Die Außerirdischen: Roman

Rezensionen zu "Die Außerirdischen: Roman"

  1. "Außer"irdische Angelegenheiten?

    "Sie kamen über Nacht.", ist der erste Satz dieses Romans und auch der entscheidene Zeitpunkt für die krisengeschüttelte Erde. Die Nachrichtensendungen verkünden am nächsten Morgen die Ankunft der Außerirdischen. Niemand hatte etwas bemerkt, kein Alarm hatte angeschlagen. Nach anfänglichen Hamsterkäufen, Plünderungen und Gewaltexzessen beruhigen sich die Gemüter wieder, als klar wird, dass die Fremdlinge gekommen sind, um Frieden und Wohlstand zu bringen. Die Botschaft wird von Humanoiden überbracht, danach gibt es nur noch Verhandlungen unter den Menschen selbst. Die Gegenseite bleibt fortan unsichtbar. Der Preis für universumsweite Handelsbeziehungen und Fortschritt ist frisches Menschenfleisch. Die Aliens essen gern Menschenfleisch, aber nur von freiwillig Geopferten.

    Zu diesem Zweck werden weltweite Spiele ausgerufen, bei denen sich die Freiwilligen in Wettkämpfen messen können. Den Siegern winken Reichtum und Anerkennung, die Verlierer werden geopfert, nachdem sie noch ein paar Tage auf einer wunderschönen Tropeninsel verbringen durften und mit dem Wissen, dass ihre Angehörigen großzügig entschädigt werden. Das System scheint zu funktionieren, die Medienbranche geht "all in".

    Erst als sich Sols junger Nachbar und "Ziehsohn" zu den Spielen meldet, bekommt das Showspektakel, an dem auch Sol als Produktionsleiter bisher gut mitverdient hat, einen schalen Beigeschmack. Ihn umzustimmen gelingt nicht, schließlich ist es ein Opfer für die Menschheit und alle haben sich damit arrangiert. In einem unbewachten Augenblick aber erfährt Sol, dass der junge Mann jetzt doch nicht mehr will. Sol soll ihm zur Flucht verhelfen.

    Dieses Buch ist eins der seltenen Bücher, bei denen ich mich ständig fragte, was der Autor mir eigentlich erzählen wollte. Ich erwartete jederzeit ein Blick hinter die Kulissen und hatte das andauernde Gefühl Parallelen zu entdecken, Ähnliches schon in anderen Zusammenhängen gehört zu haben. Bei der pilzsporenkonatminierten Rossameise (dieses Phänomen gibts tatsächlich) wähnte ich mich schon ganz nah der Entschlüsselung des merkwürdigen Treibens der Menschheit und den Schluss (der hier natürlich nicht verraten wird), den Schluss, den kennen wir alle aus der jüngeren Historie. Zwischendrin schweiften meine Gedanken zu unseren alltäglichen "Real-Life-Shows" ab und unsere Gier nach Pomp und Protz.

    Ich bin mir ganz sicher, dass dieses Buch kein wie auch immer gearteter Sciene Fiction ist, sondern eher eine Fabel, wo die Tiere Menschen sind und die Außerirdischen nur eine Hilfsvariable. Es ist eine raffinierte Erzählung mit vielen Seitentüren, hinter denen sich all die menschlichen Abgründe verbergen, die wir nur all zu gern verleugnen. Man kann strikt voranschreiten, oder aber jede einzelne davon öffnen und schauen, was wohl erschreckender ist, die Ankunft der Aliens, oder die Menschen hier auf der Erde.

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  1. Homo homini lupus

    Dieses spezielle Buch habe ich lange "gejagt", mindestens zwei Jahre lang. Jetzt hatte ich es günstig ergattert und bin nicht enttäuscht. Allerdings ... na, lest es selber. Dann wisst ihr, was ich meine!

    Es war mir eigentlich von vorne herein klar, dass ich bei Doron Rabinovici nicht die „normale“ Dystopie antreffe. Dafür ist er ein zu guter Schriftsteller. Sorry, Dystopieschreibler, ich lese Dystopien echt gern, aber sie gehören nun einmal selten zur gehobenen Literatur. Mit Ausnahme von Margaret Atwoods Werken natürlich. Verneigung vor der großen, geistreichen Dame Atwood.

    Was ich erwartet habe, wenn nicht die „normale“ Dystopie, weiß ich nicht, ich habe es vergessen von der ersten Zeile an, denn Doron Rabinovici holt seine Leser vom ersten Satz an ab („Sie kamen über Nacht“) und mit in seine Geschichte. Das ist spannend! Spannend, sage ich euch! „Sie kamen über Nacht“ ist jetzt nicht besonders geistreich, nicht wahr, aber man ist sofort drin. Das Nägelkauen wird man auch eine geraume Zeit lang nicht los.

    Beklemmend ist es, was der Autor uns schildert. Was die Ankunft der Außerirdischen mit der Menschheit macht. Dabei sind die Informationen über die Außerirdischen spärlich, man weiß nicht einmal, wo sie gelandet sind, obwohl vom Kanzerlamt die Rede ist und ich deshalb denke, dass die Außerirdischen bei Angie Tee trinken und üben, die Raute zu falten.

    Scherz beiseite. Doron Rabinovici spitzt Lage und Atmosphäre mehr und mehr zu bis man da landet, wo man nie mehr zu landen glaubte. Und wo das ist, das darf ich euch nicht sagen, weil ich sonst den Clou des Buches verrate.

    Nur so viel, wo man landet, wenn die Menschheit losgelassen wird und die Panik regiert und noch so manches andere, darüber müsste man wirklich diskutieren!

    Ist es zwangsläufig? Sind wir wirklich so? Sind wir immer wieder so?

    Fazit: Homo homini lupus. Dieses Wort und seine darin enthaltene Wahrheit hat uns der Autor auch in Dystopieform deutlich vor Augen gemalt. Ich hätte einen anderen Schluß vorgezogen, ganz ehrlich, aber berechtigt diese persönliche Vorliebe zu einem Punkt Abzug? Hm, ich tus einfach mal. Schade, dass ich nicht mit euch darüber verhandeln kann!

    So oder so: ich spreche eine Leseempfehlung aus. Und die gibt es von mir nicht allzu oft!

    Kategorie: Gute Unterhaltung: 5 Punkte.
    Belletristik: 3 Punkte.

    Verlag: Suhrkamp, 2017

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