Die vier Gezeiten: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Die vier Gezeiten: Roman' von Anne Prettin
3.65
3.7 von 5 (3 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Die vier Gezeiten: Roman"

Autor:
Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:480
Verlag: Lbbe
EAN:9783785727317

Rezensionen zu "Die vier Gezeiten: Roman"

  1. Ebbe und Flut

    Juist 2008: Eduard Kießling, Familienoberhaupt und Bürgermeister von Juist soll das Bundesverdienstkreuz erhalten. Mitten in die Vorbereitungen zu dem Festakt platzt eine junge Frau, Helen, die behauptet, zur Familie zu gehören. Sie ist Adda Kießling, Eduards Ehefrau, wie aus dem Gesicht geschnitten. Mit Helens Erscheinen kommen viele Erinnerungen, Geheimnisse und Lügen zu Tage, die das Familiengefüge völlig auf den Kopf stellen.

    Anne Prettin hat mit „Die vier Gezeiten“ einen Familienroman über vier Generationen entworfen. Die Geschichte ist stark weiblich besetzt: Johanne, Addas Mutter. Addas vier Töchter. Adda selbst und schließlich Helen. In dieser Familie gibt es reichlich Potential für Konflikte. Vieles blieb über viele Jahre ungesagt und ungefragt im Verborgenen. Jede dieser Frauen trägt einen Rucksack an Emotionen und Verletzungen mit sich.

    „Getrieben von Unruhe. Ein wenig zu ungestüm, mitreißend. Wie die Flut…Die vier Gezeiten. So hat meine Mutter uns immer genannt.“

    Die Autorin erzählt freudig auf mehreren Zeitebenen, aus verschiedenen Perspektiven und mit eingeschobenen Tagebucheintragungen, die für einige Überraschung sorgen.
    Wie Ebbe und Flut, ein stetiges Kommen und Gehen, Distanz und Nähe, vergeudete Leben und lebenslange Liebe. Dieses Buch hat alle Ingredienzien für einen schönen Schmöker. Die berauschend schöne Kulisse sorgt für Sehnsucht nach dem Meer und der Insel Juist.

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  1. 5
    08. Apr 2021 

    Packender Roman

    Man taucht sofort ein in die Geschichte dieser so unterschiedlicher Frauen. Man taucht tief ein in die wunderbaren Figuren, fiebert mit, wenn Johanne Gustav retten will, könnte heulen, wenn Adda sich für Eduard entscheidet, möchte schreien, wenn Wanda sich so verzettelt, dass sie keinen Ausweg sieht und will Helen an die Hand nehmen, wenn sie in diese sympathische dysfunktionale Familie hineingeworfen wird. Nebenbei erfahren wie viel über die wunderbare Insel Juist, das aktuelle Thema von Küstenschutz, Naturschutz, Artenschutz und und 80 Jahre deutscher Geschichte werden fein eingewoben und dank der bildhaften Sprache der Autorin so lebendig gemacht, dass ich mich keine Minute gelangweilt habe.
    Wenn man nach fünfhundert Seiten wieder auftaucht ist man glücklich und traurig zugleich. Ich will meine Frauen nicht verlassen, bin aber glücklich, dass sich am Ende alles halbwegs gut für sie auflöst. Und weiß, dass ich mich bald nach Juist aufmache, um mich mit eigenen Augen zu überzeugen von dieser tollen Insel.

    Fazit: Ein tolles Buch, das ich jedem nur empfehlen kann!

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  1. *Fesselnde, aber etwas überladene Familiengeschichte*

    „Die vier Gezeiten“ von der deutschen Autorin Anne Prettin ist ein spannender und Familienroman, der mit vielen Familiengeheimnissen, traurigen wie dramatischen Entwicklungen sowie zahlreichen Wendungen zu unterhalten weiß.
    Hinter dem ungewöhnlichen und etwas rätselhaften Titel „Vier Gezeiten“, dessen Bedeutung sich einem im Laufe der Handlung erschließt, verbirgt sich eine opulente, mitreißend erzählte Familiengeschichte über die angesehene Juister Hoteliersfamilie Kießling, die sich über vier Generationen hinweg erstreckt und geschickt einen Bogen über viele Jahrzehnte mit verschiedenen Zeitepochen spannt.
    Im Mittelpunkt der ereignisreichen Geschichte stehen die verschiedenen, außergewöhnlichen Frauen der Familie mit ihren faszinierenden Lebensgeschichten, die teilweise erschreckende parallele Entwicklungen aufweisen, ihren sorgsam gehüteten Geheimnissen und folgenschweren Entscheidungen, die bis in die Gegenwart nachwirken und das Leben der nachfolgenden Generationen mit beeinflusst haben.
    Angelegt ist der Roman in zahlreichen, sich abwechselnden Handlungssträngen, die aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt werden und auf verschiedenen Zeitebenen und Epochen angesiedelt sind, so dass sich die komplexe Familiengeschichte erst allmählich durch die unterschiedlichen Rückblenden zusammenfügt. Gerade zu Beginn des Romans hat man als LeserIn allerdings mit der verwirrenden Vielzahl der Charaktere, ihrem Bezug zueinander inklusive der verzwickten Verwandtschaftsverhältnisse zu kämpfen. Später fällt einem die Zuordnung dann naturgemäß sehr viel leichter. Dennoch hätte ich mich sehr über ein kurzes Personenregister gefreut, um einen schneller Überblick über die vielen Figuren zu erhalten.
    Nach dem packenden Einstieg in die Geschichte mit dem rätselhaften und verhängnisvollen Tagebucheintrag einer jungen Frau von 1978, setzt die eigentliche Handlung in der Gegenwart von 2008 auf der Nordseeinsel Juist ein. Mit dem überraschenden Auftauchen der jungen Neuseeländerin Helen, die aufgrund ihrer frappierenden Ähnlichkeiten mit den Kießlings auf irgendeine Weise verwandt zu sein scheint, entspinnt sich für uns eine spannende Suche nach ihrer leiblichen Mutter. Gemeinsam mit ihr lernen wir allmählich die verschiedenen Familienmitglieder und ihre Besonder- und Eigenheiten kennen. Plötzlich scheint das jahrzehntelange beharrliche Schweigen der Familie ins Wanken zu geraten, bislang streng gehütete Geheimnisse wurden enthüllt und in vielen Rückblenden erfahren wir schrittweise immer neue Details aus dem bewegten Leben von Johanne aber auch ihrer Tochter Adda, ihre Hoffnungen, Sehnsüchte, Träume, Verluste und Enttäuschungen.
    Einfühlsam und mit angenehmer Leichtigkeit zeichnet die Autorin in den Rückblicken bedeutsame Lebensstationen ihrer Figuren aus der Vergangenheit nach und nimmt uns mit auf eine faszinierende Zeitreise. So tauchen wir gemeinsam mit der jungen Johanne ins Juist der 1934ger Jahre ein, lernen die bekannte Reformschule „Die Schule am Meer“ kennen und bekommen die erstarkenden nationalsozialistischen Einflüsse auf der Insel mit oder erleben gemeinsam mit der jungen Adda nach der schwierigen Nachkriegszeit die Aufbruchstimmung der 1950er Jahren.
    Die Autorin versteht es hervorragend, das tolle Inselflair von Juist und die unterschiedlichen Schauplätze der Insel von der Wattlandschaft, den Stränden bis hin zur Inselbahn atmosphärisch dicht und anschaulich zu beschreiben, so dass man alles wunderbar vor Augen hat. Auch das sorgsam recherchierte Zeitkolorit zu den jeweiligen Epochen aber auch die Zwänge der damaligen gesellschaftlichen Realität im Wandel der Zeiten hat sie sehr authentisch und plastisch in die Handlung mit einfließen lassen.
    Anne Prettin hat mit ihrer Familiengeschichte beeindruckende, facettenreiche Frauen-Figuren geschaffen, die mit ihren Eigenheiten, Stärken und Verletzlichkeiten einerseits lebensnah und lebendig wirken, mich aber in vielerlei Hinsicht leider nicht erreichen konnten. Viele ihrer Handlungsweisen und zugrunde liegenden persönlichen Entwicklungen waren für mich nicht nachvollziehbar bzw. glaubhaft, so dass ich mit keiner der Hauptfiguren wirklich warm werden konnte.
    Während die Spurensuche Helens, ihre geheimnisvolle Herkunft und die Mutmaßungen um ihre leibliche Mutter sich anfangs noch sehr fesselnd gestalteten, so tritt dieser Handlungsstrang leider zunehmend in den Hintergrund. Für meinen Geschmack wirkte die Geschichte irgendwann leider durch die Fülle an Familiengeheimnissen, klischeehaften Verwicklungen und Schicksalsschlägen zu überfrachtet, konstruiert und unglaubwürdig, um mich noch begeistern zu können.
    Zum Ende hin verdichtet die Autorin ihre Geschichte nach einigen sehr konstruiert wirkenden Wendungen und überraschenden Enthüllungen immer weiter, führt die vielen losen Handlungsfäden zusammen und lässt ihre schließlich etwas überladene Familiengeschichte zwar überstürzt aber recht versöhnlich ausklingen.
    Schade, diese Familiengeschichte hatte wirklich viel Potential, konnte mich aber ab dem Mittelteil immer weniger überzeugen.

    FAZIT
    Eine komplexe Familiengeschichte mit fesselnden Familiengeheimissen, tollem atmosphärischen Inselflair und lebendigem, stimmigem Zeitkolorit, die leider nicht ganz überzeugend und etwas klischeebehaftet umgesetzt wurde.

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