Die Rache ist mein

Rezensionen zu "Die Rache ist mein"

  1. Ziemlich verwirrend

    Maître Susane hat mit Anfang 40 ihren Job in einer Kanzlei aufgegeben, um sich selbstständig zu machen. Es läuft aber nicht so richtig gut und sie ist froh, als Gilles Principaux sie beauftragt, die Verteidigung seiner Frau zu übernehmen. Marlyne Principaux hat ihre drei Kinder getötet. Me Susane glaubt, Gilles von früher zu kennen, dem Jungen, der ihr laut Aussage ihres Vaters zu nahe gekommen ist. Doch sie erinnert sich nicht mehr, was geschehen ist. Sie übernimmt aber den Fall.
    Ich muss leider sagen, dass mich dieses Buch ziemlich ratlos zurücklässt. Da es keine Kapiteleinteilung hat, ist es schwer zu lesen, denn immer wieder muss man sich orientieren, in welcher Zeit man sich gerade befindet. Dieses ganze Verwirrspiel zwischen Gedanken, Erwartungen, Vermutungen und Ängsten aus der Sicht von MeSusane ist ermüdend zu lesen. Am Ende ist eigentlich nichts geklärt.
    Die Charaktere finde ich schwierig und schwer einzuordnen. Me Susane ist mir nicht sympathisch und ich kann ihr Verhalten nicht verstehen. Das Verhältnis zu den Eltern ist schwierig, da sie glaubt, den Erwartungen nicht gerecht zu werden. Sie leistet sich eine Hausangestellte, die sie eigentlich nicht benötigt, will ihr aber etwas Gutes tun. Sie nimmt das Mandat an, aber ist viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt, als dass sie sich intensiv darum kümmert, diesen Fall zu bearbeiten. Den dreht und wendet sie in ihrem Kopf, um dann die Geschichte zu formen, wie sie hätte verlaufen können. Sie grübelt und grübelt und macht ihre Überlegungen zu Realitäten. Aber auch die anderen Figuren, wie Putzfrau Sharon, Gilles Principeaux und seine Frau Marlyne sind seltsam.
    Am Ende sind lauter Fragezeichen in meinem Kopf, das alles im Nebulösen geblieben ist.

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  1. Psychologisches Verwirrspiel

    Maitre Susane ist Anwältin in Bordeaux. Sie hat sich aus kleinen Verhältnissen emporgearbeitet, jedoch eine lukrativere Stelle in einer größeren Kanzlei aufgegeben, um selbständig zu arbeiten. Ihr eigenes Büro läuft mehr schlecht als recht, sie hat nur wenige Mandanten. Eine von ihnen ist Sharon, ihre aus Maurizien stammende Hausangestellte, die mit ihrer Familie von der Abschiebung bedroht ist. Me Susane soll das verhindern.

    Am 5. Januar 2019 betritt Gilles Principaux ihre Kanzlei, der sie mit einem spektakulären Fall betrauen will: Seine geliebte Frau Marlyne sitzt wegen Mordes im Gefängnis, sie soll die drei gemeinsamen Kinder umgebracht haben. Me Susane soll ihre Verteidigung übernehmen. Einerseits freut sie sich über den Auftrag, der ihr zu mehr Ansehen verhelfen kann, andererseits verbindet sie mit Principaux ein aufrührendes, folgenschweres Erlebnis in ihrer Kindheit, von dem ihr nicht ganz klar ist, ob es sich dabei um einen Fluch oder einen Segen handelt. Die Erinnerungen daran bringen sie allerdings gehörig durcheinander. Sie beginnt Nachforschungen anzustellen, ob es sich bei der Person von damals wirklich um Gilles handelte. Ihre Eltern scheinen sie dabei nicht unterstützen zu wollen.

    Parallel dazu lernen wir Sharon besser kennen, die Me Susane in ihrem Haushalt beschäftigt, ohne wirklich Arbeit für sie zu haben. Es verdichtet sich der Eindruck, dass Sharon Geheimnisse hat, dass sie der Anwältin bewusst Informationen vorenthält, die die Erlangung einer Aufenthaltsgenehmigung vereinfachen  würden. Die Beziehung der beiden Frauen wirkt unklar und unaufrichtig.

    Diese beiden Handlungsstränge vermischen sich zusehends. Wir erfahren dabei alles aus der Perspektive der Anwältin. Zwangsläufig wird der Leser von ihr beeinflusst. Zunächst glaubt man zweifelsfrei alles, was Me Susane berichtet. In der Interaktion mit anderen Figuren kommen allerdings Zweifel auf. Sehr spannend auch die unterschiedlichen Sichtweisen der Eheleute Principaux, die nacheinander zum Tathergang verhört werden. Es tun sich immer mehr Zweifel und Ungereimtheiten auf, als Leser ist man auf der Suche nach der Wahrheit und den Zusammenhängen der Sachverhalte.

    Me Susane hat zudem ein angespanntes Verhältnis mit ihren Eltern. Sie fühlt sich von ihnen nicht als Individuum akzeptiert und permanent kritisiert. Offenbar haben sie ihrer Tochter auch die Trennung von Freund Rudy nicht verziehen, der mittlerweile verheiratet ist und selbst eine Tochter hat.

    „Die Rache ist mein“ muss man höchst aufmerksam lesen. Immer wieder finden sich eingestreute Hinweise, die neue Erkenntnisse hervorbringen. Zunehmend verzahnen sich die Handlungsstränge an dem ein oder anderen Punkt, es treten Spiegelungen auf. Man hinterfragt die Aufrichtigkeit der Erzählerin und ihre unzuverlässige Erinnerung ebenso wie die Aussagen der Eheleute Principaux. Das Ganze entwickelt sich zu einem höchst psychologischen Verwirrspiel, dessen anspruchsvolle Sprachgestaltung mich von Anfang an in seinen Bann gezogen hat. Man will immer mehr erfahren, will die dunklen Stellen der Geschehnisse beleuchtet wissen. Doch die Autorin tut uns nicht den Gefallen, alles dezidiert aufzulösen. Sie legt Fährten, schaltet hier und da ein Licht an, leuchtet aber nicht alles aus. Es ist ein Buch zum Nachdenken. Auch über die Frage der hintergründigen Ebenen: Worum geht es im Kern? Um tradierte Frauen- und Familienbilder, um Rollenklischees, um Asylpolitik, um Rassismus und Diskriminierung,…? Man kann wunderbar darüber schwadronieren und nachdenken. Vordergründig ist es ein absolut packender, psychologisch dichter und fesselnder Roman, der auch viel über die französische Gesellschaft aussagt.

    Unbedingt empfehlenswert!

     

    4,5/5 Sterne

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  1. Psychologisch und sprachlich faszinierend und anspruchsvoll

    Maître (Me) Susane, eine 42jährige Anwältin in Bordeaux, wird eines Tages in ihrer Kanzlei von einem Mann aufgesucht, der ihr unheimlich bekannt vorkommt und sie fortan in anstrengende Grübeleien bzgl. möglicher Geschehnisse in ihrer Vergangenheit stürzt. Beauftragt wird Me Susane von diesem Mann mit der Verteidigung seiner Frau, die ihre drei Kinder getötet haben soll.

    Allein diese Konstellation der Ereignisse verheißt eine spannende Lektüre. Und das ist sie auch. Und zwar auf ganz besondere, psychologisch faszinierende, sprachlich raffiniert ausgeklügelte und oft symbolhaft erzählte Art und Weise, die immer wieder für Verwirrung sorgt und ständig die Konzentration des Lesers/ der Leserin (heraus-)fordert. Klingt abschreckend? Vielleicht. Aber mich persönlich hat dieser Roman total gefesselt. Wenn ich auch so manches Mal Verwirrung gespürt habe, so bin ich trotzdem von einem soghaften Rausch erfasst worden. Immer mit der Frage: was will mir die Autorin hier über Me Susane und ihr Leben erzählen? Und ich gebe zu, manches Mal habe ich es nicht gleich verstanden. In der Gesamtheit jedoch, sowie in einem sehr inspirierenden Austausch im gemeinsamen Lesen, sind unheimlich viele Möglichkeiten der Interpretation zu Tage getreten. So viele Themen, die die Autorin hier anspricht (Klassengesellschaft in Frankreich, Migration, die Rolle der Frau, die Rolle der Eltern/Familie, Traumatisierungen…) und den Roman trotzdem nicht überfrachtet. Auf den ersten Blick bleibt vieles offen am Ende, auf den zweiten Blick -und alle weiteren- treten sehr viele Erkenntnisse und Interpretationsmöglichkeiten zu Tage.

    Die Autorin hat einen absolut eigenen Stil, sie spielt mit Sprache (sowas liebe ich!) und erzählt die Geschichte aus Sicht der Anwältin Me Susane mit ihren Selbstzweifeln und zahllosen Unsicherheiten im Leben. Dadurch wirkt es oft etwas wirr durch verschiedenste Andeutungen, dennoch verfolgt die Autorin aber eine klare Linie bis zum Schluss und macht diesen Roman am Ende sogar rund für mich.

    Mich hat der Roman teilweise angestrengt, aber die meiste Zeit enorm fasziniert und gefesselt. Ich empfehle ihn gern an Leser*innen mit einem Faible für anspruchsvolle, psychologisch & sprachlich ausgefeilte Literatur. Am besten in Gemeinschaft lesen!

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