Der Gehängte von Conakry

Buchseite und Rezensionen zu 'Der Gehängte von Conakry' von Jean-Christophe Rufin
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4 von 5 (2 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Der Gehängte von Conakry"

Format:Broschiert
Seiten:240
Verlag: Tropen
EAN:9783608501643

Rezensionen zu "Der Gehängte von Conakry"

  1. Originelle Ermittlerfigur!

    Zum Autor:

    *1952
    Arzt, u. a. Vizepräsident der frz. Sektion Ärzte ohne Grenzen, humanitärer Aktivist, zeitweise Botschafter in Gambia, und – last, but not least – vielfach ausgezeichneter Schriftsteller.

    Mein Lese-Eindruck:

    Der Autor führt seinen Leser in eine andere Welt: nach Conakry, der Hauptstadt Guineas, und zwar in die Botschaft Frankreichs, der ehemaligen Kolonialmacht. Hier arbeitet der Vizekonsul Aurel Timescu: ein Jude aus Rumänien, dessen Familie ihm die teure Ausreise aus der Ceausescu-Diktatur nach Frankreich ermöglicht hatte. Aurel liebt sein Klavier fast so sehr wie den Weißwein, er lässt sich wegen seiner unangepassten Kleidung belächeln und erträgt mit Gleichmut die Demütigungen seines Vorgesetzten. Er liebt Kriminalromane und wäre lieber Polizist geworden. Und so ergreift er mit ungewohnter Zielstrebigkeit die Initiative, als sein Chef verreist ist und ein französischer Staatsbürger ermordet wird. Die Auflösung des Falles kommt für den Leser allerdings unvermittelt; hier hätte es mir besser gefallen, am Gedankengang Aurels teilnehmen zu können. Auch die Art der Auflösung passt nicht ganz zum feinfühligen und schüchternen Aurel.

    Mit der Ermittlerfigur Aurel schafft Rufin einen eigenen und ungewöhnlichen Ermittlertypus, der den Leser zum Lächeln bringt, auch wenn Rufin ihn gelegentlich überzeichnet und das Klischee des „Ritter von der traurigen Gestalt“ zu kräftig bedient. Nebenbei erfährt der Leser allerhand über die Kolonialgeschichte Guineas und vor allem deren aktuelle Nachwirkungen.

    Insgesamt ein spannender Krimi, kurzweilig und vielseitig!

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  1. 4
    04. Sep 2022 

    Der kleine Diplomat

    Aurel Timescu ist nur der Vertreter des Honorarkonsuls, was er während er seiner Arbeit auch immer wieder zu spüren bekommt. Dennoch versucht Timescu dankbar zu sein, schließlich konnte er seine rumänische Heimat verlassen und sogar in den französischen Staatsdienst eintreten. Nun ist der Chef abwesend und als ein Toter im Yachthafen von Conakry, der Hauptstadt Guineas gefunden wird, nutzt Aurel die Chance, endlich mal was Richtiges zu tun. Bei dem toten Yachtbesitzer handelt es sich um einen reichen Franzosen. Da muss die Botschaft an den Ermittlungen beteiligt werden und auch die Verwandten in Frankreich sind zu informieren.

    Dieses ist das erste Rätsel, welches Konsul Aurel Timescu zu entschlüsseln sucht. Von seiner Tätigkeit unterfordert, von der Hitze seines Einsatzortes überfordert, versteht es Aurel doch den Wein zu genießen, sich hin und wieder ans Klavier zu setzen und sich nicht allzu sehr über seine kleine Statur zu ärgern. Die Entdeckung des Toten bringt einige Turbulenzen in Timescus Leben. Die örtliche Polizei neigt dazu, es sich einfach zu machen. Sie geht von einem einfachen Raubüberfall aus. Timescus Theorien würden ungehört verhallen, wenn er sich nicht eine exklusive Art ihrer Präsentation einfallen lassen würde.

    Auch als Diplomat muss man sich hocharbeiten. Das merkt man an den mehr oder weniger entlegenen Orten, an denen die Mitarbeiter eingesetzt werden. Nun ist Conakry an der Westafrikanischen Küste nicht gerade das Zentrum der Weltpolitik, aber wenigstens ist es warm. Das kann auch stören, wie man am Beispiel Timescus merkt. Dennoch wirkt der verschrobene kleine Diplomat sympathisch, gewitzt und eben diplomatisch. Besonders wenn er seine durchaus schlauen Gedanken den Kollegen eingeben muss, um deren Untersuchungen in die richtige Richtung zu lenken. Auch wenn der den Tod eines Menschen bedauert, so ist er doch Feuer und Flamme, an einer Ermittlung beteiligt zu sein. Neben dem spannenden Kriminalfall bekommt man als Leser auch einen Einblick in das Leben eines nicht so bekannten Landes in Afrika. Von Stil her könnte man beinahe annehmen, die Handlung sei in den 1950ern angesiedelt, wozu auch das farbenfrohe und Fernweh weckende Cover beiträgt, wenn Aurel jedoch Handy und Computer rausholt, wird man schnell eines besseren belehrt. Dieser angenehm zu lesende Krimi erfreut mit einem durchaus ernsthaften Fall und seinem etwas verschrobenen Ermittler.

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