Die Nacht mit Nancy

Buchseite und Rezensionen zu 'Die Nacht mit Nancy' von Wilson Collison
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5 von 5 (2 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Die Nacht mit Nancy"

Amerika Anfang der 1930er Jahre. Eine Hausparty in einem großbürgerlichen Landhaus. Ein lauter Schrei lässt mitten in der Nacht Bewohner und Gäste aufschrecken. Die sittenstrenge Gastgeberin Mrs. Hanley kommt herangeeilt und traut ihren Augen kaum: Im Schlafzimmer trifft sie nicht nur auf die junge, attraktive und nur mit einem Negligé bekleidete Witwe Nancy, sondern auch auf drei Männer in Pyjama unter anderem auch ihren eigenen Ehemann. Empört lässt sie alle Gäste und Bediensteten herbeirufen und fordert den jungen Anwalt Jimmy Landon auf, ein Kreuzverhör durchzuführen, um diese pikante Angelegenheit aufzuklären: Wer verbrachte die Nacht mit Nancy? Warum hat sie geschrien? Welche Rollen spielen die Ehemänner in diesem Spiel? Nach dem erfolgreichen Gefühls-Drama Das Haus am Kongo liefert Wilson Collison mit Die Nacht mit Nancy ein weiteres nostalgisches Lesevergnügen um eine selbstbewusste, präemanzipierte Heldin und zugleich ein spannendes Sittengemälde der damaligen US-Mittelschicht. Unterhaltsam, spannend, humorvoll, romantisch und voller Überraschungen...

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:249
Verlag: Louisoder
EAN:9783944153322

Rezensionen zu "Die Nacht mit Nancy"

  1. 5
    06. Okt 2016 

    Was für eine Nacht!

    Wenn irgendein Cover den Namen "Eyecatcher" verdient, dann ist es dasjenige des Romanes "Die Nacht mit Nancy" von Wilson Collison. Auf dem Cover prangt dem Leser ein Prachtweib aus den 30er Jahren entgegen. Kein Zweifel, das ist Nancy!

    Klappentext:
    Die Ostküsten-USA Anfang der 1930er Jahre. Eine Hausparty in einem großbürgerlichen Landhaus. Ein lauter Schrei lässt die Bewohner mitten in der Nacht aufschrecken. Die sittenstrenge Gastgeberin Mrs. Hanley eilt heran und traut ihren Augen kaum.: In einem der Gästezimmer trifft sie nicht nur auf die junge, attraktive und nur mit einem Negligé bekleidete Witwe Nancy, sondern auch auf drei Männer in Pyjamas. Empört lässt sie alle Gäste und Bedienstete herbeirufen und fordert den jungen Anwalt Jimmie Landon auf, ein Kreuzverhör durchzuführen, um diese pikante Angelegenheit aufzuklären ....

    Kann man aus solch einem Szenario einen guten Roman machen? Und wie man das kann!
    An sich ist die beschriebene Situation völlig banal: Frau wird wach, erschrickt sich, schreit, beruhigt sich wieder, schlecht geträumt? und schläft schließlich weiter. Na gut, einen Unbekannten im Schlafzimmer zu haben, ist nicht das, was man möchte - wobei es natürlich auf den Unbekannten ankommt. Aber diesen Vorfall dermaßen aufzublähen und daraus eine private nächtliche Gerichtsverhandlung zu machen, steht doch in keiner Relation.
    Und trotzdem schafft es Wilson Collison aus diesem Szenario einen Roman zu machen, der fast schon kriminalistische Züge annimmt und 100-%ig von der ersten bis zur letzten Seite durch seinen Witz und Humor überzeugen kann.

    "' ... Es ist wirklich ganz erstaunlich. Aus einem trivialen Schlafzimmer-Vorfall habe ich genügend Indizien, Nebenhandlungen, Verdachtsmomente, Andeutungen und Möglichkeiten herausgeholt, um ein Dutzend Romane zu schreiben.'" (S. 137)

    Nancy ist eine Frau, die Männerherzen höher schlagen und andere Frauen neben sich unscheinbar erscheinen lässt. Erst recht, wenn diese Frauen mitten in der Nacht ungeschminkt und im Nachthemd - in manchen Kreisen nennt man es auch "nicht gesellschaftsfähig" oder "derangiert" - in ein Zimmer gescheucht werden, um der unangenehmen Befragung zur Aufklärung einer delikaten Angelegenheit beizuwohnen. Ein Unbekannter hat Nancy in ihrem Schlaf aufgeschreckt. Der Täterkreis lässt sich schnell eingrenzen. Im Grunde genommen kann es jeder der anwesenden Herren und Ehemänner gewesen sein. Was auch irgendwie nachvollziehbar ist, denn welcher Mann wäre nicht gerne in Nancys Schlafzimmer? Doch die anwesenden Ehefrauen zeigen leider kein Verständnis für die Situation. Ganz im Gegenteil, der Edelmut, Nancy zu Hilfe eilen zu wollen, wird leider nicht belohnt. Stattdessen reagieren die Damen mit Eifersucht und Nancys Ruf und Moralvorstellungen stehen auf einmal auf dem Prüfstand.

    Aber wie heißt es so schön? "Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen."

    Denn tatsächlich wendet sich das Blatt. Die Befragung der Anwesenden entwickelt sich in eine Richtung, die mehr als unangenehm für jeden Einzelnen von ihnen ist. Und plötzlich treten Geheimnisse zu Tage, die die nächtliche Ruhestörung in den Hintergrund rücken lassen. Wahre unmoralische Abgründe tun sich auf. Die Fassade von Sitte und Anstand, hinter der sich nahezu jeder der Gäste versteckt, beginnt zu bröckeln.
    Eigentlich hätte Nancy jetzt allen Grund zur Schadenfreude. Aber sie steht darüber und nimmt die Entwicklung mit großer Gelassenheit hin.

    "' Unter normalen Umständen ... hätte man die Sache auf sich beruhen lassen. Aber Mrs. Hanley hatte das Gefühl, dass die Sittlichkeit ihrer Logiergäste etwas sei, das man untersuchen, befragen und kritisch überprüfen müsse. Schließlich ist es ihr Haus, und die sittliche Verbesserung der Nation muss vor der eigenen Haustür beginnen. ..'" (S. 147)

    Wilson Collison macht sich über seine Protagonisten lustig. Ich glaube, dass der Autor einen riesigen Spaß hatte, als er diesen Roman geschrieben hat. Sein Humor ist gnadenlos. Er zieht seine Protagonisten durch den Kakao: die ach so tugendhaften Ehefrauen sowie die etwas trotteligen Männer, die unter der Fuchtel ihrer Frauen stehen .... und alle haben etwas zu verbergen, das sie auf einmal gar nicht mehr so tugendhaft dastehen lässt. Nur Nancy kommt gut weg. Denn sie scheint die einzig Aufrichtige zu sein, die nicht viel auf die Meinung der anderen gibt.

    "Es schien ihm, als hätten Männer generell Angst vor ihren Ehefrauen. Da war Foster, der einen beunnruhigten und gejagten Ausdruck in den Augen hatte, wenn er zu seiner Helen herübersah; und Bob Martin, der einen Ausweg aus einer Situation zu suchen schien, die ihn mit Sorge erfüllte und ihm peinlich war." (S. 14)

    Dieser Roman ist großartige und intelligente Unterhaltung mit fast schon satirischen Ausmaß. Er spielt in einer Zeit, in der es noch andere Moralvorstellungen als heute gab. Wilson Collison stellt diese Moral und Tugendhaftigkeit in Frage und lässt die Hüter von Sitte und Anstand als falsche Moralapostel dastehen. So schmunzelt man sich durch diesen Roman und lacht sich lauthals eins ins Fäustchen, wenn diese Moralapostel abgewatscht werden. Der fast altmodische Sprachstil von Wilson Collison übt dabei einen unvergleichlichen Charme aus. Da trifft man auf Begriffe wie "pikante Angelegenheit", da "wird nach Atem gerrungen" oder es gibt "Missstimmungen, die einen auf verbotene Pfade der Liebe und Leidenschaft treiben". Eine herrliche Wortwahl, die diesen Roman zu einem echten Genuss machen. Klare Leseempfehlung!

    © Renie

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  1. Eine unvergleichliche Nacht

    Inhalt

    Im Landhaus der Hanleys schrecken die Bewohner und ihre Gäste nachts auf - ein Schrei ertönt kurz nach Mitternacht. Als Mrs. Hanley im Gästezimmer, das von der im Negligé bekleideten jungen, hübschen Dame Nancy belegt ist, erscheint, findet sie dort drei Männer im Pyjama vor. Nancy behauptet von einer Hand, die ihr Gesicht berührt habe, geweckt worden zu sein.

    Anfang der 30er Jahre, an der Ostküste der USA, ist dies ein Skandal - eine sexueller Delikt.

    Unter den Gästen sind Mr. und Mrs. Foster sowie das Ehepaar Martin und der junge Anwalt Jimmie Landon, der mitten in der Nacht, unmittelbar nach der Tat, von Mrs. Hanley beauftragt wird, ein Kreuzverhör durchzuführen.

    Der Roman spielt nur in dieser einen Nacht im Wohnzimmer des Landhauses - es ist eine Nacht mit Nancy.

    "Mrs. Hanley stand in der Mitte des Zimmers und starrte wütend zu Nancy herüber, die auf einem kleinen Sofa lag und ihren hübschen Kopf auf ein paar Kissen gebettet hatte. Sie trug ein blassgrünes, pelzbesetztes Negligé, unter dem keck ein Nachthemd in noch hellerem Grün hervorschaute." (S.5)

    Die Situation erinnert ein wenig an den "Orient-Express", alle sind eingeschlossen und dem Ermittler ausgeliefert. Als Leser/in erlebt man minutiös mit, wie der Fall gelöst wird.

    Die Hausherrin, die selbst in einer unglücklichen Ehe gefangen ist und über ihren Ehemann denkt, es wäre besser gewesen, "wenn Christopher vor zwei Jahren gestorben wäre, als er einen Herzinfarkt hatte" (S.67), hat nur einen Wunsch, "Nancy eine Lektion zu erteilen und den Mann bloßzustellen, der ihre Gastfreundschaft ausgenutzt und versucht hatte, eine Liaison in einem ihrer Schlafzimmer anzufangen." (S.68)

    Nancy hingegen bleibt vollkommen entspannt, sie flirtet ungeniert mit dem smarten Anwalt, der ebenfalls ein offenkundiges Interesse an der hübschen, verführerischen Schönheit hegt.

    "Wenn er (Jimmie) nicht so grundsätzlich an Nancy interessiert gewesen wäre, hätte er sich mit Sicherheit niemals auf diese absurde Untersuchung eingelassen, die auch etwas Lächerliches an sich hatte. Aber er glaubte, dass Mrs. Hanley absichtlich geplant hatte, Nancy einen Skandal anzuhängen." (S.152)

    Im Verlaufe des Verhörs stellt sich heraus, dass fast keiner der Anwesenden zu Beginn die Wahrheit gesagt hat, fast alle verbergen ein Geheimnis. Auch der Butler des Hauses, Phipps, ist nicht der, der er zu sein scheint und avanciert zu einer wichtigen Figur beim Lösen des Falls, der am Ende mit einer unerwarteten Pointe verblüfft.

    Bewertung

    Ein umwerfender Roman, spannend, überraschend, witzig und erzähltechnisch interessant.

    Immer wieder ergeben sich überraschende Wendungen und neue Informationen, die die Spannung trotz des zeitdehnenden Erzählens bis zum Ende des Romans aufrechthalten.

    Schritt für Schritt schauen wir hinter die Fassade der scheinbar prüden Gesellschaft, die sich über die offensiv auftretende, emanzipierte Nancy, die unverblümt ihre Sexualität zur Schau stellt, empört.

    Und am Ende sind diejenigen, die von den anderen verurteilt werden, die Einzigen, die eine "reine" Weste haben und die Sittenstrengen vorführen.

    Ein herrliches Lesevergnügen!

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