Die Stunde der Hyänen

Buchseite und Rezensionen zu 'Die Stunde der Hyänen' von Thomas Wörtche
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3 von 5 (3 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Die Stunde der Hyänen"

In der Hauptstadt brennen seit Monaten nachts immer mehr Luxuskarossen. Berliner Autofahrer fühlen sich allein gelassen und gehen in ihrem Kiez gemeinsam auf »Bürgerstreife«, während der polizeiliche Staatsschutz linken Unrat wittert. Die junge Polizistin Romina Winter ist gerade aus disziplinarischen Gründen frisch zum Dezernat für Branddelikte versetzt worden und patrouilliert durch die nächtliche City. Durch die streift auch der Postbote Maurice Jaenisch, der ganz sicher weiß, dass die Stadt von Satan beherrscht wird. Und weil er alles richtig machen will, muss er ihm gegenübertreten. Auch Jette Geppert ist unterwegs. Sie ist Reporterin bei Kriminalprozessen in Moabit, und sie ist ein Super Recognizer: Sie kann Gesichter zuverlässig wiedererkennen. Drei Menschen treiben durch die riesige Stadt, deren Nachtgesicht geheimnisvoll, faszinierend und brandgefährlich ist ...

Format:Broschiert
Seiten:265
EAN:9783518473009

Rezensionen zu "Die Stunde der Hyänen"

  1. Brandheiße Berliner Nächte

    Berlin ist in Aufruhr, denn seit Monaten brennt immer wieder in der Nacht ein Auto. Die Polizei findet keine Spuren und die Autobesitzer gehen selbst auf Streife. Die junge Polizistin Romina Winter ist neu im Dezernat für Branddelikte und freundet sich mit der Journalistin Jette Geppert an. Beide patrouillieren nachts durch die Stadt und versuchen den Täter auf frischer Tat zu ertappen. Und dann ist da noch der Postbote Maurice Jaenisch der immer wieder an den Tatorten auftaucht.
    Die Handlungen wurden gut beschrieben und hinter allem herrscht eine beklemmende Atmosphäre. Neben Brandstiftung wurden in diesem Buch auch Missbrauch im Namen der Kirche, Gewalt in der Ehe, Mobbing am Arbeitsplatz und noch ein paar weitere Themen verarbeitet, sodass mir hier doch zu viel Brisanz auf gerade mal 262 Seiten behandelt wurde.
    Der Schreibstil hat mir anfangs sehr gut gefallen, dann aber liest sich der Text streckenweise irgendwie schleppend mit abgehackten kurzen Sätzen. Das Ganze hat ein bisschen etwas von einer Berichterstattung die heruntergeleiert wird.
    Die Charaktere sind teilweise sehr plakativ beschrieben. Jetten Verhalten bezüglich ihres Privatlebens ist für mich nicht nachvollziehbar und wurde meiner Meinung nach übersteuert dargestellt.
    Dieses Buch ist für mich kein Thriller und hat mir leider nicht gefallen.

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  1. Berlin bei Nacht

    In Berlin brennen nachts immer wieder Autos. Zu Beginn wird man Zeuge, wie der ehemalige LKW-Fahrer und Alkoholiker Radek, der nach dem Rausschmiss zu Hause nun im VW -Bulli haust, fast Opfer eines Brandanschlags wird. Jette Geppert ist Journalistin und berichtet über die Geschehnisse. Sie besucht Radek auch im Krankenhaus und durch ihre Artikel wird eine große Spendenaktion für Radek ins Leben gerufen. Jette Geppert ist im Beruf erfolgreich und tough, zu Hause allerdings wird sie von ihrem weniger erfolgreichen Freund ausgenutzt und geschlagen. Die Journalistin wiederum trifft die junge Polizistin Romina Winter, die gerade zum Dezernat für Branddelikte strafversetzt wurde. Sie ist eine Roma und wird von ihren hauptsächlich männlichen Kollegen ignoriert oder belächelt. Ihre Wege kreuzen sich mehr oder weniger zufällig im nächtlichen Berlin. Insofern erinnert die Handlung ein bisschen an den Film Short Cuts.
    Was vielversprechend beginnt, wird dann aber leider zu wenig spannend. Schon sehr früh kennt man den Täter, den jungen Postboten Maurice, der mit seiner Familie in einer strengen Sekte lebt. Seine Liebe zu Britta kann er nicht ausleben, da er es nicht wagt, sich ihr zu öffnen, außerdem wird sie von den Sektenführern strikt unterbunden. Auch die anderen Figuren leben in schwierigen Bedingungen, Alkohol, Missbrauch in der Familie oder in der Partnerschaft, schwierige Eltern-Kind-Beziehungen usw. Irgendwie verliert man sich in den zahllosen Handlungssträngen, was zwar wohl realistisch ist, trotz aller Düsterkeit. Aber ein richtiger Spannungsbogen kann sich dabei nicht entwickeln.
    Da hat der Klappentext leider etwas zu viel - oder etwas Falsches versprochen. ,,Die Stunde der Hyänen“ ist ein interessanter und lesenswerter Roman, aber kein Thriller und auch nicht ,,hochexplosiv“.

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  1. 3
    28. Nov 2022 

    Filmisch, süffig, überzeichnet

    Der dritte Berlin Noir von Johannes Groschupf frischt unsere Bekanntschaft mit der coolsten Polizistin der Welt auf: Romina Winter ist Romni, ziemlich taff und neu im rein männlichen Branddezernat – eine Strafversetzung, die vor allem ihre neuen Kollegen als Strafe empfinden.

    Zu Anfang des Romans befinden sich alle weiblichen Protagonisten in der Opferrolle: Britta dient bei den „Jüngern Jachwes“ seit ihrem zwölften Lebensjahr als Projektionsfläche für den „Unflat der Frauen“; die engagierte Reporterin Jette hat einen prügelnden Freund, der sich nicht aus ihrer Wohnung werfen lassen will und Romina Winter wird von ihren Kollegen gemobbt und von der Ermittlungsarbeit ferngehalten.
    Die männlichen Figuren sind sämtlich toxisch und/oder Loser. Da ist Radek, ehemaliger Fernfahrer, Puffgänger und Frauenschläger, der eine Radfahrerin totgefahren hat und sich seitdem arbeits- und obdachlos in seinem Bulli durch den Tag säuft. Laszlo ist Schriftstellerenkel und will Weltliteratur produzieren. Er hält es für eine Zumutung, Geld zu verdienen, wofür gibt es Freundinnen? Maurice ist Postzusteller in Ausbildung und in derselben Sekte wie Britta, die er gerne heiraten möchte, doch die ziert sich – warum nur? Er hat erotisch und existenziell solchen Druck, dass er sich nur Erleichterung verschaffen kann, wenn er Autos anzündet. Und das muss er immer öfter tun – Kreuzberg brennt und macht Schlagzeilen.

    Die alten weißen Männer des Branddezernats stehen auf dem (Lösch-)Schlauch – nur Romina hat einen Ansatz, aber niemand hört auf sie. Sie sucht Verbündete und findet Jette, die einen Artikel über den „Polnischen Messias“ geschrieben hat. Dieser Messias ist Radek, dessen Bulli eines Abends von Maurice angezündet wird – Radek überlebt nur knapp und schwer verbrannt und nimmt das als göttliches Zeichen. Er wird fromm, beginnt zu missionieren und tritt eine Lawine der Verwicklungen los, an deren Ende „Die Stunde der Hyänen“ für reinen Tisch sorgt.

    Das liest sich alles sehr cool, unterhaltsam und durchaus spannend, aber zunächst mal wenig thrillerhaft. Drive kriegt die Story erst auf den letzten 100 Seiten, dann aber richtig. Da entpuppt sich eine der Figuren auf eine Weise, die man nicht überraschend nennen kann, denn alles war vorher sorgfältig angelegt. Unerwartet kommt es trotzdem. Und dann laufen die Hyänen zu Hochform auf und lassen nichts anbrennen. Oder doch?

    Eine schöne Nische hat Groschupf da in der deutschen Spannungsliteratur für sich gefunden; seine Berlin-Thriller sind höchst atmosphärisch und wunderbar düster, wie sich das für einen Noir gehört. Nur ein bisschen viel gewollt hat er mit diesem Roman: Sektenwahn, Kindesmissbrauch, Pyromanie, Beziehungsgewalt, Mobbing, Zwangsprostitution, Medienkritik, das alles wird in den schlanken Text ohne größeren Knirsch eingearbeitet, aber weniger wäre eleganter gewesen. Mir war es auch ein wenig zu plakativ mit der Frauenpower – nicht, dass es davon je zu viel geben könnte, aber die Analogie mit den Hyänen war mir zu extrem und überzeichnet. Das ganze Konstrukt macht mir Unbehagen - die guten, starken Frauen, die bösen, schwachen Männer. Die Grautöne fehlen - hätte diesen Roman eine Frau geschrieben, müsste sie sich männerhassende Emanze schimpfen lassen. Ein Risiko, das Groschupf nicht vermeiden muss.

    Insgesamt gibt das in meiner Wertung nicht mehr als 3 Sterne, aber schlecht fand ich den Roman nicht. Etwas für Hauptstadt-Fans und Liebhaber von Noir-Filmen, sprachlich obendrein gewohnt souverän. So filmisch und süffig, wie Groschupfs Berlin-Romane sich lesen, kann es nicht mehr lange dauern, bis sie verfilmt werden.

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