Der dritte Mann

Buchseite und Rezensionen zu 'Der dritte Mann' von Graham Greene
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5 von 5 (5 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Der dritte Mann"

Wien 1945. Russen, Amerikaner, Franzosen und Briten haben die zerstörte Stadt besetzt. In den Trümmern blüht der Schwarzmarkt und Rollo Martins steht vor einem Rätsel: War sein Jugendfreund Harry Lime tatsächlich der gewissenlose Kopf einer Schieberbande? Ein Spiel mit Licht und Schatten – Annika Siems setzt den Kampf um eine alte Freundschaft im Zeichen von Korruption und Verbrechen eindrucksvoll in Szene. In den sepiafarbenen Tuschezeichnungen der Hamburger Künstlerin werden bekannte Wahrzeichen und der Untergrund der österreichischen Hauptstadt zur Kulisse eines düsteren Versteckspiels. Fast hört man beim Betrachten der Seiten das charakteristische Zither-Thema aus dem Film. Greene selbst betrachtete die Filmversion des britischen Regisseurs Carol Reed aus dem Jahr 1949 als Endfassung seiner Erzählung. Ob auf Leinwand oder als Roman: "Der dritte Mann" ist ein beispielloses Zeitdokument der Nachkriegsgeschichte.

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:200
EAN:9783864060762

Rezensionen zu "Der dritte Mann"

  1. Graham Greene - Der dritte Mann

    Die Erzählung „Der dritte Mann“ von Graham Green spielt im zerstörten Wien nach dem Zweiten Weltkrieg.
    Die Stadt liegt am Boden. Amerikanische, französische, englische und sowjetische Demarkationslinien prägen das Geschehen in der Stadt.
    Diese Kulisse betritt Rollo Martins, der von seinem alten Schulfreund Harry Lime eingeladen wurde. Bei seiner Ankunft erfährt Martins, dass sein Freund bei einem Autounfall um´s Leben gekommen sei. Er kommt gerade noch rechtzeitig zur Beerdigung. Dort spricht ihn nach der Beisetzung der Polizeichef von Scotland Yard, der Ich Erzähler Calloway, an.
    Er möchte von Rollo Martin Informationen über Harry Lime erfahren, den er der Schieberei verdächtigt.
    Rollo Martin will nicht, dass das Andenken seines Freundes in den Dreck gezogen wird und will dem Polizeichef beweisen, dass seine Anschuldigungen haltlos sind. Er weist dessen Aufforderung, wieder zurückzufahren wütend zurück und lässt sich zu einem Hotel bringen.

    Nun betritt Kurtz die Bühne und behauptet ein Freund Harrys gewesen zu sein. Er teilt Rollo Martin mit, dass Harry ihn noch nach seinem Unfall gebeten habe, sich um ihn zu kümmern!
    Aber hatte Calloway nicht behauptet, Lime sei sofort tot gewesen …

    Rollo Martins beschließt auf eigene Faust zu ermitteln.
    Er sucht die Freundin von Harry Lime auf, was ihn ermittlungstechnisch allerdings nicht weiterbringt! Allerdings bringt es seine Gefühlswelt noch zusätzlich durcheinander, denn er verliebt sich in Anna.
    Er spricht mit dem Arzt Dr. Winkler und dann sucht er auch nochmals den Nachbarn Herrn Koch auf, der den Umfall vom Fenster aus beobachtet hat und behauptet Harry sei sofort tot gewesen, während Kurtz ja angeblich noch mit gesprochen haben will!
    Dieses Mal erwähnt Koch auch noch einen dritten Mann….

    War es gar kein Unfall, war es Mord? Oder lebt Harry Lime womöglich noch?

    Mit Hilfe von Calloway, der Martins schließlich davon überzeugt, dass sein Freund der Anführer einer Schieberbande ist, die Geschäfte mit gepanschtem Penicillin macht und das Leben hunderter von Kindern aufs Spiel setzt, will Rollo Martins Harry Lime eine Falle stellen….

    Der Spannungsbogen der Geschichte steigt zum Ende an und der Leser erlebt ein furioses und unerwartetes Finale in der Wiener Unterwelt, dem Abwasserkanalsystem, mit.

    Mit "Der dritte Mann" schuf Graham Greene einen Klassiker der Krimiliteratur.
    Mit seinem spannenden Roman gelingt es dem Autor den Leser zur Auseinandersetzung mit moralischen Kriterien zu konfrontieren:
    Liebe und Freundschaft prallen auf skrupellose Geschäftemacherei.
    Gut und Böse – Schwarz und weiß!

    Der Künstlerin Annika Siems gelingt es mit ihren stimmungsvollen Schwarz-Weiß-Darstellungen wichtige Szenen gekonnt umzusetzen und die düstere Atmosphäre der Erzählung zu untermalen.

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  1. 5
    10. Dez 2017 

    Wiener Untergrund

    Auf eine Einladung seines Freundes Harry Lime kommt Rollo Martins ins Wien der ersten Nachkriegsjahre. Als Autor von Western verdient Rollo nicht so besonders gut und deshalb ist er sehr froh über das Angebot. Doch Harry taucht nicht am Flughafen auf. Und auch seine Wohnung scheint verlassen. Entsetzt muss Martins von einem Nachbarn erfahren, dass Harry Lime bei einem Unfall ums Leben gekommen ist und dass gerade seine Beerdigung stattfindet. Auf dem Friedhof trifft Martins auf den britischen Militärpolizisten Calloway. Natürlich stellt Rollo sich die Frage, was dieser auf der Bestattung seines Jugendfreundes zu suchen hat.

    Ein Buch zu sehen, sagte der Autor Graham Greene, über sein Werk „Der dritte Mann“. Eigentlich sollte er ein Drehbuch verfassen. Um ein gutes Drehbuch zu erstellen, benötigte er seiner Meinung nach eine ordentliche Grundlage und so verfasste er einen Roman, der zunächst nicht zwingend zur Veröffentlichung bestimmt war.

    Den Film und die wohlbekannte Musik von Anton Karas im Kopf beginnt man zu lesen und vor dem Hintergrund der neuen Information, dass das Buch als Grundlage für den Film diente, für das spätere Drehbuch aber doch einige Änderungen vorgenommen wurden, sucht man nach Unterschieden, aber auch nach Gemeinsamkeiten. Grundsätzlich wird schon dieselbe Geschichte erzählt. Doch wirkt der Film in der Erinnerung, die man bald auffrischen möchte, wesentlich düsterer. Vielleicht weil gerade die beeindruckendsten Szenen, die sich im Gedächtnis festgesetzt haben, die düsteren sind. Obwohl von Schiebereien, gemeinen Verbrechen, Mord und Totschlag erzählt wird, wohnt einzelnen Szenen ein hintersinniger Humor inne, der dem Roman eine nicht so endzeitmäßige Stimmung gibt.

    Die Lektüre der vorliegenden Ausgabe der Büchergilde in einer Neuübersetzung und mit herausragenden Illustrationen versehen, die eine ausgesprochen gute Verbindung zwischen Buch und Film erstellen, ist ein besonderes Erlebnis. Sie verführt zum Eintauchen ins Wien der Nachkriegszeit und zeichnet ein Bild einer schweren Zeit, in der die Menschen durch die Knappheit der Güter verführt wurden, kleine Verbrechen zu begehen. Doch was geschieht mit kleinen Verbrechen, wenn erst die Gier geweckt ist, sie werden zu großen Verbrechen, durch die der Charakter verdorben wird und die Skrupellosigkeit das Menschliche überdeckt. Eine Erfahrung, durch die Rollo Martins seine Freundschaft zu Harry Lime in einem ganz anderen Licht sieht.

    In der Zeit des Schenkens bietet dieses Buch eine wunderbare Gelegenheit, einem lieben und interessierten Menschen eine Freude zu machen.

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  1. Klassiker der Nachkriegsliteratur in besonderer Aufmachung

    Entstanden ist diese Erzählung unmittelbar nach dem 2. Weltkrieg. Wie aus dem Vorwort zu erfahren ist, handelte es sich um die Geschichte zu einem geplanten Film, der letztlich 1949 von Carol Reed gedreht werden sollte. Dem Autor erschien es unmöglich, ein bloßes Drehbuch ohne zugrunde liegende Erzählung zu schreiben.

    Was uns hier vorliegt, ist eine wunderschön gebundene Buchausgabe der Edition Büchergilde: Geheimnisvoll schon der Einband mit einem Mann ohne Gesicht. Das Buch steckt in einem „Schieber“ aus Karton, der, sobald man ihn entfernt, drei männliche Schatten freilegt. Bereits das Vorsatzpapier ist mit zahlreichen Zeichnungen bedruckt, die in die Wiener Nachkriegszeit führen: Lebensmittel-, Brennstoff-, Identitätskarten, Geldscheine und anderes mehr. Durch den gesamten Band wird der Leser von den Tuschezeichnungen der Künstlerin Annika Siems begleitet, denen man anmerkt, dass sich die Malerin intensiv mit der Geschichte und auch mit dem Film auseinander gesetzt hat. Sie fängt wesentliche Bilder und Stimmungen haarscharf ein, schafft Atmosphäre, lehnt sich an die Filmvorlage an, ohne diese jedoch zu kopieren. Zwangsläufig wird man an eine Graphic Novel erinnert, der Text ist aber vollständig abgedruckt und die Bilder bilden nur Rahmen und Begleitung. Für mich ist diese Ausgabe des Dritten Mannes eines der schönsten Bücher in meinem Regal.

    Rollo Martins kommt aus London ins zerstörte und in vier Besatzungszonen aufgeteilte Wien gereist, um eine Aufgabe für seinen alten Schulfreund Harry Lime zu übernehmen. Dort angekommen muss er feststellen, dass jener bei einem tragischen Verkehrsunfall ums Leben gekommen ist. Hinzu kommt, dass ein Colonel Calloway behauptet, Lime sei wichtiger Teil einer hochkriminellen Schieberbande gewesen. Das kann Martins nicht glauben und verspricht, die Unschuld seines Freundes zu beweisen.
    In Folge lernt man nach und nach einige Personen kennen, in deren Umfeld Lime gelebt hat. Es gibt die Freundin Anna Koch, den Arzt Dr. Winkler, die Freunde Kurtz und Cooler. Schnell wird klar, dass es bezüglich des tödlichen Unfalls unterschiedliche Zeugenaussagen gibt. Was am Anfang noch unwichtig erscheint, bekommt spätestens dann Tragweite, als ein Nachbar aus dem Fenster heraus einen „dritten Mann“ gesehen haben will, der den tödlich Verletzten mit ins Haus hinein getragen hat. Kurz nach dieser Aussage wird er kaltblütig ermordet. Die übrigen Zeugen hatten lediglich zwei Männer beobachtet… Irgendetwas scheint da faul zu sein: War es etwa gar kein Unfall, sondern ein Mord? Oder lebt Lime am Ende noch?

    Der Leser begleitet die Ermittlungen von Rollo Martins, der von Colonel Calloway unterstützt wird. Letzterer ist auch der Ich-Erzähler, der weite Teile der Handlung aus seiner Sicht berichtet, was dem Ganzen einen besonderen Charme verleiht. In den Plot werden wunderbare, zum Teil humorige Nebenhandlungen eingebaut. So wird Gelegenheitsschreiber Martins (Pseudonym: Buck Dexter) gleich zu Beginn mit dem berühmten Autor Benjamin Dexter verwechselt, was ihm einerseits ein gutes Hotelzimmer beschert, andererseits aber auch Verpflichtungen mit sich bringt, die ihn überfordern.
    Die Erzählung hat eine wunderbare Sprache. Man findet sehr nachdenkliche Passagen (z.B. Seite 164: „Das Böse war wie Peter Pan – es brachte die schreckliche und erschreckende Gabe ewiger Jugend mit sich.“, ausdrucksstarke Metaphern (z.B. Seite 72: „ Die glatte Wand der Täuschung hatte seinen rastlosen Fingern bisher keinen echten Riss offenbart.“) oder auch lustige Momente (z.B. Seite 152: „Seine enthusiastische Stimme – wenn man nur diesen Enthusiasmus noch für eine Routinearbeit aufbringen könnte; wie viele Gelegenheiten, blitzartige Einsichten entgehen einem schlicht, weil eine Arbeit bloß noch eine Arbeit ist – vibrierte durch die Leitung.“).

    Der Text ist niemals eintönig oder langweilig, sondern fesselt von Anfang bis Ende. Vieles findet im Dunkeln statt. Wie es in guten Filmen dieses Genres üblich ist, wird der spannende Showdown nicht fehlen und der Leser wird am Ende mit der Auflösung des Falles belohnt. Rollo Martins wird seine Freundschaft zu Harry Lime im Zuge der Ereignisse neu bewerten müssen. Vielleicht findet Martins auch ein neues privates Glück? Letzteres bleibt offen, aber wie in einem guten Film die letzte Szene lässt in diesem Buch das letzte Bild die Hoffnung darauf aufkeimen.

    Ein ganz besonderes Stück Nachkriegsliteratur in einer besonderen Ausgabe der Edition Büchergilde mit zahlreichen künstlerischen Bildern versehen: Sowohl Geschichte und Handlung als eben auch die äußere Erscheinung des Buches haben mich restlos überzeugt und zu einem neuen Fan der Verlagsgenossenschaft Büchergilde Gutenberg gemacht.

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  1. Ein "fröhlicher Trottel" und ein skrupelloser Gauer

    "Der dritte Mann" ist eine Erzählung, die ursprünglich nur als Grundlage für den bekannten Film dienen sollte. Graham Greene beabsichtigte nicht sie zu veröffentlichen, glücklicherweise hat er es sich anders überlegt.
    Ich selbst habe den Film nicht bewusst in Erinnerung, obwohl es durchaus sein kann, dass ich ihn irgendwann einmal gesehen habe. Nach der Lektüre werde ich ihn mir auf jeden Fall anschauen. Mein Vorteil ist, dass ich so unbelastet - ohne die Bilder des Films im Kopf zu haben - lesen und die wunderbar düsteren Illustrationen auf mich wirken lassen konnte.

    Worum geht es?
    Zu Beginn spricht ein Ich-Erzähler uns Leser*innen direkt an und bereitet uns auf den Schauplatz vor:

    "Wenn Sie diese seltsame, ziemlich traurige Geschichte verstehen wollen, müssen Sie wenigstens einen Eindruck vom Hintergrund bekommen - von der zerstörten, trostlosen Stadt Wien..." (S.16).

    Wien ist im Februar 1945 eine in Zonen unterteilte, zerstörte, trostlose Stadt. Der Protagonist der Geschichte ist neben dem Ich-Erzähler, der "fröhliche Trottel" Rollo Martins (S.15), in dem ein ständiger Konflikt herrscht.

    "Rollo schaute jeder Frau nach, die vorbeikam, und Martins schwor den Frauen für alles Zeiten ab. Ich weiß nicht, welcher von beiden die Westernromane schrieb." (S.23)

    Die Romane schreibt er unter dem Pseudonym Buck Dexter. Auf der Beerdigung von Harry Lime begegnet der Ich-Erzähler jenem Rollo zum ersten Mal und teilt mit, dass er das folgende Geschehen, das sich in jenem Februar 45 abgespielt hat, aus den Akten und in Gesprächen mit Martins rekonstruiert hat.

    Martins wird von seinem alten Schulfreund Harry Lime, eben jener, der beerdigt wurde, nach Wien eingeladen und verspricht ihm, alle Auslagen zu bezahlen. In Wien angekommen steht Martins aber allein da und so sucht er Lime in dessen Wohnung auf, wobei er erfährt, dass er von einem Auto überfahren worden ist und gerade beerdigt wird.
    Nach der Beerdigung spricht ihn der Ich-Erzähler, Colonel Calloway, der für Scotland Yard arbeitet, an, und erzählt Rollo, dass Harry als Schieber gearbeitet habe. Rollo reagiert aggressiv auf diese Eröffnung und will der britischen Polizei beweisen, dass diese Anschuldigungen haltlos sind.
    Im Hotel Sacher erwartet Rollo ein Mann namens Crabbin und ein auf den Namen Dexter gebuchtes Zimmer. Crabbin verwechselt Martins offenbar mit dem bekannten Autor Benjamin Dexter und lädt ihn für den übernächsten Tag zu einer Diskussion zum zeitgenössischen Roman ein - eine wirklich witzige Szene. Der Westernschreiber, der sich zu James Joyce äußern soll.

    Zuvor erhält Rollo aber einen Anruf von Kurtz, angeblich ein Freund Harry Limes, der ihn kurz vor seinem Tod noch gebeten habe, sich um Rollo zu kümmern.
    Sagte Calloway nicht, Lime sei sofort gestorben? Und wer ist die junge Frau, die am Grab gewesen ist? Der Reihe nach sucht Rollo alle am Unfall Beteiligten und einen Beobachter aus dem Haus auf. Neben dem Fahrer des Wagens, der Harry gekannt hat, und Kurtz stand auf der anderen Straßenseite Colonel Cooler, ebenfalls ein Freund Harrys. Doch der Beobachter hat neben diesen beiden, einen dritten Mann gesehen, der die Leiche Harrys ins Haus gebracht hat.
    Wer ist der "dritte Mann"? War Harry wirklich in Schiebereien verwickelt? Welche Rolle spielen Cooler und Kurtz bei dem Unfall?
    Antworten und ein echter Showdown warten uns ;)

    Bewertung
    Ein sehr spannender Krimi, in wunderbarer Sprache und mit trockenem Humor durchsetzt, wie die Beschreibung des Wiener Zentralfriedhofs beweist,

    "ein Schneetoupet war über ein Engelsgesicht verrutscht, ein Heiliger trug einen dichten, weißen Schnurrbart, und ein Tschako aus Schnee saß in beschwipstem Winkel auf der Büste eines höheren Staatsdieners namens Wolfgang Gottmann." (S.27)
    Die verschiedenen Zeitebenen sorgen für zusätzliche Spannung, da Colonel Calloway rückblickend von den Ereignissen erzählt, kann er Voraus- und Andeutungen machen, falsche Spuren legen und Ereignisse bewerten. Der Roman gibt aber auch einen authentischen Eindruck vom besetzen Wien, von der Aufteilung in vier Zonen - russische, amerikanische, britische und französische. Die mangelnde Zusammenarbeit der Russen mit den Westmächten deutet schon auf den kommenden kalten Krieg hin. Die düstere Atmosphäre wird in den Illustrationen wunderbar widergespiegelt, aber aufgelockert mit humoristischen Szenen.
    Der Autor arbeitet bewusst mit Stereotypen, so ist der französische Soldat bei einer Festnahme völlig entspannt, der Amerikaner heldenhaft, der Brite Gentleman und der Russe rüpelhaft. Satirisch werden die den Nationen zugesprochenen Eigenschaften vorgeführt. Auch Harry Lime stellt sich als skrupelloser Schurke dar, dem es um schnelles Geld geht. Nur Rollo ist ambivalent - weder ein waschechter Held noch ein Feigling - auf jeden Fall ein Sympathieträger.
    Jetzt freue ich mich auf den Film und kann all denen, die nur den Film kennen, diese Erzählung ans Herz legen.

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  1. 5
    06. Dez 2017 

    Ein beeindruckendes Zeitdokument der Nachkriegsgeschichte...

    Den gleichnamigen Filmklassiker aus dem Jahr 1949 werden wohl viele kennen. In ursprünglicher Form und als Novelle aufbereitet wurde die dem Film zugrunde liegende Erzählung 1950 erstmals veröffentlicht. Greene selbst betrachtete die Filmversion des britischen Regisseurs Carol Reed aus dem Jahr 1949 als Endfassung seiner Erzählung.

    Die Erzählung spielt im Wien der Nachkriegzeit, unter der Regierung der vier Siegermächte. Trotz der Besetzung durch die Russen, die Amerikaner, die Franzosen und die Briten blüht in Wien der Schwarzmarkt. Unter diesen Gegenbenheiten trifft der wenig erfolgreiche Westernautor Rollo Martins in Österreichs Hauptstadt ein, ohne Geld in der Tasche und auf Einladung seines langjährigen Freundes Harry Lime, der von seinem derzeitigen Engpass erfahren hat und ihm einen Posten anbieten will.

    Gleich nach seiner Ankunft erfährt Martins jedoch, dass sein Freund verstorben ist, und kommt gerade noch rechtzeitig zu dessen Beerdigung. Zunächst als Unfall deklariert, tauchen hinsichtlich des Todes von Harry Lime jedoch schon bald Widersprüche in den Zeugenaussagen auf, die Martins misstrauisch werden lassen. Ein Katz- und Mausspiel entspinnt sich alsbald, wobei niemals sicher scheint, wem zu trauen ist und wem nicht. Den Polizeigewalten der verschiedenen Nationen wird hier ebenso Rechnung getragen wie den Tätigkeiten im Untergrund, Freundschaft und Liebe werden ebenso thematisiert wie Korruption, Verrat und Menschlichkeit.

    Auch wenn Greene die Erzählung im Grunde nur verfasst hat, um anschließend das Drehbuch schreiben zu können, konnte sie mich doch in vielerlei Hinsicht beeindrucken. So skizziert sie nahezu greifbar die düstere Atmosphäre der Nachkriegszeit, was in dieser ausgesprochen liebevoll gestalteten Ausgabe noch überaus eindrucksvoll unterstrichen wird durch die zahlreichen in Sepia gehaltenen Tuschezeichnungen der Hamburger Künstlerin Annika Siems. Ähnlich wie im Film findet sich in ihren Bildern ein gekonntes Spiel mit Licht und langen Schatten. Zeitweise fühlte ich mich an eine Graphic Novel erinnert, und auch wenn der Vergleich hinkt, nehmen die Illustrationen hier immerhin einen großen Raum ein und unterstreichen die düstere Atmosphäre der Erzählung ganz hervorragend! Hier bilden Text und Zeichnungen eine absolut stimmige Einheit.

    Intensiver als im Film wird im Roman auf die Zusammenhänge der Ereignisse mit den spezifischen Bedingungen im Wien der Nachkriegszeit eingegangen, so dass sich mir diese eingängig erschlossen. Dadurch empfand ich diesen Roman nicht nur als eine spannende Erzählung sondern wenigstens genauso als grandioses Zeitdokument der Nachkriegsgeschichte. Während der Film sicher durch eine gelungene Regie und Kameraführung punkten kann, sowie durch seine Besetzung mit Orson Welles und das charakteristische musikalische Thema (das ich übrigens seit Tagen als Ohrwurm nicht mehr loswerde), besticht der Roman durch eine größere erzählerische Tiefe sowie zu meinem Erstaunen auch durch einen immer wieder geschickt pointierten schwarzen Humor. Roman und Film stimmen nicht in allen Punkten überein, und welche Version einem besser gefällt, ist sicher Geschmackssache. Insgesamt fand ich die Erzählung selbst versöhnlicher als den Film.

    Tatsache ist: beides lohnt sich - der Film ebenso wie der Roman selbst. Und mit dieser prachtvollen Ausgabe der Editon Büchergilde holt man sich ein wahres Schmuckstück ins Regal. Wer hier alle für meine Verhältnisse ungewöhnlich häufig verwendeten Lobeshymnen zusammenzählt, der ahnt schon: von mir kann es hier nur die Höchstwertung geben...

    © Parden

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