lebensgeschichte erzählen. Einerseits handelt der Roman von einem Leben und das individuelle Schicksal und zeigt doch zugleich die großen Zusammenhänge der Welt, die Menschlichkeit und die Ängste auf.
    Jostein Gaarder gelingt es, schwere Themen mit großer Leichtigkeit und einfachen Worten darzustellen. In philosophischen Ansätzen denkt Albert über das Leben, Verluste, Wünsche nach. Er denkt an seine Rückschläge und hat die tiefe innere Überzeugung, dass jedes Individuum auf Erden einzigartig ist.

    „Was ist der Mensch?
    Ist es nur ein glücklicher Zufall, dass wir hier sind?
    Können wir all das mit etwas anderem in Verbindung
    bringen als mit Physik und Chemie?“ (S.74)

    Alberts Nachdenken beginnt mit der Diagnose seiner Erkrankung. Seine späte Erkenntnis schmerzt: „Zu einem wie auch immer gearteten Normalzustand führt kein Weg zurück. Es tut weh, daran zu denken“, (S.77) schreibt er in das Hüttenbuch
    Die Sprache besticht durch kurze und prägnante Sätze. Der Text gestaltet sich zu einer tiefgehenden und philosophischen Reflexion über Momente, die genau richtig waren im kosmischen Sinn und in seinem persönlichen Leben.

    „Aber Leben kann so vieles sein. Vielleicht gibt es ein vielfältiges Gewimmel von Mikroben auf einer Unzahl von Himmelskörpern im Weltraum. (S.77)

    Fazit
    Der Untertitel „Die kurze Geschichte einer langen Nacht“ trifft den Inhalt des Buches sehr gut.
    Ein Buch, dass nachdenklich macht und zum Innehalten anregt. Nichts hat Bestand. Es verändert sich. Wir erkennen, dass die Endlichkeit zum Leben dazu gehört.

    „Ich denke, dass die Zeit, die mit bleibt, weder zu lang noch zu kurz. Sie ist genau richtig.“ (S.125)

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  1. 5
    17. Aug 2019 

    Die Diagnose...

    Albert hat eine schlimme Diagnose von seiner Ärztin und ehemaligen Geliebten erhalten. Während seine Frau Eirin auf einem Kongress ist, fährt er allein in die einsame Ferienhütte an einem Waldsee: Soll er sein Leben selbst beenden, bevor es die tödliche Krankheit tut? Um mit sich selbst ins Reine zu kommen, schreibt er in das Hüttenbuch. Er erzählt, wie er Eirin kennenlernte und wie sie als jung Verliebte in das Märchenhaus einbrachen, das sie später gekauft haben. Wie seine Ehe zu kriseln begann, welche Rolle Sohn und Enkelin für ihn spielen und von seiner Begeisterung für die Astrophysik. Es wird eine lange Nacht, bis irgendwann ein Boot ruderlos auf dem See treibt und ein Fremder erscheint.

    Albert ist geflohen. Geflohen vor der Diagnose, die ihm gerade mitgeteilt wurde, geflohen vor dem, was ihn erwarten mag, geflohen vor seinen Lieben, mit denen er die Nachricht nicht teilen möchte. Er ist allein im einsam gelegenen Märchenhaus, wie er und seine Familie die Ferienhütte am Waldsee nennen. Er will in Ruhe nachdenken - und eine Entscheidung treffen. Und welcher Ort könnte dafür besser geeignet sein als die einsame Hütte und der tiefe See, der immer ein wenig geheimnisvoll scheint?

    "Solche Seen haben etwas Unergründliches, etwas Widersprüchliches. Sie können mitten am Tag so hell und blau wirken, so lebensbejahend und heiter, aber dann werden sie so schwarz und bedrohlich, wenn die Nacht hereinbricht, wie tiefe Senken in der Zeit, schwarze Löcher mit einer so starken Schwerkraft, dass sie alles einsaugen." (S. 24)

    Dieser See wird für Albert zum Symbol seiner Gedanken, Emotionen, Erinnerungen - ein Abbild seines Lebens, seiner heiteren Stunden ebenso wie seiner dunklen Gedanken, so wie sie sich nun an ihn heranschleichen. Der 56Jährige schreibt alles nieder, was ihm durch den Kopf geht, hofft, dabei auf einen roten Faden zu stoßen, der ihm helfen wird, seine Entscheidung zu treffen: Aushalten bis zum bitteren Ende oder aber...?

    Der innere Monolog besticht durch sorgfältige Formulierungen und bildhafte Schilderungen, die dem Leser auch komplexere Gedankengänge zugänglich machen. Albert verliert sich nicht in seinen Erinnerungen, auch wenn diese sich immer wieder aufdrängen. Er stellt sein eigenes Schicksal im Laufe der langen, einsamen Nacht in den Zusammenhang mit der gesamten Menschheit ("Nichts an meiner Situation ist einzigartig, im Gegenteil..." - S. 9), der Evolution und letztlich dem ganzen Universum.

    So wie man es bei Jostein Gaarder vermutlich erwarten kann, halten hier wieder einmal philosophische Denkansätze und zudem ein klein wenig Astrophysik Einzug - wovon man sich aber nicht abschrecken lassen sollte. Der Autor bastelt aus all diesen Ansätzen ein Kaleidoskop von Zusammenhängen, die gleichzeitig faszinieren, dabei aber auch nicht vergessen lassen, dass es sich hier um die dunkle Nacht einer Entscheidung handelt.

    "Es hat nie ein Sein gegeben, sondern nur ein Werden, denn nichts auf der Welt hat Bestand." (S. 92)

    Ein kleines, aber feines Buch, das nachdenklich stimmt und nicht zuletzt die Frage aufwirft, was Menschsein eigentlich bedeutet. Das von Quint Buchholz liebevoll gestaltete Cover passt hervorragend zu dieser Erzählung und lässt das Dunkle der einen langen Nacht erahnen. Wieder einmal empfehlenswert!

    © Parden

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