Das Flüstern der Bienen: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Das Flüstern der Bienen: Roman' von Sofia Segovia
4.2
4.2 von 5 (5 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Das Flüstern der Bienen: Roman"

In der kleinen mexikanischen Stadt Linares erzählt man sich noch immer von dem Tag, an dem die alte Nana Reja ein Baby unter einer Brücke gefunden hat. Von einem Bienenschwarm umhüllt, erweckt der kleine Simonopio zunächst Misstrauen bei den abergläubischen Dorfbewohnern. Doch die Gutsbesitzer Francisco und Beatriz Morales nehmen den wilden stummen Jungen bei sich auf und lieben ihn wie ihr eigenes Kind. Während die Spanische Grippe die Region trifft, und um sie herum die mexikanische Revolution wütet, lernen sie Simonopios Gabe zu vertrauen und können die Familie so vor dem größten Unheil bewahren. Doch nicht alle Bewohner der Hacienda meinen es gut mit dem Jungen …

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:480
Verlag:
EAN:9783471360354

Rezensionen zu "Das Flüstern der Bienen: Roman"

  1. unterhaltsame Familiengeschichte

    Mexiko vor etwa 100 Jahren. Zur Zeit der Spanischen Grippe startet die Familiengeschichte der Morales und ihrem übernatürlichen Adoptivsohn Simonopio.
    Die alte Familienamme Nana Reja hat Simonopio als Baby am Wegesrand, eingehüllt in einen Schwarm Bienen, gefunden. Sein Zustand war kritisch, aufgrund einer angeborenen Gaumenspalte, stellte die Ernährung des Jungen eine große Herausforderung dar. Trotz aller schlechten Prognosen hat es die Familie Morales aber geschafft Simonopio am Leben zu halten und ihn obgleich seiner Eigenarten in die Familie der Großgrundbesitzer Morales zu integrieren. Ab diesem Zeitpunkt war Simonopio eine Art Schutzengel für die gesamte Familie und deren Widersachern ein Dorn im Auge.
    Leider ist mir der Einstieg in das Buch nicht leicht gefallen. Selten hätte ich mir mehr ein Personenregister gewünscht. Wie wir wissen, können mexikanische Familien sehr groß sein, wenn es dann noch Namensgleichheiten sowie unterschiedliche Erzählperspektiven gibt, dann kann dies schon die Lesefreude hemmen. Mit Fortdauer der Geschichte wurde es leichter, aber ich musste dennoch bei jedem Kapitel nachdenken, wer mir nun die Geschichte erzählt.
    Absolut gelungen finde ich die poetische Sprache, die sich aber dennoch leicht lesen lässt. Was mir aber gefehlt hat ist das bildhafte an der Erzählung. Ich hatte Schwierigkeiten mir das Geschriebene im Kopf vorzustellen.
    Erstmalig ist dieses Buch bereits im Jahr 2015 erschienen. Da sich ein Teil der Geschichte mit der Spanischen Grippe befasst, hat der Verlag in Pandemiezeiten die Gelegenheit genutzt, um dieses Buch neu aufzulegen. Dies kann man natürlich sehen wie man möchte, aber die Spanische Grippe ist wirklich nur ein Teil der Story und das Buch ist weit weg von einem Pandemieschmöker. Durchaus interessant fand ich schon die Parallelen zur heutigen Zeit.
    Leider blieben nach Beendigung dieses Buches ein paar Fragen offen, wie z.B. Was hat es wirklich mit den Bienen auf sich? Warum besteht diese eigenartige Verbindung? Leider klärt sich das nicht auf.
    Es handelt sich um ein Art Märchen für Erwachsene, magischer Realismus, gespickt mit einer Prise feinem Humor. Die Figuren wirkten bis auf Simonopio, der sehr übernatürlich scheint, authentisch auf mich. Obwohl es sich bei der Familie um Großgrundbesitzer handelt, die ja meist in der Vergangenheit ihre Arbeiter versklavten bzw. ausnutzten, hatte ich bei der Familie Morales ein sehr positives Gefühl. Sie hatten immer ein offenes Ohr für ihre Arbeiter, doch nicht jedem reichte das. Auch sie mussten mit Neid und Missgunst umzugehen lernen.
    Eine unterhaltsame Familiengeschichte, die mir aber zum Teil etwas zu langatmig und teilweise zu verworren war.

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  1. Von der Macht der Bienen

    Anfang des 20. Jahrhunderts wird in der Nähe des mexikanischen Ortes Linares ein kleiner Junge gefunden. Das Kind erweckt zunächst das Misstrauen der Bewohner des Anwesens im Besitz der Morales-Familie, da es durch eine Gaumenspalte "vom Teufel gezeichnet" ist. Und, mehr noch - der Kleine ist über und über von Bienen bedeckt, die ihn umschwärmen, ihm jedoch nichts anzutun scheinen. Simonopio, wie der Junge von nun an heißen soll, wächst als Patensohn der Morales auf und wird bald von den Mitgliedern der Familie und den Arbeitern akzeptiert, obwohl er nie wie sie zu sprechen lernt. Dafür verfügt er über eine ganz besondere Gabe: Er kann die Lebenswege ihm wichtiger Menschen fühlen und spürt beispielsweise, wenn sie sich in Gefahr befinden, so etwa als die ersten Fälle der Spanischen Grippe im Ort auftreten. Außerdem weiß er dank seiner Bienen um bevorstehende Wetterschwankungen oder wann die Pflanzen zu blühen beginnen. Doch er spürt auch, dass es einen Menschen auf dem Anwesen gibt, den Kojoten, der ihm Böses will und vor dem er sich verstecken muss, solange es möglich ist - denn dass es eines Tages zu einer Katastrophe kommen wird, ist Simonopio klar. Er weiß nur nicht, wann oder wie.

    Erzählt wird der Roman aus wechselnden Perspektiven - im Hintergrund steht ein zunächst unbekannter Ich-Erzähler, in dessen Leben Simonopio lange Zeit der wahre Protagonist ist. Dann gibt es Kapitel, in denen man als Leser Beatriz, die Frau des Gutsbesitzers, begleitet, immer wieder auch Simonopio oder einen der Arbeiter. Die Perspektivwechsel stellen beim Lesen keinerlei Schwierigkeit dar, es wird stets schnell deutlich, wen man gerade begleitet. Sprachlich ist der Roman sehr gelungen - die Sprache ist sehr bildhaft und wortgewaltig, sofort hat man das weitläufige mexikanische Anwesen und seine Bewohner vor Augen und kann sich in ihre Ängste und Hoffnungen hineinfühlen. Subtiler Humor ergänzt den Zauber und die gleichzeitige Ernstheit des Buches.

    Auch aus erzähltechnischer Sicht ist der Roman toll gestaltet, denn zwischen längeren Kapiteln gibt es immer wieder auch solche, die nur ein oder zwei Seiten einnehmen und manchmal sogar nur aus wenigen Sätzen bestehen - das fügt sich toll in den Roman ein und steigert an den entsprechenden Stellen die Spannung enorm.

    Dem magischen Anteil der Geschichte, ausgehend von Simonopio und seinen Bienen, stand ich anfangs skeptisch gegenüber, schnell hat sich dann aber gezeigt, dass nie ein "zu viel" an Übernatürlichem vorhanden ist, das den Erzählfluss stören könnte, sondern dass dieser Aspekt die Geschichte vielmehr wunderbar ergänzt. Sie bleibt stets ernsthaft, tragisch, berührend und geheimnisvoll, ohne ins Unglaubwürdige, Anstrengende abzudriften. Diese Synthese aus Magischem und Realem hat mir sehr gut gefallen.

    Fazit: Ein gelungenes, spannendes Konglomerat aus Ernsthaftigkeit und Humor, Familiengeschichte und Sozialstudie, dem ein ganz eigener Zauber innewohnt und das ich gerne weiterempfehle.

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  1. Etwas Besonderes

    Dieses Buch ist zauberhaft, nicht nett, aber warmherzig, eigen, aufschlussreich und wirklich seltsam.

    Wir sind in Mexiko in der kleinen Stadt Linares und erleben fast ein ganzes Jahrhundert seiner wechselvollen Geschichte. Als 1910 ein Baby gefunden wird, das eine merkwürdige Verbindung zu Bienen zu haben scheint, beginnt eine Revolution im Land.

    Der kleine Simonopio hat eine Hasenscharte und kann nicht sprechen, dafür hat er eine Art Extra-Sinn für die Sprache der Bienen. Er wächst auf der Hacienda der Familie Morales heran, die ihn liebevoll in ihren Kreis aufnimmt. Es gibt Krieg, Revolten, Missgunst, die Spanische Grippe und eine Landreform zu durchleiden, während andere Dinge immer gleich zu bleiben scheinen. Die alte Nana Reja sitzt in ihrem Schaukelstuhl auf der Veranda, man pflegt seine Felder und seinen Aberglauben und ignoriert stur, dass das neue Regime kein Verständnis für religiöse Traditionen hat.

    Das Buch liest sich wunderbar in einem ganz eigenen Stil, wirklich schön, warmherzig aber auch witzig mit vielen originellen Vergleichen. Die zahlreichen Zeitsprünge und Perspektivwechsel sind nicht ganz leicht zu verdauen, unterstreichen aber auch den rätselhaften Zauber, der über allem liegt.

    Man bekommt ein gutes Bild von Mexiko mit seinen vielfältigen Problemen und dazu eine Familiengeschichte mit originellen Figuren, die man sehr gut kennenlernt und die einem ans Herz wachsen, nicht zu vergessen dieser Bienenjunge, um den ein Geheimnis gewoben wird, das sich ganz elegant zwischen Realität und Wundersamem bewegt. Simonopios Fähigkeiten sind zauberhaft seltsam.

    Genau so sollten gute Bücher sein, man kann es genießen, lachen, staunen und ganz nebenbei lernt man noch eine Welt kennen, von der man nicht so oft zu hören bekommt.
    Ich bin begeistert.

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  1. Simonopio

    Klappentext:

    „Nur wer schweigt, hört das Flüstern der Natur

    In der kleinen mexikanischen Stadt Linares erzählt man sich noch immer von dem Tag, an dem die alte Nana Reja ein Baby unter einer Brücke gefunden hat. Von einem Bienenschwarm umhüllt, erweckt der kleine Simonopio zunächst Misstrauen bei den abergläubischen Dorfbewohnern. Doch die Gutsbesitzer Francisco und Beatriz Morales nehmen den wilden stummen Jungen bei sich auf und lieben ihn wie ihr eigenes Kind. Während die Spanische Grippe die Region trifft, und um sie herum die mexikanische Revolution wütet, lernen sie Simonopios Gabe zu vertrauen und können die Familie so vor dem größten Unheil bewahren. Doch nicht alle Bewohner der Hacienda meinen es gut mit dem Jungen …“

    Ach, was war das für ein Lesegenuss! Dieses Buch „Das Flüstern der Bienen“ ist wie ein Märchen für Erwachsene. Es geschehen seltsame Dinge mit einem Findelkind und dennoch wird es von seinen Pflegeeltern geliebt als wäre es das Eigene und dann nimmt die Reise ihren Lauf....Autorin Sofía Segovia hat mit ihrer Geschichte wirklich eine Kerbe in meiner Leseseele hinterlassen, so harmonisch, so emotional, so gefühlvoll ist dieses „Märchen“. Die Eindrücke, die wir als Leser kennenlernen und später dann auch langsam verstehen, werden uns ruhig und mit Bedacht erzählt. Hier gibt es keine Aufregung, hier gibt es nur das Lauschen/Aufnehmen der Geschichte vor dem inneren Auge und der inneren Stimme. Segovia ist unheimlich fein und mit ganz viel Fingerspitzengefühl unterwegs. Hier wird niemand (Protagonisten oder Nebendarsteller gleichermaßen) grundlos diffamiert oder in den Himmel gelobt - alles hat seine berechtigte Fügung. Als Leser erwarten uns hier viele Charaktere und somit sehr viele Sichtweisen. Genau diesen Punkt fand ich spannend, denn es ist eine Kunst, hier nicht den roten Faden der eigentlichen Geschichte zu verlieren. Segovia hat dies aber in meinen Augen bravourös gemeistert. Sie bringt einen wunderbaren und für Lateinamerika typischen Schreibstil hier zu uns und verzaubert damit ihre Leserschaft. Ich bin immer schon begeistert gewesen von den Autoren aus diesem Landstrich!

    Simonopio ist ein außergewöhnlich Junge, den man in sein Herz schließt und der dem „Märchen“ seinem Lauf lässt.

    Ein modernes Märchen von einem anderen Kontinent, welches verzaubert und den Leser beflügelt zurück lässt - 4 von 5 Sterne!

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  1. Eine faszinierende Geschichte, einfühlsam und poetisch erzählt

    „Wenn er gekonnt hätte, hätte er ihnen von der Musik erzählt, die ihm die Bienen in sein lauschendes Ohr sangen: über die Blumen in den Bergen, Begegnungen in der Ferne und Freundinnen, die den weiten Weg nach Hause nicht geschafft hatten, über die Sonne, die heute vom Himmel strahlte, aber morgen hinter Gewitterwolken verschwinden würde.“ (Zitat Pos. 775)

    Inhalt
    Im Oktober 1910 findet die alte Nana Reja ein Baby. Ausgesetzt, um zu sterben, doch eingehüllt in einen Bienenschwarm, hat der kleine Simonopio überlebt. Die vermögenden Plantagenbesitzer Francisco und Beatriz Morales nehmen ihn als Patensohn an und er wächst auf ihrer Hazienda La Amistand auf, zusammen mit seinen Bienen, von denen er den Kreislauf der Natur lernt. Als im April 1923 Beatriz, schon neununddreißig Jahre alt, nochmals Mutter wird, kümmert sich Simonopio wie ein Bruder um den kleinen Francisco. Alle halten Simonopio auf Grund eines Geburtsfehlers, eine Oberlippenspalte, für beinahe stumm, doch Francisco lernt seine Sprache und er liebt die vielen Geschichten, die ihm Simonopio erzählt – nur eine nicht, die vom Kojoten, denn er spürt, dass diese Geschichte auch Simonopio Angst macht.

    Thema und Genre
    Dieser Familien- und Generationenroman spielt in Mexiko, in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Den Hintergrund bildet die wechselvolle Geschichte Mexikos in dieser Zeit, Krieg, Revolutionen, politische Umstürze und die Spanische Grippe, doch im Vordergrund stehen die Menschen, die auf der Hazienda La Amistand nahe der Stadt Linares leben.

    Charaktere
    Simonopio ist ein besonderer Junge, er hat eine enge, magische Bindung zu seinen Bienen, scheint in Gedanken mit ihnen zu reden. Ungebunden lebt er den Jahreslauf mit der Natur und mit seinen Bienen. Sein Wissen setzt er zum Wohle der Hazienda ein, denn früh erkennt man seine besondere Gabe und hört auf ihn. Der kleine Francisco ist ein ungestümer Wildfang, doch seinem Bruder Simonopio hört er zu und bei ihm kommt er zur Ruhe. Beatriz Cortés de Morales ist, obwohl ihrer Erziehung und den gesellschaftlichen Konventionen der mexikanischen Oberschicht verpflichtet, eine starke, selbstbewusste Frau, bereit, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen.

    Handlung und Schreibstil
    Die Geschichte wird von Francisco erzählt, der inzwischen längst ein alter Mann ist. Dies erfolgt, mit einigen Vorgriffen und Rückblicken, chronologisch. Dort, wo es Francisco selbst betrifft, in der Ich-Form, die anderen Teile als personaler Erzähler. Seit vielen Jahren lebt er schon in Monterrey, doch ein Mal will er noch zurück nach Linares, das Haus seiner Kindheit sehen und während der Fahrt schildert er dem Taxifahrer die Geschichte seiner Familie und die damaligen Ereignisse. Geschrieben in einer eindrücklichen, poetischen Sprache, geht die Autorin einfühlsam mit ihren Figuren um, gibt ihnen Freiraum, sich zu entwickeln und vertieft die Handlung mit einer Art positiver Magie. Damit gewinnt sie von den ersten Seiten an die Aufmerksamkeit der Lesenden und die vielen Hinweise und Andeutungen auf kommende Ereignisse, die in der Mitte des Buches auf beinahe jeder Seite auftauchen und wohl den Spannungsbogen steigern sollen, sind in meinen Augen unnötig. Es sind die eindrücklichen Hauptfiguren, welche die Geschichte tragen und denen man auch ohne diese Stilmittel gespannt und neugierig folgt.

    Fazit
    Eine faszinierende Geschichte, poetisch, einfühlsam und mit einem Hauch Magie erzählt.

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