Alles Geld der Welt

Buchseite und Rezensionen zu 'Alles Geld der Welt' von Gerhard Loibelsberger
4.5
4.5 von 5 (2 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Alles Geld der Welt"

Format:Taschenbuch
Seiten:346
Verlag:
EAN:9783839226865

Rezensionen zu "Alles Geld der Welt"

  1. Strauch strauchelt

    Es ist 1873 und es war in Wien: Nach dem Tod des alten Baron Strauch übernimmt sein Sohn Heinrich die Geschäfte. Es ist eine Hochzeit der Bankiers, Immobilien- und Börsenspekulanten. Die Vorbereitungen auf die Weltausstellung laufen auf Hochtouren. Genau die richtige Zeit für Heinrich von Strauch, sein Vermögen zu vergrößern, Haussen und andere Höhepunkte zu feiern. Alles tanzt, alles dreht sich, bis mit dem großen Börsenkrach alles sein Ende findet.
    Der Wiener Autor Gerhard Loibelsberger katapultiert uns in seinem unterhaltsamen Roman „Alles Geld der Welt“ mit Sprache und Wortwahl mitten in das Geschehen der damaligen Zeit. Und es sind zunächst wirklich gute Zeiten für Heinrich von Strauch. Wie die Made im Speck lebt er vom ererbten Vermögen in einem stattlichen Palais, einem exzellent ausgestatten Haushalt, einem Dienstmädchen, das ihm eifrig zur Hand geht. Die eigene Ehefrau hat nach der Geburt zweier Kinder ihre Pflicht getan und ausrangiert. Dafür unterhält Heinrich gleich mehrere Liebschaften. Mit seinem alten Schulkameraden Ernst Xaver Huber gründet er ein Bankhaus und überlässt diesem vertrauensvoll die Geschäfte. Zu ebener Erde und im ersten Stock, quer durch die Bank und durch alle Betten wird gelogen und betrogen, gevögelt und gevöllert.
    Viele Namen hat Heinrich von Strauch - je nach Zuneigung - denn nicht jeder ist ihm wohlgesonnen: der Baron für die meisten, Einzi für Toni, die im „kleinen Pelzgeschäft“ stehende Gespielin, der Jüngel, für Jean den griesgrämigen Kammerdiener.
    „Heinrich von Strauch kannte keinen Genierer und hatte nicht den geringsten Funken von Anstand im Leib. Das Einzige, das in seinem kalten Herzen herumspukte waren Weiber, Weiber und nochmals Weiber.“
    Ganz so ein kaltes Herz hat der Baron nicht immer, er zeigt sich durchaus manches Mal großzügig, was ihm nach dem kapitalen Absturz auch zu Gute kommt. Denn nach dem Börsencrash ist die Welt eine andere. und es trifft nicht nur die Emporkömmlinge und Spekulanten. Strauch strauchelt und alles Geld der Welt kann ihn nicht vor dem Absturz bewahren.
    Geld regiert die Welt, das war schon immer so und wird wahrscheinlich immer so sein. „Alles Geld der Welt“ ist eine frivole Posse, eingebettet in historisch fundierte Ereignisse. Sehr Unterhaltsam zu lesen. Wer das Wienerische nicht beherrscht, findet am Ende des Buches ein Glossar. Außerdem setzt der Autor auch seinem Ermittler aus vorangehenden Kriminalromanen ein kleines Denkmal, und seinem Urgroßvater auch.
    „Kein Problem. Der Loibelsberger macht das schon.“

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  1. Ein lebendiger Blick ins gründerzeitliche Wien

    „Dazu kam, dass die allermeisten Wertpapiere, mit denen an der Börse gehandelt wurde, nur einen Bruchteil ihres derzeitigen Kurses wert waren. Ein Faktum, das für ihn als Börsenfachmann und Spekulant evident, das aber dem normalen Bürger, der ein bisschen Erspartes im Sparstrumpf hatte, völlig unklar war.“ (Zitat Seite 29)

    Inhalt
    Mit dem Abriss der Stadtmauer ab 1858 und dem Bau der Wiener Ringstraße mit ihren Prachtbauten beginnt ein gründerzeitlicher Bauboom. In Verbindung mit der geplanten Weltausstellung führt dies zu einer euphorischen Aufbruchsstimmung, die alle Bevölkerungsschichten erfasst. Auch Heinrich von Strauch, der Inhaber des gleichnamigen Wiener Bankhauses, erkennt rasch die Möglichkeiten der schnellen Gewinne durch Investitionen in Immobilien und das Auflegen immer neuer Aktien an der Börse. Doch kann die Weltausstellung, die am 1. Mai 1873 eröffnet wird, die hohen Erwartungen erfüllen? Nicht nur auf Grund der schönen, jungen Frauen, denen er noch nie widerstehen konnte, hat Heinrich von Strauch immer öfter schlaflose Nächte.

    Thema und Genre
    Dieser historische Roman spielt im Jahr 1873. Themen sind das aufwändige Leben der damals herrschenden Gesellschaftsschicht und die enormen Klassenunterschiede, gewagte Börsen- und Immobiliengeschäfte und Spekulationen, aber auch Genuss und Lebensfreude im Wien des 19. Jahrhunderts.

    Charaktere
    Die fiktiven Hauptprotagonisten sind gekonnt in das tatsächliche historische Umfeld eingefügt und durch die bekannten realen Personen dieser Zeitperiode ergänzt. Die Charaktereigenschaften entsprechen, obwohl in ihrer Negativität etwas einseitig und teilweise überzeichnet, dem Denk- und Verhaltensmuster der damaligen Zeit. Heinrich von Strauch ist der typische Sohn, der das vom Vater zuvor Aufgebaute erbt, ein Lebemann und Genussmensch, der aber auch das nötige Fachwissen für das Bankwesen und die Börsengeschäfte besitzt. Die Risiken seiner intensiven Investitionstätigkeit sind ihm durchaus bewusst.

    Handlung und Schreibstil
    Die Geschichte spielt in der Zeit von Januar bis Juli 1873, ein Prolog und Epilog erweitern diesen Zeitrahmen. Rückblenden und zusätzliche Hintergrundinformationen in Form von Zeitungsartikeln zu aktuellen Ereignissen, Expertenmeinung und allgemeiner Stimmungslage ergänzen die Handlung. Auch wenn der Wiener Börsenkrach und die Ursachen bekannte Fakten sind, ist die Geschichte um das fiktive Wiener Bankhaus spannend zu lesen.
    Die Sprache mit den speziellen Wiener Ausdrücken entspricht der damaligen Zeit, die Dialoge sind zusätzlich der gesellschaftlichen Stellung und Bildung des/der Sprechenden angepasst.

    Fazit
    Ein Roman aus der rasanten Finanzwelt der späten Gründerzeit 1873 in Wien, wo die nahe Weltausstellung Reichtum und Aufstieg für alle Bevölkerungsgruppen verspricht und alles möglich scheint. Man taucht ein in die „gute“, alte Zeit, die nur für eine kleine Bevölkerungsgruppe wirklich gut war, genießt das gesellschaftliche Leben in den Wiener Kaffeehäusern und Salons und erhält ungeschönte Einblicke in das Leben der von den Launen der Herrschaft abhängigen Bediensteten. Die authentische Sprache vervollständigt diese interessante, facettenreiche Reise ins alte Wien.

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