Der Vater, der vom Himmel fiel

Buchseite und Rezensionen zu 'Der Vater, der vom Himmel fiel' von J. Paul Henderson
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4 von 5 (3 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Der Vater, der vom Himmel fiel"

Sieben Jahre haben die Bowman-Brüder Billy und Greg nicht miteinander gesprochen, als ihr Vater plötzlich stirbt und Greg, das einstige schwarze Schaf der Familie, zurückkommt. Was er vorfindet, ist ein bröckelndes Elternhaus, Onkel Frank, der mit 80 einen Banküberfall plant, und eine beunruhigende Erinnerung mit pinkfarbenen Haaren. Da braucht es – neben viel Phantasie – schon übersinnliche Hilfe, um den väterlichen Auftrag zu erfüllen: aus alldem wieder eine Familie zu machen.

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:352
Verlag: Diogenes
EAN:9783257069877

Rezensionen zu "Der Vater, der vom Himmel fiel"

  1. Schräge Komödie mit Tiefgang

    Worum geht es?
    Lyle Bowman stirbt am 16. Juni 2012, weil er versehentlich ein Glas Terpentin statt seinem Antibiotikum in Wasser aufgelöst getrunken hat. Benommen wankt er über die Straße und wird überfahren.
    Auf seiner Beerdigung finden sich nur wenige Menschen ein. Darunter sein ältester Sohn Billy, dessen pferdegesichtige Frau Jean und ihre 6-jährige Tochter Katy, sein eigenwilliger Bruder Frank sowie einige Nachbarn. Der Reverend hat Mühe etwas über den Verstorbenen zu sagen, der ein ruhiges Witwerdasein geführt hat, da seine 20 Jahre jüngere Frau Mary nach nur 13 Jahren verstorben ist. Als die Beerdigung fast vorüber ist, taucht noch jemand auf:

    "Der Mann war groß und sonnengebräunt, hatte lange blonde Haare, trug Bermudashorts, ein Hawaiihemd und eben Flip-Flops. (...) Billy drehte sich um. Er lächelte. "Das ist dein Onkel Greg! Ich hab ja gesagt, dass er diesmal kommt." Es war das erste Mal seit sieben Jahren, dass sich die beiden Brüder wiedersahen." (S.19)

    Der Streit war um das Streichen einer Regenrinne entbrannt und gipfelte in Billys Ausspruch:

    "Immer weißt du alles besser." Und musst immer einen Schritt zu weit gehen!" (S.43)

    Greg lehrt in Texas Geschichte an der Universität und sein Gepäck ist beim Flug verloren gegangen - daher das Hawaiihemd. So muss er bei seinem Bruder, der nach einigen beruflichen Stationen inzwischen bei einem Verlag arbeitet, übernachten, obwohl dessen Frau Greg abgrundtief hasst. Kein Wunder, hat er doch auf der Hochzeit unter Einfluss von Magic Mushrooms kurz vor dem Ehegelöbnis gerufen:

    "JEAN IST EIN VAMPIR" (S.50)

    Eine Kränkung, die nur sehr schwer wieder gut zu machen ist und das Verhältnis der Bruder zusätzlich belastet. Zusammen mit der Tatsache,

    dass Greg nicht in der Lage ist eine verbindliche Beziehung einzugehen
    - "Der Anfang vom Ende war für Greg immer gekommen, sobald die aktuelle Freundin über eine eventuelle gemeinsame Zukunft sprechen wollte. Jedes Mal kam Greg dann zu der Erkenntnis, dass es ihm im emotionalen Nichtschwimmerbecken doch besser gefiel, wo man sich lediglich körperlich aufeinander einließ und Verantwortung nur theoretisch existierte." (S.73) -

    dass Onkel Frank sich ständig der Polizei stellt, um Straftaten zu gestehen, die er definitiv nicht begangen hat,
    dass Billy unter einer ungewöhnlichen Phobie leidet.
    sieht das nach einer Familie aus, die Hilfe benötigt.

    Diese eilt in Form des geisterhaften Lyle Bowmans herbei, der nach einem Verwaltungsfehler in der Übergangsstation zum Himmel für 20 Tage auf die Erde zurückkehren darf. Allerdings mit der Einschränkung an einem Ort zu bleiben und sich nur einer Person zu zeigen. Er wählt sein eigenes Haus, da er davon ausgeht, dass sein jüngster Sohn sich bis zu dessen Renovierung und Verkauf dort aufhalten wird.
    Er verlangt von Greg, dass er herausfindet, worin Billys Problem besteht. Billy, dem es immer schwer fiel zu lernen und dem im Gegensatz zu Greg nie etwas in den Schoß gefallen ist.

    Des Weiteren soll er die Motive für Onkel Frank seltsames Verhalten aufdecken. Was steckt hinter diesen "Besuchen" bei der Polizei.
    Keine leichte Aufgabe, wie sich herausstellt, die ausgerechnet derjenige lösen soll, auf den man sich am wenigsten verlassen kann.
    Eigenartige Phobien sowie ein unausgegorener Plan, endlich ein Cowboy zu werden, tauchen im weiteren Verlauf der Handlung auf - aber auch Versöhnungen, Reflexionen und die Lösung tiefer liegender Probleme und eine - nicht ganz ernstzunehmende - Variante dessen, was uns nach dem Tod erwartet.
    Da kann man nur hoffen, dass man nach seinem Tod an einen kompetenten "Verwaltungsbeamten" gerät ;)

    Bewertung
    Ohne Zweifel eines der witzigsten Bücher, die ich dieses Jahr gelesen habe. Aber den Roman nur eine Komödie zu nennen, greift zu kurz. Es geht auch um die Bedeutung der Familie, darum, füreinander da zu sein und die Fähigkeit einander zu vertrauen.
    Und erstaunlicherweise auch um das Thema des Alleinseins. So zynisch Onkel Frank sein mag und für viele Lacher beim Lesen sorgt, so einsam ist er auch, ein Mensch, der sich letztlich nach Nähe sehnt. Wenn ihm auch sein unfreundliches Verhalten permanent dabei im Weg steht.

    Berührend, wenn Lyle beschreibt, wie er begonnen hat, mit den Möbeln zu reden, um der Stille zu entgehen und wie jeder Tag ihm endlos erschienen ist. Das hat mich an "Unsere Seelen bei Nacht" erinnert, in der eine ältere Dame den Mut aufbringt, einen befreundeten Nachbarn zu bitten, die Nächte mit ihr zu verbringen - zum Reden, damit sie nicht mehr allein ist.

    Insgesamt gute Unterhaltung mit Witz und leichtem Tiefgang - ideal für die Zeit zwischen den Jahren, wenn die familienträchtigen Tage vorüber sind.

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  1. 4
    06. Okt 2017 

    schräger Humor und skurrile Charaktere

    Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen ... aber Väter tun dies scheinbar. Zumindest in der Literatur ;-) Vor kurzem ist J. Paul Hendersons neuer Roman "Der Vater, der vom Himmel fiel" erschienen. Endlich! Seit ich im letzten Jahr seinen Roman "Letzter Bus nach Coffeeville" gelesen habe, bin ich Fan des Autors.

    Der Vater, der hier vom Himmel fällt, ist Lyle Bowman, den gleich zu Beginn des Romans das Zeitliche segnet. Eigentlich fällt er gar nicht vom Himmel, sondern erscheint seinem jüngsten Sohn Greg, der eigens zur Beerdigung seines Vaters aus Amerika angereist ist. Lyle ist durch eine Verkettung unglücklicher und dämlicher Umstände gestorben. Und wie das so oft bei Beerdigungen der Fall ist, treffen hier Menschen aufeinander, die sich seit Jahren aus den Augen verloren haben. Hier sind es Billy und Greg Bowman, die beiden Söhne Lyles.

    Greg, das schwarze Schaf der Familie, hat es vor ein paar Jahren nach Amerika verschlagen. Sein Bruder hingegen hat die Heimat England nie verlassen. Mittlerweile ist Billy verheiratet und hat eine Tochter. Greg war immer das schwarze Schaf der Familie, Billy war eher der Typ "dummes Schaf". Auch schwarze Schafe können beruflich erfolgreich sein: Greg hat mittlerweile eine Dozentenstelle an der Uni. Billy konnte bisher beruflich auf keinen grünen Zweig kommen. Egal, welchen Job er annimmt, er wird immer als der Loosertyp angesehen - leider nicht nur von den Kollegen sondern auch von der eigenen Frau.

    "'Nimm die Dinge, wie sie kommen. Wenn du mal unten bist, rappel dich nicht sofort auf, nur um gleich wieder niedergestreckt zu werden. Und versuch, ein bisschen netter zu sein. Du musst ja niemanden mögen, es soll nur danach aussehen. So vermeidet man Konflikte, und das Leben lebt sich leichter. ...'" (S. 218)

    Die Männer der Familie Bowman haben sich auseinandergelebt. Grund genug, für Vater Lyle vom Himmel "zu fallen", seinem Jüngsten allabendlich zu erscheinen und ihm zur Aufgabe zu machen, die Familie wieder zusammenzubringen. Zu den Bowman-Männern gehört auch Onkel Frank, ein hochbetagter und schwerhöriger Querulant, der einen Höllenspaß daran hat, seine Mitmenschen zu schockieren. Einzig Greg und Billy nehmen Onkel Franks Eskapaden mit Humor. In ein paar Wochen wird Greg wieder nach Amerika zurückkehren. Bis dahin wird sich einiges in der Familie Bowman tun. Denn die Bowmans (Verstorbene eingeschlossen) haben ihre Geheimnisse, die nach und nach aufgedeckt werden.
    Bei diesem Roman handelt es sich also um eine Familienzusammenführung der besonderen Art.

    "Das musste Bowman-Liebe sein, vermutete Greg: stillschweigend, peinlich berührt, aber immer da." (S. 224)

    J. Paul Henderson hat den saloppen Sprachstil, den er auch in seinem ersten Roman an den Tag gelegt hat, beibehalten. Fast schon im Plauderton erzählt er die Geschichte und platziert so ganz nebenbei mit großer Leichtigkeit einen Gag nach dem anderen. Allein schon die Charaktere und ihr Zusammenspiel garantieren viel Komik in diesem Roman: Onkel Frank und seine schrägen Ideen, mit denen er sein Umfeld immer wieder aufs Neue schockiert; Billy mit sehr skurrilen psychischen Problemen; Greg, der es in seiner Jugend richtig krachen ließ und jetzt an den Folgen zu knabbern hat; und natürlich Lyle, ein toter Vater, der seinem Sohn erscheint - wenn das nicht schräg ist, dann weiß ich nicht.

    "' ... Nach meiner Erfahrung entstehen Meinungen meistens aus Unwissenheit, und diejenigen mit der lautesten Meinung sind für gewöhnlich die, die am wenigsten wissen. ...'" (S. 129)

    Leider gibt es einen Aspekt in diesem Roman, den ich als störend empfand: J. Paul Henderson spricht in diesem Roman die unterschiedlichsten sozialkritischen Themen an: Kleinbürgertum, Ausländerfeindlichkeit, Immigration, das englische Gesundheitswesen, Religion - wahrscheinlich waren es noch mehr. Es scheint, dass es Henderson nicht ausreicht, einfach eine gute Geschichte zu schreiben, die seinen Leser grandios unterhält. Stattdessen versucht er seinem Buch einen sozialkritischen Anstrich zu verpassen. Das hätte ich in diesem Roman nicht gebraucht. Ich wäre mit der guten Geschichte, die einfach nur grandios unterhält, mehr als zufrieden gewesen.

    Fazit:
    "Der Vater, der vom Himmel fiel" reicht zwar nicht an das Erstlingswerk von Henderson heran. Trotzdem habe ich diesen Roman mit großem Vergnügen gelesen. Auch wenn mich die sozialkritische Themenschwemme gestört hat, haben doch die positiven Aspekte überwogen. Allen voran die skurrilen Charaktere und der saloppe Sprachstil des Autors. Man sollte sich diesen Roman daher nicht entgehen lassen.

    © Renie

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  1. Auch im Himmel passieren Fehler

    Auch im Himmel passieren Fehler

    Lyle Bowmann verstirbt mit 83 Jahren daran, dass er diagonal über die Straße läuft und von einem Bus erfasst wird. Fairerweise muss man sagen, dass er sein Antibiotikum in Wasser aufgelöst verschmäht hat, und aus Versehen die Terpentinlösung getrunken hat die er für seinen Pinsel verwenden wollte. Dies führte zu ein paar Problemen die leider mit besagtem Unfall endeten.
    Die Beerdigung ist schrecklich, es sind kaum Trauergäste anwesend. Dennoch schafft der Autor J. Paul Henderson es die Szene sehr lustig zu beschreiben. Onkel Frank, der Bruder des verstorbenen Lyle, versteht das meiste der Predigt nicht richtig, die Kommentare die er einwirft sind wirklich zum schmunzeln.
    Billy Bowmann, einer der Söhne ist mit seiner Frau Jean und der gemeinsamen Tochter Kathy anwesend. Als Greg, sein Bruder wiedererwachend auftaucht, wird der Roman richtig interessant, die Komik drängt ein wenig in den Hintergrund.

    Billy und Greg haben sich 7 Jahre nicht gesehen. Einiges steht zwischen ihnen. Dies greift der Autor auf, und verschafft Greg durch eine aberwitzige Idee die Möglichkeit mit seinem Vater zu sprechen. Denn dieser darf durch einen dummen Fehler im Himmel, die Story war übrigens echt zum totlachen, für einige Tage für eine Person quasi als Geist in Aktion treten. Die Wahl fällt auf Greg, und nun entstehen sehr tiefgründige Gespräche, die mich teilweise sehr berührt haben.

    Man fragt sich ja oft was man aus einem Buch mitnimmt. Hier ist es der Wille zu Lebzeiten schon mit Missverständnissen und unnötigem Streit abzuschließen, den das Leben kann sehr kurz sein.

    Dieser Roman hat mir sehr gut gefallen, er ist anders, regt zum nachdenken an und der britische Humor der stellenweise da ist, ist einfach göttlich. Da verzeihe ich dem Autor auch die abwegige Idee mit Lyles Panne im Himmel.

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